Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite des § 182 Abs. 3 AO 1977
Leitsatz (amtlich)
§ 182 Abs.3 AO 1977 ist auf Feststellungen gemäß § 180 Abs.1 Nr.2 Buchst.b AO 1977 nicht anwendbar.
Normenkette
AO 1977 § 182 Abs. 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2b
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 12.05.1993; Aktenzeichen 8 K 8261/86) |
Tatbestand
I. Der im Jahr 1981 verstorbene AR betrieb in den Streitjahren ein Unternehmen für Schwertransporte und Kranarbeiten. Der Gewinn wurde durch Bestandsvergleich ermittelt. Im Unternehmen war der älteste Sohn als Arbeitnehmer beschäftigt; er bezog Tantieme, die er dem Betrieb wieder darlehnsweise zur Verfügung stellte (Verträge vom 13.Januar 1970).
Im Zuge einer Betriebsprüfung wurden die Verträge nicht anerkannt; der Prüfer löste die Rückstellung "Tantieme 1980" erfolgswirksam auf. Die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden gesonderten Feststellungsbescheide und Gewerbesteuermeßbescheide wurden unter dem 8.Juni 1983 bzw. 23.Juni 1983 entsprechend geändert und an AR gerichtet.
Das von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) als Rechtsnachfolgerin geführte Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16.September 1986). Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter dem 1.November 1991 einen Sammelberichtigungsbescheid und bestimmte die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin nach AR als Inhaltsadressaten. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin --mit Zustimmung des FA-- Sprungklage.
Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen statt und hob die Änderungsbescheide sowie den Sammelberichtigungsbescheid auf. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 309 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 124, 125, 179 Abs.2, 182 Abs.3 der Abgabenordnung --AO 1977--) und trägt vor:
1. Gesonderte Feststellungsbescheide wie auch Gewerbesteuermeßbescheide unterlägen der Regelung des § 182 Abs.3 AO 1977. Die Falschbezeichnung eines Beteiligten könne jederzeit und ohne erhöhten Formaufwand richtiggestellt werden.
2. Der Gewerbesteuermeßbescheid beziehe sich auf einen bestimmten Betrieb. Die Person des Unternehmers trete zurück. Die falsche Adressierung führe nicht zur Nichtigkeit, wenn der Bescheid einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden könne.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Der Richtigstellungsbescheid vom 1.November 1991 war rechtswidrig.
Ist in einem Feststellungsbescheid i.S. des § 180 Abs.1 Nr.2 und Abs.2 ein Beteiligter unrichtig bezeichnet, weil Rechtsnachfolge eingetreten ist, kann gemäß § 182 Abs.3 AO 1977 dies durch besonderen Bescheid gegenüber dem betroffenen Beteiligten berichtigt werden.
§ 182 Abs.3 AO 1977, der mit Wirkung vom 1.Januar 1987 durch Art.1 Nr.33 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (StBereinG) vom 19.Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, 2440, BStBl I 1985, 735, 739) in die AO 1977 aufgenommen wurde, soll die Probleme beseitigen, die in der Vergangenheit entstanden, wenn dem FA Änderungen in der personellen Zusammensetzung der Beteiligten nicht bekanntgeworden waren. Die amtliche Begründung hebt ausdrücklich Publikumsgesellschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern hervor, bei denen häufig Fälle von Rechtsnachfolge einträten, ohne daß die Finanzbehörde davon erfahre (vgl. Begründung zu § 182 Abs.3 AO 1977, BTDrucks 10/1636, 46; ferner Domann, Die Änderung der Bekanntgabevorschriften in der Abgabenordnung durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1987, 159, 165). § 182 Abs.3 AO 1977 bezieht sich daher nach seinem Zweck auf die Fälle, in denen Besteuerungsgrundlagen für mehrere Personen einheitlich festgestellt werden; der zu weit geratene Wortlaut des § 182 Abs.3 AO 1977, der sich auch auf den Tatbestand des § 180 Abs.1 Nr.2 Buchst.b AO 1977 bezieht, ist einzuschränken. Bestätigt wird diese Auslegung des § 182 Abs.3 AO 1977 durch folgende Überlegungen:
Im Unterschied zu einem einheitlichen Feststellungsbescheid ist der Bescheid, der sich an eine einzelne Person wendet, in vollem Umfang nichtig, sofern diese Person nicht (mehr) existiert. Einheitliche Feststellungsbescheide sind dagegen insoweit wirksam, als existierende Personen erfaßt werden; nur hinsichtlich der nicht existierenden Person ist der Bescheid (teilweise) unwirksam (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.April 1987 VIII R 259/84, BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766, vom 21.Mai 1992 IV R 47/90, BFHE 168, 217, BStBl II 1992, 865, und vom 16.März 1993 XI R 42/90, nicht veröffentlicht). Gemäß § 182 Abs.3 AO 1977 wird demgemäß allein die falsche Bezeichnung richtiggestellt; der Regelungsgehalt des ursprünglichen Bescheides bleibt im übrigen unberührt. Dagegen kann ein nichtiger Bescheid nicht berichtigt werden; eine Richtigstellung kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschluß vom 21.Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230; BFH-Urteil in BFHE 168, 217, BStBl II 1992, 865).
Diesen Erwägungen entsprechend hat der Gesetzgeber die Regelung des § 182 Abs.3 AO 1977 nicht auf (Einzel-)Steuerbescheide und ebenfalls nicht auf Gewerbesteuermeßbescheide erstreckt. Eine § 182 Abs.3 AO 1977 vergleichbare Regelung ist im 1. Unterabschnitt (Steuerfestsetzung) des 3.Abschn. (Festsetzungs- und Feststellungsverfahren) des 4.Teils (Durchführung der Besteuerung) der AO 1977 nicht enthalten; § 184 Abs.1 Satz 4 AO 1977 verweist hinsichtlich des Verfahrens zur Festsetzung von Steuermeßbeträgen ausdrücklich nur auf § 182 Abs.1, nicht aber auf § 182 Abs.3 AO 1977.
2. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob dem Erlaß des Richtigstellungsbescheids der Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfristen entgegenstand.
3. Die ursprünglichen (Änderungs-)Bescheide waren nichtig; sie richteten sich gegen eine bereits verstorbene Person; das gilt gleichermaßen für die gesonderten Feststellungen wie auch für die Gewerbesteuermeßbescheide (dazu vgl. BFH-Urteil vom 14.September 1989 IV R 85/88, BFH/NV 1990, 591).
Fundstellen
Haufe-Index 64710 |
BFH/NV 1993, 61 |
BStBl II 1994, 5 |
BFHE 171, 404 |
BFHE 1994, 404 |
BB 1993, 2006 |
BB 1993, 2006-2007 (LT) |
DB 1993, 1960 (LT) |
DStR 1993, 1366 (KT) |
HFR 1993, 625 (T) |
StE 1993, 491 (K) |