Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die auf Antrag vorgenommene, rechtskräftige Wertfortschreibung eines Grundstücks auf den 21. Juni 1948 wegen Kriegsschadens schließt die spätere Art- und Wertfortschreibung von Amts wegen auf denselben Fortschreibungszeitpunkt nicht grundsätzlich aus.
Normenkette
FortschrG § 7; AO § 225a
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) wendet sich dagegen, daß die Art- und Wertfortschreibung seines bebauten Grundstücks statt auf den 21. Juni 1948 auf den 1. Januar 1950 vorgenommen worden ist. Das Grundstück ist für den 1. Januar 1935 als Einfamilienhaus nach dem Sachwertverfahren bewertet worden. 1938 erwarb es der Bf. von dem nichtarischen Vorbesitzer. Zurechnungsfortschreibung erfolgte auf den 1. Januar 1939. Im April 1949 beantragte der Bf. wegen Kriegsschäden Fortschreibung des Einheitswerts auf den 21. Juni 1948. Daraufhin erging im Juli 1950 ein Wertfortschreibungsbescheid, in dem der Einheitswert von bisher 19.800 RM auf 16.100 DM am 21. Juni 1948 herabgesetzt wurde. Im Dezember 1950 erbat der Bf. Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1950, weil das Gebäude nicht mehr Einfamilienhaus, sondern infolge Errichtung mehrerer abgeschlossener Wohnungen Mietwohngrundstück geworden sei. Es erfolgte Art- und Wertfortschreibung jedoch auf den 1. Januar 1951. Im Einspruch hiergegen bemängelte der Bf. die vom Finanzamt angesetzte Jahresrohmiete und erweiterte im übrigen seinen Antrag dahin, daß die Art- und Wertfortschreibung bereits auf den 21. Juni 1948 vorgenommen werden müsse, da die Voraussetzungen für die Art- und Wertfortschreibung bereits an diesem Stichtag vorgelegen hätten. Da das Grundstück als früheres jüdisches Eigentum den Bestimmungen der Gesetze Nr. 52, 53 der Militärregierung unterlegen habe, sei es seiner Verfügung entzogen gewesen. Er hätte daher während der Zeit der Beschlagnahme und des Bestehens der Treuhänderschaft den Antrag auf Art- und Wertfortschreibung nicht stellen können. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als die Jahresrohmiete ermäßigt und der Einheitswert bereits auf den 1. Januar 1950 fortgeschrieben wurde. In der Berufung verblieb der Bf. dabei, daß die Art- und Wertfortschreibung bereits auf den Währungsstichtag erfolgen müsse. Der von der Militärregierung eingesetzte Treuhänder sei erst mit Wirkung vom 1. Februar 1951 an entlassen worden. Erst von diesem Zeitpunkt an könne er (der Bf.) wieder frei über sein Grundstück verfügen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führt aus: Der Bf. habe durch die Beschlagnahme nach dem Gesetz Nr. 52 das Eigentum an dem Grundstück nicht verloren. Er sei vielmehr während der Beschlagnahme nur insoweit in seinen Rechten beschränkt gewesen, als er während dieser Zeit das Grundstück weder veräußern noch belasten durfte. Der Treuhänder sei nur als Verwalter für die Militärregierung anzusehen. Zur Stellung von Anträgen im Bewertungsverfahren sei jedenfalls der Bf. selbst befugt gewesen. Tatsächlich habe er auch Anträge gestellt. Im übrigen sei der eingesetzte Treuhänder der Steuerberater des Bf. und infolgedessen das Einverständnis des Treuhänders mit steuerlichen Eingaben des Bf. ohne weiteres anzunehmen gewesen. Der im Mai 1951 vom Bf. gestellte Antrag auf Vornahme der Art- und Wertfortschreibung zum 21. Juni 1948 sei verspätet. Da die Antragsfrist aus § 7 des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) in Verbindung mit § 225 a der Reichsabgabenordnung (AO) eine Ausschlußfrist sei, könne Nachsicht nicht gewährt werden. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde. Sie stützt sich im wesentlichen auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 266/51 S vom 31. Oktober 1952 (Slg. Bd. 56 S. 816, Bundessteuerblatt - BStBl. - Teil III S. 313).
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.
Hinsichtlich der Befugnis des Bf. zur Antragstellung im Bewertungsverfahren ist den Ausführungen des Finanzgerichts beizutreten. Dagegen irrt das Finanzgericht darin, daß auf den Antrag des Bf. auf Vornahme der Art- und Wertfortschreibung wegen Ablaufs der Ausschlußfrist nichts mehr veranlaßt werden könne. Gemäß dem Urteil des Senats III 183/52 U vom 10. April 1953 (Slg. Bd. 57 S. 424, BStBl. 1953 III S. 165) hat der Fortschreibungsantrag, rechtsmittelähnlichen Charakter. Wegen Versäumnis dieser Frist kann daher Nachsicht gewährt werden. Greift § 87 Abs. 5 AO ein, so war der Fortschreibungsantrag unter dem Gesichtspunkt der Fortschreibung von Amts wegen zu betrachten und die Fortschreibung erforderlichenfalls von Amts wegen vorzunehmen. "Erforderlichenfalls" bedeutet, daß die steuerliche Gerechtigkeit die Fortschreibung verlangt. Dieser Fall ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige einen ausreichenden Grund für die begehrte Fortschreibung auf den angegebenen Stichtag hat und nicht grundlos mit seiner Antragstellung jahrelang gewartet hat. Allerdings setzt nicht jede geringfügige Abweichung die Fortschreibung von Amts wegen in Gang. Bei Prüfung der Frage, ob ein erhebliches, die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen rechtfertigendes Interesse des Steuerpflichtigen auf dem Spiele steht, ist (bei Fortschreibungen auf den 21. Juni 1048) die Auswirkung auf den Lastenausgleich zu berücksichtigen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 3/52 U vom 6. Februar 1953, Slg. Bd. 57 S. 164, BStBl. 1953 III S. 65). Das Urteil des Finanzgerichts hat diese Gesichtspunkte nicht beachtet. Es war hiernach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird aus Zweckmäßigkeitsgründen an das Finanzamt zur Prüfung zurückverwiesen, ob die begehrte Art- und Wertfortschreibung für den 21. Juni 1948 vom Amts wegen vorzunehmen ist. Der Umstand, daß bereits eine Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 wegen Kriegsschäden stattgefunden hat, schließt bei den im Streitfall gegebenen Verhältnissen die Vornahme einer Art- und Wertfortschreibung auf denselben Fortschreibungszeitpunkt nicht aus. Damit ist nicht gesagt, daß auch nach rechtskräftiger Entscheidung über einen Antrag auf Wertfortschreibung für den 21. Juni 1948 wegen desselben Sachverhalts nachträglich vom Steuerpflichtigen nochmals Wertfortschreibung von Amts wegen auf den Währungsstichtag verlangt werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 407897 |
BStBl III 1954, 145 |
BFHE 1954, 614 |
BFHE 58, 614 |