Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, daß Gesellschaften, die nach außen hin nicht hervortreten (Innengesellschaften), für das Umsatzsteuerrecht unbeachtlich sind, daß die Leistungen der Gesellschafter sich nicht an die Gesellschaft, sondern an die anderen Mitglieder der Gesellschaft wenden, und daß die an die einzelnen Gesellschafter verteilten Reinerlöse vereinnahmte Entgelte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951 darstellen.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betreibt eine Spinnerei und seit 1951 daneben eine ... fabrik. Durch Vertrag vom ... 1931 wurde ihr und einer zweiten deutschen Firma (A) und durch Vertrag vom ... 1932 einer dritten deutschen Firma (B) die Herstellungs- und Vertriebslizenz für ... nach einem zugunsten einer ausländischen Firma (Lizenzgeber) patentrechtlich geschützten Verfahren übertragen. Jede der Lizenzen erstreckte sich auf einen besonders umgrenzten Teil des damaligen Reichsgebiets.
Am ... 1934 schlossen sich die drei Lizenznehmer durch mündliche Abrede (schriftlich niedergelegt im Vertrage vom ... 1951) zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (auch als "Gruppe" oder "Interessengemeinschaft" bezeichnet) zusammen. Die Arbeitsgebiete wurden zwischen den beteiligten Firmen so aufgeteilt, daß A die Herstellung und B den Vertrieb der Lizenzware übernahmen, während die Steuerpflichtige ihre Mitarbeit zunächst auf die Zurverfügungstellung von Geldmitteln für die Finanzierung des Absatzes beschränkte und erst ab Mai 1951 mit 10 v. H. an der Produktion teilnahm. Die Herstellerfirmen kauften die Rohstoffe im eigenen Namen ein und stellten die Fertigwaren zu marktüblichen Preisen der Vertriebsfirma in Rechnung, die ihrerseits die Fertigwaren im eigenen Namen an die Abnehmer weiterlieferte. Der Versand der Waren erfolgte nach den Weisungen der Vertriebsfirma unmittelbar von den Herstellerfirmen an die Abnehmer. Die drei Firmen arbeiteten im Innenverhältnis für gemeinsame Rechnung. Die Vertriebsfirma (B) rechnete monatlich mit ihren Partnern ab. Der (nach Abzug u. a. der Lizenzgebühr, der Kosten für Patentstreitigkeiten und eines Vorweggewinns für B verbleibende) Gewinn (bzw. Verlust) wurde gleichmäßig unter den Mitgliedern der Gruppe verteilt.
Die Steuerpflichtige unterwarf - neben ihren Umsätzen an Dritte - nur den Kaufpreis für die Lieferungen der Fertigwaren an B der Umsatzsteuer. Demgegenüber zog der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Steuerpflichtige aufgrund einer bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung gemäß § 222 AO auch mit dem von B erhaltenen Gewinnanteil zur Umsatzsteuer heran. Einspruch und Berufung (jetzt Klage) blieben in diesem, im Revisionsverfahren allein noch streitigen Punkte erfolglos.
In der Vorentscheidung wird ausgeführt: Der an die Steuerpflichtige gezahlte Gewinnanteil wäre mangels Leistungsaustausches nicht zur Umsatzsteuer heranzuziehen, wenn die von den drei Lizenznehmern gebildete Interessengemeinschaft (Gruppe) eine nach außen als Unternehmer auftretende Personengesellschaft wäre. Tatsächlich sei jedoch nicht diese, sondern - wie sich aus der vorgelegten Geschäftskorrespondenz ergebe - allein die Vertriebsfirma B den Abnehmern gegenüber im eigenen Namen als Lieferer tätig geworden. Die Gruppe sei als eine sogenannte "Innengesellschaft" zu beurteilen. Innengesellschaften seien aber nach der ständigen Rechtsprechung des BFH umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich. In diesen Fällen würden die Leistungen der Gesellschafter nicht der Gesellschaft, sondern den Mitgesellschaftern gegenüber erbracht, mit der Folge, daß die Gesellschafter ihre Gewinnanteile im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustausches erhielten. Auch eine nichtsteuerbare sogenannte "Gewinnpoolung" liege nicht vor, weil die Gewinne nicht bei allen Beteiligten, sondern nur bei der Firma B anfielen, die sie an die Mitglieder der Interessengemeinschaft verteile.