Leitsatz (amtlich)
Wird durch nachträgliche Vereinbarung der Rechnungspreis einer bereits zur Einfuhr abgefertigten Ware rückwirkend geändert, folgt daraus nicht, daß die Festsetzung der Eingangsabgaben unter Zugrundelegung des nachträglich vereinbarten Rechnungspreises als Zollwert zu ändern ist.
Normenkette
ZTG § 6 Abs. 1
Tatbestand
I. -
Für die Bfin. wurden am 12., 16. und 24. September 1955 verschiedene Schokoladen und Schokoladenwaren zum freien Verkehr abgefertigt. Lieferantin der Waren war die Muttergesellschaft der Bfin. In allen Fällen wurden der Abgabenberechnung die Rechnungspreise zugrunde gelegt. Durch Schreiben vom 7. Februar und 16. April 1956 beantragte die Bfin. die Berichtigung der Zollwerte und die Erstattung der danach zuviel erhobenen Abgaben mit der Begründung, daß die Lieferantin am 22. September 1955 rückwirkend ab 1. September 1955 die Preise für Schokoladen und Schokoladenwaren gesenkt und ihr daher am 8. Dezember 1955 eine Gutschrift über den entsprechenden Betrag erteilt habe. Diese Preissenkung sei das Ergebnis monatelanger Verhandlungen, deren Ziel es gewesen sei, die Preise für Schokoladenerzeugnisse den veränderten Weltmarktpreisen für Kakao anzupassen. Anläßlich einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß der Bfin. tatsächlich die genannte Preissenkung am 22. September 1955 fernmündlich mitgeteilt und der entsprechende Betrag durch das bei den Akten befindliche Schreiben vom 8. Dezember 1955 gutgeschrieben worden ist.
Das Zollamt lehnte den Antrag der Bfin. auf Berichtigung und Erstattung ab, weil nachträgliche Preisnachlässe bei der Zollwertbemessung nur dann anerkannt werden könnten, wenn sie schon in dem für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt der Höhe nach festständen, was im vorliegenden Fall nicht zuträfe.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Die Rb. wird wie folgt begründet: Zu Unrecht habe die Vorinstanz die Aufdeckung eines Fehlers durch die Aufsichtsbehörde verneint. Der der Berechnung der Einfuhrabgaben zugrunde gelegte Preis habe nicht dem tatsächlichen Preis entsprochen. Der Abgabenbemessung sei jedoch letzterer zugrunde zu legen. Da zwischen dem tatsächlichen und dem bei der Abgabenberechnung berücksichtigten Preis Differenzen beständen, lägen nach allgemeinem Empfinden Fehler vor, die durch die Betriebsprüfung aufgedeckt worden seien. Ob die Aufsichtsbehörde Fehler "feststelle", sei unerheblich. Die Auffassung, ein Fehler sei nicht vorhanden, weil weder eine falsche Tatsachenwürdigung noch eine falsche Rechtsauffassung vorgelegen habe, sei falsch. Der ursprünglich mitgeteilte Rechnungspreis sei gar nicht der richtige gewesen. Wenn die Vorinstanz meine, daß die am 22. September 1955 von der Lieferantin mitgeteilten Preise keine rückwirkende Kraft in steuerrechtlicher Hinsicht hätten, werde übersehen, daß es sich bei der Rückwirkung lediglich um eine Zeit von drei Wochen handle und daß die Verhandlungen über die Preisherabsetzung bereits längere Zeit geschwebt hätten. In den von der Vorinstanz angeführten Urteilen des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs handle es sich um erheblich längere Zeiträume. Es bestehe somit ein Berichtigungsanspruch der Bfin. aus § 224 AO.
Die Erstattungsanträge der Bfin. seien aber auch nach § 94 AO begründet. Die Zollbehörde habe im Rahmen des ihr durch diese Vorschrift auferlegten Ermessens mißbräuchlich gehandelt. Sie habe ähnliche Erstattungsanträge für Lieferungen nach dem 22. September 1955, für die ebenfalls zunächst die alten Preise zugrunde gelegt waren, positiv beschieden. Es sei nicht einzusehen, warum die hier streitigen Fälle anders beurteilt werden sollten. Soweit die Vorinstanz auf das Urteil des erkennenden Senats VII 104/60 U vom 7. Dezember 1960 (BStBl 1961 III S. 84, Slg. Bd. 72 S. 225) verweise, übersehe sie, daß im Streitfalle Umstände vorgelegen hätten, die der Bfin. nicht zum Verschulden angerechnet werden könnten. Innerhalb der Rechtsmittelfrist seien die Gutschriftsanzeigen noch nicht bei ihr eingegangen gewesen. Da nach § 249 Abs. 4 AO mit der Einlegung des Rechtsmittels die Tatsachen und Beweismittel, die zur Begründung dienen, angeführt werden sollen, habe sich die Bfin. in entschuldbarem Irrtum nicht in der Lage gesehen, das Rechtsmittel einzulegen. Die Vorinstanz hätte also im Rahmen des § 94 AO prüfen müssen, ob die Erstattungsanträge als Einsprüche mit gleichzeitigem Antrag auf Nachsichtgewährung angesehen werden könnten. Hierbei wäre die Behandlung der späteren Anträge durch die Zollbehörden von großer Bedeutung gewesen. Die Vorinstanz hätte nämlich zu der Entscheidung kommen müssen, daß die unterschiedliche Behandlung bei gleichem Sachverhalt einen Ermessensmißbrauch darstelle.
