Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterschrift des Richters unter die Verfügung zur Setzung einer Ausschlußfrist

 

Leitsatz (NV)

1. Verfügungen nach Art. 3 § 1 Satz 1 VGFGEntlG müssen in der Urschrift vom Richter mit vollem Namen unterschrieben sein.

2. Ein nach oben offenes eiförmiges Gebilde und drei nahezu senkrechte Striche, deren unteres Ende nach rechts gebogen ist, erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

 

Normenkette

VGFGEntlG Art. 3 § 1 S. 1

 

Gründe

Nachdem die Kläger und Revisionskläger (Kläger) am 8. Januar 1990 durch ihren damaligen Prozeßbevollmächtigten Klage vor dem Finanzgericht (FG) erhoben hatten, blieb die Aufforderung des Vorsitzenden des in der Sache zuständigen Senats, innerhalb eines Monats die Prozeßvollmacht vorzulegen, zunächst unbeantwortet. Mit Verfügung vom 2. Mai 1990, zugstellt am 9. Mai 1990, forderte die Berichterstatterin des genannten Senats gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEnltG) den Prozeßbevollmächtigten auf, innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat nach Zustellung dieser Verfügung die Vollmachten nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorzulegen. Das dem Bevollmächtigten zugestellte Exemplar der Verfügung enthält den Namen der Berichterstatterin in Maschinenschrift sowie einen Beglaubigungsvermerk einer Verwaltungsangestellten des FG mit dem Dienstsiegel der FG-Kanzlei. Das in den FG-Akten enthaltene Original der Verfügung ist mit einer Abfolge von vier Zeichen unterfertigt: einem nach oben offenen eiförmigen Gebilde und drei nahezu senkrechten Strichen, deren unteres Ende nach rechts gebogen ist. Die Prozeßvollmacht der Kläger ging am 12. Juli 1990 beim FG ein.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die Prozeßvollmacht sei nicht innerhalb der Ausschlußfrist bei Gericht eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO komme nicht in Betracht.

Dagegen haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde und zugleich Revision (zunächst als zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO) eingelegt. Das FG hat die Revision mit der Begründung zugelassen, es sei in dem angefochtenen Urteil irrig davon ausgegangen, daß die Ausschlußfrist rechtswirksam gesetzt worden sei. Die Verfügung nach Art. 3 § 1 VGFGEntlG sei nicht mit vollem Namen unterschrieben worden. Daraufhin haben die Kläger nochmals Revision eingelegt, mit der sie unter anderen rügen, das FG habe die Sachentscheidungsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 3 FGO i. V. m. Art. 3 § 1 VGFGEntlG zu Unrecht für nicht gegeben gehalten.Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

1. Die Vorentscheidung ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Berichterstatterin für das Einreichen der Vollmacht rechtswirksam eine Ausschlußfrist gesetzt hat.

a) Nach Art. 3 § 1 Satz 1 VGFGEntlG kann der Vorsitzende oder der von ihm nach § 79 FGO bestimmte Richter für das Einreichen der Vollmacht (§ 62 Abs. 3 FGO) eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Wird diese Frist nicht eingehalten und liegen die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO nicht vor, so muß die Klage als unzulässig abgewiesen werden, weil es an einer Sachentscheidungsvoraussetzung fehlt. Wegen dieser weitreichenden Folgen müssen Verfügungen, die eine solche Ausschlußfrist setzen, ebenso wie Urteile und Beschlüsse ihren Urheber erkennen lassen. Sie müssen in der Urschrift vom Richter mit vollem Namen unterschrieben sein. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen genügt als Unterschrift nicht (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23; vom 14. April 1983 V R 4/80, BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421 und vom 14. Juni 1984 I R 152/81, BFHE 141, 455, BStBl II 1984, 841; Beschluß vom 9. April 1987 V B 102/86, BFH/NV 1987, 594).

b) Im Streitfall genügt die fristsetzende Verfügung der Berichterstatterin diesen Anforderungen nicht. Es kann offen bleiben, ob die unter der Verfügung angebrachte Abfolge von Zeichen die Merkmale einer Schrift erfüllt. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine Unterzeichnung mit vollem Namen, wie schon der Vergleich mit der Unterschrift der Berichterstatterin unter der angefochtenen Vorentscheidung ergibt. Dieses Ergebnis wird zudem durch die Begründung des Zulassungsbeschlusses des FG bestätigt.

c) Da die Vorentscheidung Art. 3 § 1 VGFGEntlG verletzt, ist sie aufzuheben. Die Sache geht an das FG zurück, damit es in diesem Rechtsstreit eine Sachentscheidung treffen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418459

BFH/NV 1992, 833

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