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), rügt die Steuerpflichtige die Verletzung von Bundesrecht. Das FG verwechsele die Mitgliederleistungen und die Warenlieferungen der Steuerpflichtigen. Die Mitgliederleistungen der Steuerpflichtigen an die Interessengemeinschaft der drei beteiligten Firmen bestünden in der Zurverfügungstellung der Lizenzen und des Produktionsapparates sowie in der Verpflichtung, die Erzeugnisse ausschließlich an die Vertriebsfirma B zu liefern und auf eigenen Wettbewerb zu verzichten. Mitgliederbeiträge der Gesellschafter an die Gesellschaft seien nichtsteuerbar, gleichgültig, ob es sich bei dieser um eine Außen- oder um eine Innengesellschaft handele. Denn sie dienten nicht dem Leistungsaustausch, sondern der Leistungsvereinigung. Empfängerin dieser Leistungen sei nicht die Firma B, sondern die Interessengemeinschaft. Diese müsse einer Außengesellschaft umsatzsteuerlich gleichgestellt werden, weil den Hauptkunden das Zusammenspiel der drei Firmen bekannt gewesen sei. Schließlich habe das FG auch zu Unrecht eine Gewinnpoolung abgelehnt. Hierfür sei begriffsnotwendig allein, daß ein gemeinsamer Topf vorhanden sei, aus dem jeder seinen ihm vertraglich zustehenden Gewinnanteil erhalte, nicht dagegen, daß jeder Beteiligte dem gemeinsamen Topf etwas zuführe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Interessengemeinschaft der Lizenznehmer kann nicht als eine nach außen auftretende Personengesellschaft (sogenannte "Außengesellschaft") angesehen werden; denn nicht sie, sondern die Vertriebsfirma B hat - wie die Vorinstanz an Hand der ihr vorgelegten Geschäftskorrespondenz ohne Rechtsirrtum festgestellt hat -, und zwar im eigenen Namen, die fertigen Waren an die Abnehmer geliefert. Daß die Abnehmer zu den Herstellerfirmen (Steuerpflichtige und A) Kontakte hatten, indem sie technische Fragen besprachen, sich die Waren unmittelbar zusenden ließen, das Verpackungsmaterial an die Herstellerfirmen zurücksandten und sich mit etwaigen Mängelrügen teilweise an sie wandten, ist belanglos. Solche Kontakte sind im Wirtschaftsleben (z. B. in der Kraftfahrzeug- und in der Möbelbranche) vielfach üblich, ohne daß dadurch die vertraglichen Beziehungen zur Lieferfirma berührt werden. Die Abnehmer konnten, soweit sie über das Bestehen der Interessengemeinschaft und die Funktionen ihrer Mitgliedsfirmen unterrichtet waren, nur den Schluß ziehen, daß die Gemeinschaft eine Innengesellschaft sei, weil die Abnehmer - wie die Steuerpflichtige zugibt - die Kaufverträge allein mit der Vertriebsfirma B abschlossen und allein zu ihr in Rechtsbeziehungen traten. Für eine umsatzsteuerrechtliche Gleichstellung der Interessengemeinschaft mit einer Außengesellschaft besteht kein Anlaß.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH (vgl. z. B. die Urteile V A 676/31 vom 24. Juni 1932, RStBl 1932, 1232; V 4/40 vom 7. März 1941, RStBl 1941, 390; V 10/40 vom 6. Februar 1942, RStBl 1942, 687) und des BFH (vgl. z. B. die Urteile V 104/54 S vom 26. Mai 1955, BFH 61, 95, BStBl III 1955, 234; V 188/58 U vom 11. August 1960, BFH 71, 608, BStBl III 1960, 476; V 225/58 vom 22. Dezember 1960, HFR 1961, 41; V 268/58 vom 1. Dezember 1960, HFR 1961 138; V 216/58 vom 9. Februar 1961, HFR 1962, 21) sind Innengesellschaften umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich. Für die umsatzsteuerliche Anerkennung einer Personengesellschaft ist es erforderlich, daß das gesellschaftliche Verhältnis nach außen in Erscheinung tritt. Denn nur dann vermögen Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und Dritten zu entstehen und wird die Gesellschaft als Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne tätig. Leistungen der Beteiligten werden bei einer Innengesellschaft nicht mit dieser, sondern unmittelbar unter den Gesellschaftern ausgetauscht.
