Leitsatz (amtlich)
§ 59 UStDB 1951 war im Jahre 1962 nicht verfassungswidrig.
Normenkette
UStDB 1951 § 59
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die eine Tuchfabrik mit Spinnerei betreibt, ist durch Umsatzsteuerbescheid vom 17. August 1964 für das Jahr 1962 zur Umsatzsteuer in Höhe von ...DM herangezogen worden. In diesem Betrage sind ...DM Zusatzsteuer gemäß § 59 Abs. 1 UStDB 1951 enthalten. Die Klägerin, die die Auffassung vertritt, diese Vorschrift sei wegen des in der Textilwirtschaft eingetretenen Strukturwandels verfassungswidrig, hat gegen diesen Bescheid insoweit, als in dem Steuerbetrag die Zusatzsteuer nach § 59 Abs. 1 UStDB 1951 enthalten ist, Einspruch eingelegt, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) als unbegründet zurückgewiesen hat. Auch mit der Klage hatte die Klägerin keinen Erfolg. Das FG hat die folgende Auffassung vertreten:
Der Beschluß des BVerfG vom 16. Mai 1961 2 BvF 1/60 (BVerfGE 12, 341, BStBl I 1961, 432) habe die Verfassungsmäßigkeit der Zusatzsteuer nach § 59 Abs. 1 UStDB 1951 (Textilzusatzsteuer) für die Zeit bis zum 16. Mai 1961 bejaht. Diese Frage sei daher für das Jahr 1962 neu zu untersuchen gewesen. Die Untersuchung habe ergeben, daß die Textilzusatzsteuer auch im Jahre 1962 nicht aus dem Grunde als offensichtlich sachwidrig angesehen werden könne, weil es umsatzsteuerrechtlich Ausgleichsmaßnahmen in diesem Jahr nur für die Textilwirtschaft und nicht auch für andere Wirtschaftsbereiche gegeben habe; denn auch im Jahre 1962 hätten die Verhältnisse im Bereich der Textilwirtschaft anders, und zwar ungünstiger gelegen als in anderen Wirtschaftszweigen. Aber auch unter dem vom BVerfG in seiner Entscheidung 2 BvF 1/60 unter IV angesprochenen Gesichtspunkt einer grundlegenden Änderung der Verhältnisse, die die ursprünglich gerechtfertigten Ausgleichsmaßnahmen für die Textilwirtschaft im Jahre 1962 etwa offensichtlich sachwidrig gemacht hätten, sei die Verfassungsmäßigkeit der Zusatzsteuer zu bejahen. Dabei müßten in die Betrachtung nicht nur die Verhältnisse zwischen den Spinnwebereien und den Webereien, sondern auch die zwischen den Spinnwebereien und den Spinnereien einbezogen werden. Ein grundlegender und nicht nur vorübergehender Wandel der Verhältnisse sei zwar im Verhältnis der Spinnwebereien zu den Webereien festzustellen; denn die Webereien hätten sich jedenfalls zum Teil billiger mit Garn versorgen können, als es den Spinnwebereien aus der eigenen Produktion möglich gewesen sei; die Webereien hätten auch keine großen Garnvorräte zu lagern brauchen, da sie die marktgängigen Garnsorten hätten erwerben können. Die Produktion der Webereien sei zum Teil auch rationeller und kostengünstiger gewesen. Die Zahl der Betriebe und Beschäftigten habe bei den Webereien weniger stark abgenommen als bei den Spinnwebereien; die Versandwerte seien bei den Webereien von 1954 bis 1964 leicht gestiegen, während sie bei den Spinnwebereien wesentlich gefallen seien. Schließlich dürften die Arbeitsplatzkosten bei den Webereien relativ geringer gewesen sein als bei den zweistufigen Unternehmen, und Maßnahmen zur Rationalisierung und Produktionsumstellung hätten sich bei den Webereien einfacher - allerdings nicht billiger - als bei den Spinnwebereien durchführen lassen.
Dagegen sei ein grundlegender und nachhaltiger Wandel der Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Spinnwebereien und den Spinnereien nicht erkennbar. Die Spinnereien seien zunächst unabhängig von der Unternehmensform von der billigen ausländischen Konkurrenz betroffen worden. Dies habe in den Jahren 1954 bis 1963 nach dem Vortrag der Klägerin zur Schließung von Streichgarnspinnereien geführt. Andererseits hätten die ausländischen Spinnereien auch im Jahre 1962 ihre Garne im erheblichen Umfang auf dem inländischen Markt abgesetzt. Soweit die Produkte der Weberei aus solchen Garnen hergestellt gewesen seien, seien diese Garne im Gegensatz zu denjenigen, die eine Spinnweberei aus ihrer eigenen Spinnerei für ihre Produktion verwendet habe, mit 4 v. H. Umsatzsteuer belastet gewesen. Daß im Jahre 1962 von den Spinnwebereien aus den in eigener Spinnerei hergestellten Garnen nur andersartige Gewebe hergestellt worden seien als in den Webereien und deshalb die Umsatzsteuerbelastung keine Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse gehabt habe, sei von der Klägerin selbst nicht vorgetragen worden. Auch habe nicht festgestellt werden können, daß der rechnerische Vorteil, den die Spinnwebereien (ohne Berücksichtigung der Zusatzsteuer) gehabt hätten, etwa durch die besonderen Kosten, die die Mehrstufigkeit für diese Unternehmen mit sich gebracht habe, ausgeglichen oder gar überkompensiert worden sei. Für zahlreiche Baumwollgarne und einige Zellwollgarne seien auch noch im Jahre 1961 die Selbstkosten der Spinnweberei niedriger gewesen als die Marktpreise.