Entscheidungsgründe
II. -
Die Rb. hat keinen Erfolg.
In seinem Urteil VII 29/61 U vom 16. Oktober 1962 (BStBl 1963 III S. 26) hat der Senat daran festgehalten, daß gegen Bescheide der Zollstellen, mit denen Anträge auf Berichtigung oder Aufhebung rechtskräftiger Steuerbescheide nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 AO oder wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 224 AO abgelehnt werden, das Einspruchs- und Berufungsverfahren gegeben ist. Dem entspricht es, daß im Streitfalle das Hauptzollamt durch Einspruch entschieden und die Vorinstanz das nicht beanstandet hat.
In sachlicher Hinsicht ergibt die Prüfung der Rb. folgendes:
Der nach § 5 des auf den Streitfall noch anzuwendenden ZTG 1951 für die Bemessung des Zolls maßgebende Normalpreis ist der Preis, der für die eingeführte Ware bei einem Verkauf zum freien Marktpreis zwischen unabhängigen Verkäufern und Käufern in dem für die Anwendung der Zollvorschriften maßgebenden Zeitpunkt (§§ 58, 60 ZG 1939) erzielt werden kann (ß 6 Abs. 1 ZTG). Die Zollbehörden können nach § 7 ZTG als Zollwert den Rechnungspreis gelten lassen, wenn er nach den Bedingungen und Umständen des Handelsgeschäfts als Normalpreis angesehen werden kann.
Im Streitfall sind die von der Bfin. angemeldeten Rechnungspreise als Zollwert zugrunde gelegt worden. Die Zollstelle hat das getan, weil trotz des zwischen der Lieferantin und der Bfin. bestehenden Mutter-Tochter-Verhältnisses keine Zweifel bestanden, daß die Bfin. die von der Muttergesellschaft bezogenen Waren als Eigenhändlerin kaufte und weiterverkaufte, auch die ihr in Rechnung gestellten Preise den Voraussetzungen des Normalpreises (ß 8 Abs. 1 ZTG) entsprachen und einer Berichtigung nach § 7 Abs. 2 ZTG offenbar nicht bedurften.
Das Begehren der Bfin. auf Berichtigung der Abgabenbescheide dahin, daß statt dieser Rechnungspreise die ihr von der Lieferantin am 22. September 1955 rückwirkend ab 1. September 1955 eingeräumten niedrigeren Preise als Zollwert zugrunde gelegt werden, ist nicht begründet.
Nach § 6 Abs. 1 ZTG ist für den Zollwert der gleiche Zeitpunkt maßgebend wie für die Anwendung der Zollvorschriften. Das ist, wie sich aus dem in § 6 Abs. 1 ZTG angeführten § 58 ZG 1939 ergibt, bei Abfertigung einer Ware zum freien Verkehr der Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Abfertigungsantrag gestellt wird. Im Streitfalle sind nach den Akten die Abfertigungsanträge am 3. August und 17. September 1955 gestellt worden. Die fernmündliche Senkung der Preise für die eingeführten Waren ist also nach dem maßgebenden Zeitpunkt erfolgt.
Daß es nur auf die in diesem Zeitpunkt vorliegenden Umstände ankommt und nachträgliche Vereinbarungen daran nichts ändern können, kommt besonders in zwei Vorschriften der seinerzeit geltenden Wertzollordnung (WertZO) 1951 zum Ausdruck, die Sonderfälle behandeln. Nach § 14 a. a. O. ist, wenn die Beschaffenheit oder Güte einer Ware erst nach dem für die Anwendung der Zollvorschriften maßgebenden Zeitpunkt (§§ 58, 60 ZG) festgestellt wird und die Höhe des Kaufpreises (Rechnungspreises) von dieser Feststellung abhängig ist, das Ergebnis dieser Feststellung bei der Bemessung des Zollwertes zu berücksichtigen. Das besagt, daß grundsätzlich die Beschaffenheit und Güte einer Ware und die Höhe des sich danach richtenden Kaufpreises in dem maßgebenden Zeitpunkt feststehen muß und nur für den Fall einer späteren Feststellung der Beschaffenheit und Güte einer Ware die Ausnahme zugelassen ist, daß der davon abhängige Kaufpreis bei der Bemessung des Zollwerts berücksichtigt wird. Auch hier sind aber - und das ist das Wesentliche - die im maßgebenden Zeitpunkt vorhandenen Umstände entscheidend, und es wird nur die Möglichkeit eingeräumt, daß sie erst später ermittelt werden. Jedoch ist keineswegs die Berücksichtigung später eintretender Ereignisse zugelassen. Auch die in § 15 WertZO 1951 zugelassene Berücksichtigung eines Preisnachlasses auf Grund von Mängelrügen bedeutet nichts anderes. Denn in diesem Falle ändert sich nicht der vereinbarte Preis für die Ware in ihrer handelsüblichen oder vertraglich vereinbarten Beschaffenheit oder Güte, sondern es wird nur berücksichtigt, daß die Ware bereits im maßgebenden Zeitpunkt eine andere als die vorausgesetzte Beschaffenheit oder Güte aufwies - auch wenn das erst später ersichtlich wird - und demgemäß auch ihr Wert ein anderer war, als es dem in Rechnung gestellten Preis entsprechen würde. Demgemäß sehen auch § 39 WertZO 1957 und § 30 WertZO 1961 eine Berücksichtigung von Preisnachlässen und Preisermäßigungen unter anderem nur dann vor, wenn sie im maßgebenden Zeitpunkt dem Grunde und der Höhe nach feststehen.