Der BFH hat diese Rechtsprechung im Grundsatzurteil V 146/63 S vom 11. November 1965 (BFH 84, 81, BStBl III 1966, 28) nochmals bekräftigt. Er hat sich in diesem Urteil insbesondere mit dem - auch von der Steuerpflichtigen geltend gemachten - Einwand auseinandergesetzt, Leistungsempfänger könne auch ein Nichtunternehmer sein. Das trifft nur zu, wenn der Nichtunternehmer das letzte Glied der Umsatzkette ist. Dienen - wie im Streitfalle - die Leistungen (Zurverfügungstellung der Lizenzen usw.) dazu, weitere Umsätze an Dritte zu bewirken, so kann Leistungsempfänger nur ein Unternehmer sein, und zwar nur derjenige Unternehmer, der die weiteren Umsätze ausführt, im Streitfalle also die Vertriebsfirma B. Spielt somit die Innengesellschaft weder im Verhältnis zu Dritten noch im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern umsatzsteuerrechtlich eine Rolle, so kann die Verteilung des nach Abzug der Unkosten verbleibenden Erlöses durch die Firma B aus den von ihr getätigten Geschäften keine Gewinnausschüttung der Innengesellschaft an ihre Mitglieder sein. Gewinnverteilungen zwischen den Mitgliedern der Innengesellschaft sind aber, weil Leistung (Warenlieferung + Lizenzüberlassung usw.) und Gegenleistung (Warenpreis + angebliche Gesellschafterbeiträge) einander gegenüberstehen, also ein Leistungsaustausch stattfindet, umsatzsteuerrechtlich Entgelt (Urteil des BFH V 146/63 S vom 11. November 1965, a. a. O.). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das FG die Lieferungen der ... waren und die "Gesellschafterbeiträge" gleichermaßen als steuerbare Leistungen der Steuerpflichtigen an die Firma B und deren "Gewinnausschüttungen" als Teil des Entgelts beurteilt hat. Eine Verteilung des Gewinns durch die Interessengemeinschaft scheidet auch deshalb aus, weil der Gewinn nicht von dieser, sondern von der Vertriebsfirma B beim Verkauf der Ware an Dritte erzielt wurde.
Bedenklich ist ferner die von der Steuerpflichtigen vorgetragene Darstellung, sie habe der Interessengemeinschaft die Lizenz als Gesellschafterbeitrag zur Verfügung gestellt. Denn die Lizenz, d. h. das Recht zur Benutzung des Patents, wurde bereits von der Steuerpflichtigen (bzw. von der Firma A) wahrgenommen, und zwar die Herstellungslizenz bei der Herstellung der Ware, die Vertriebslizenz bei der Lieferung der Ware an B. Richtig ist vielmehr, daß die Steuerpflichtige die Ware unter Ausnutzung ihrer Lizenz herstellte und an B mit der Verpflichtung lieferte, Verkäufe an Dritte zu unterlassen, und daß sie hierfür von B ein Gesamtentgelt in Gestalt des Warenpreises und des "Gewinnanteils" erhielt.
Im übrigen müßte, wollte man die Interessengemeinschaft als Leistungsempfänger der Gesellschafterbeiträge ansehen, ein weiterer steuerpflichtiger Umsatz zwischen dieser und der Vertriebsfirma B angenommen werden. Denn die Interessengemeinschaft konnte mit den Beiträgen (Lizenzen usw.) nichts anfangen, weil sie die Waren weder hergestellt noch an Dritte geliefert hat. Eine solche Konstruktion würde aber den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entsprechen (vgl. hierzu das Urteil des Senats V 197/57 vom 11. August 1960, a. a. O.).
3. Zu Recht hat die Vorinstanz schließlich auch das Vorliegen einer Gewinnpoolung verneint. Eine solche ist gegeben, wenn mehrere Unternehmer, die ihre Geschäfte nach außen im eigenen Namen (jeder für sich) betreiben und nicht in einem Leistungsaustausch miteinander stehen, auf Grund interner Vereinbarungen ihre Erlöse nach Abzug der Unkosten ganz oder teilweise nach einem bestimmten Schlüssel unter sich aufteilen. Dieser Tatbestand ist im Streitfall nicht gegeben. Es legen nicht mehrere Unternehmer ihre selbständig erzielten Gewinne zusammen, um sie unter sich aufzuteilen, sondern es wird lediglich der bei einem von ihnen anfallende Gewinn verteilt. Die Beteiligten betätigen sich im Streitfalle auf verschiedenen Wirtschaftsstufen, die Steuerpflichtige und die Firma A auf der Hersteller-, die Firma B auf der Verteilerstufe. Zwischen ihnen findet - wie oben dargelegt - in vollem Umfange ein Leistungsaustausch statt (vgl. Urteil des BFH V 146/63 S vom 11. November 1965, a. a. O.).
Fundstellen
BStBl II 1970, 477 |
BFHE 1970, 518 |