Bei Zugrundelegung nachträglich zugestandener Preise aber würden im Gegensatz zu den oben erwähnten Fällen der §§ 14, 15 WertZO 1951 nicht die im maßgebenden Zeitpunkt vorhandenen Umstände berücksichtigt, sondern es würde mit der Ersetzung des in diesem Zeitpunkt geltenden Preises durch einen anderen ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der Zollwertnorm außer acht gelassen. Hierbei würde sich sogar ein Unterschied gegenüber der Anfechtung eines Rechtsgeschäfts ergeben, aus der sich - im Falle ihrer Berechtigung - ergibt, daß ein dem Anschein nach wirksames Rechtsgeschäft von vornherein an Mängeln leidet, die eine rückwirkende Beseitigung durch einseitige Erklärung ermöglichen. Bei einer rückwirkenden vertraglichen Preisänderung wird dagegen eine an sich wirksame Preisvereinbarung geändert. Daß vielleicht die Marktverhältnisse schon ein früheres Nachgeben des einen oder anderen Partners hätten angemessen erscheinen lassen, begründet keinen Mangel der ursprünglichen Preisvereinbarung. Denn es kann nicht darauf ankommen, was billigerweise hätte zugestanden werden sollen, sondern was sich die Partner jeweils - rechtswirksam - zugestanden haben. Die Berücksichtigung nachträglich rückwirkend geänderter Preise bei der Bemessung des Zollwerts würde demnach bedeuten, daß der vom Gesetzgeber bestimmte Zeitpunkt und die in ihm vorliegenden Umstände nicht als maßgebend anerkannt werden. Das aber steht mit der in § 6 Abs. 1 ZTG enthaltenen Zollwertnorm nicht in Einklang.
Dieses den wertzollrechtlichen Vorschriften zu entnehmende Ergebnis deckt sich im übrigen mit der Auslegung der allgemeinen Vorschrift des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG durch die herrschende Meinung. Nach Abs. 2 a. a. O. sind, wenn eine Bedingung eintritt, unter der die Steuerschuld, die Steuerbefreiung oder die sonstige Steuervergünstigung wegfällt. Steuerfestsetzungen und Steuerfeststellungen, bei denen der Eintritt der Bedingung nicht berücksichtigt ist, zurückzunehmen oder zu ändern, bisher unterbliebene Steuerfestsetzungen und Steuerfeststellungen nachzuholen und zuviel gezahlte Steuern zu erstatten. Entsprechendes gilt nach Abs. 3 Ziff. 2 a. a. O., wenn ein Merkmal, dessen Vorliegen das Gesetz für die Steuerschuld, für die Steuerbefreiung, für eine Steuerermäßigung oder für eine sonstige Steuervergünstigung fordert, nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist. Als rückwirkender Wegfall eines solchen Merkmals wird es nach der herrschenden Meinung nicht angesehen, wenn änderungen durch vertragliche Abreden herbeigeführt werden, auch wenn die Vertragspartner ihnen rückwirkende Kraft beilegen (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und den Nebengesetzen, Anm. 5 zu § 4 des StAnpG, und das dort angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs VI 240/58 U vom 30. September 1960, BStBl 1960 III S. 465, Slg. Bd. 71 S. 577, sowie Anm. 7 und die dort angeführten Urteile des Reichsfinanzhofs, ferner Kühn, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Anm. 4 zu § 4 StAnpG und Anm. 1 c zu § 3 und die dort angeführte Rechtsprechung). Damit wird auch hier nachträglichen Vereinbarungen eine abgabenrechtliche Rückwirkung nicht zuerkannt.
Die am 22. September 1955 der Bfin. von ihrer Lieferantin eingeräumten Preise können daher nur bei denjenigen Einfuhren zugrunde gelegt werden, bei denen der maßgebende Zeitpunkt nach dieser Preisherabsetzung liegt. Da im Streitfall jedoch bei allen drei Einfuhren die Abfertigungsanträge früher gestellt sind, können nur die bei Stellung der Abfertigungsanträge gültigen Rechnungspreise zugrunde gelegt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410757 |
BStBl III 1963, 173 |
BFHE 1963, 477 |
BFHE 76, 477 |