Auch nach den Veränderungen, die sich in den Nachkriegsjahren im Bereich der Textilindustrie ergeben hätten, sei die durch das kumulative Umsatzsteuersystem bedingte Bevorzugung der zweistufigen Unternehmen bestehengeblieben, so daß die Textilzusatzsteuer jedenfalls nicht als offensichtlich sachwidrig bezeichnet werden könne.
Auch unter dem Gesichtspunkt des § 1 StAnpG könne nicht von einer Erhebung der Zusatzsteuer abgesehen werden. Die Vorschrift gelte nur für die Auslegung von Gesetzen. Es sei schon zweifelhaft, ob überhaupt die Auslegung einer Vorschrift zu ihrer Nichtanwendung führen könne. Aber selbst wenn man dies bejahe, so könne eine Vorschrift nur dann nicht angewendet werden, wenn sie der materiellen Gerechtigkeit widersprechen würde. Dies sei aber, wie sich aus den Ausführungen zur Frage der Verfassungswidrigkeit ergebe, hinsichtlich der hier in Rede stehenden Vorschrift nicht der Fall.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie folgendes vorträgt:
Soweit das FG zu dem Ergebnis gekommen sei, daß im Verhältnis der Spinnweber zu den Spinnereien eine Strukturänderung nicht eingetreten sei, liege ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten vor; denn aufgrund der festgestellten Tatsachen hätte das FG zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Im übrigen komme es auf das Verhältnis zwischen Spinnwebereien und Spinnereien nicht an, da zwischen diesen ein Wettbewerbsverhältnis nicht bestehe. Die Zusatzsteuer habe den Zweck, die Chancengleichheit für den Absatz von Geweben zu gewährleisten. Die Fragestellung könne daher nur lauten, ob die Spinnwebereien auf dem freien Markt bessere Erträge erzielen könnten als die Webereien. Diese Frage sei zwar für das Jahr 1934 zu bejahen gewesen, müsse aber infolge des Strukturwandels für das Jahr 1962 verneint werden.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung der Einspruchsentscheidung des FA sowie unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids die Umsatzsteuer auf ...DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es teilt im wesentlichen die Auffassung des FG und weist insbesondere darauf hin, daß auf dem Inlandsmarkt auch Spinnereien mit den Spinnwebern in mittelbarer und unmittelbarer Konkurrenz ständen, und daß die Spinnwebereien bei der mittelbaren Konkurrenz, d. h. soweit sie in der eigenen Spinnerei hergestellte Garne verarbeiteten, im Rahmen eines kumulativen Umsatzsteuersystems einen Umsatzsteuervorteil hätten. Daß dieser Vorteil durch andere Faktoren, die in der Natur der mehrstufigen Unternehmen lägen, ausgeglichen werde, sei nicht nachgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das BVerfG hat in dem oben bezeichneten Beschluß 2 BvF 1/60 entschieden, daß § 59 Abs. 1 UStDB 1951 mit dem GG vereinbar ist. Es hat in den Gründen unter B IV ausgeführt, die Vorschrift "könnte nach dem 7. September 1949 infolge der Änderung der Verhältnisse allenfalls dann wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig geworden sein, wenn festgestellt werden könnte, daß sich seither ein grundlegender Wandel der Verhältnisse vollzogen hätte, auf die sich die Regelung bezieht, und daß als Folge dieses Wandels die ursprünglich gerechtfertigte Regelung offensichtlich sachwidrig geworden wäre. Ferner müßte festgestellt werden, daß dieser Wandel nicht von vorübergehender Dauer sein wird. Ein derartiger Strukturwandel seit dem Inkrafttreten des GG ist in der Textilwirtschaft jedoch nicht feststellbar. Die Regelung ... ist darum auch heute nicht willkürlich; sie verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz."
Mit diesem Beschluß hat das BVerfG für alle Gerichte bindend festgestellt, daß § 59 Abs. 1 UStDB 1951 mindestens bis zum 16. Mai 1961 mit dem Grundgesetz vereinbar war und daß bis zu diesem Tage ein die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift beeinträchtigender Strukturwandel in der Textilwirtschaft nicht eingetreten ist (vgl. Urteil des BFH vom 29. Juli 1965 V 71/61 S, BFHE 83, 125, BStBl III 1965, 545, unter I 3). Zutreffend hat daher das FG die Frage, ob ein Strukturwandel eingetreten ist, für das Jahr 1962 neu untersucht. Ebenso zutreffend hat das FG die Frage eines etwaigen Verstoßes gegen Art. 3 GG nicht isoliert für § 59, sondern in ihrem Zusammenhang mit den §§ 60 bis 62 UStDB 1951 untersucht (vgl. den Beschluß des BVerfG 2 BvF 1/60 unter B II 1 b). Die Ausführungen des FG lassen jedoch nicht erkennen, welchen Zeitraum die Prüfung des Eintritts eines etwaigen Strukturwandels umfaßt und mit welchem Bezugszeitpunkt die Verhältnisse in der Textilwirtschaft des Jahres 1962 verglichen worden sind. Das von der Klägerin vorgetragene und zum Teil vom FG übernommene Zahlenmaterial erfaßt verschiedene Zeiträume, z. B. die Jahre 1957 bis 1964 (S. 28 des FG-Urteils), 1950 bis 1965 (S. 6 des FG-Urteils), 1957 bis 1963 (S. 7 des FG-Urteils), 1949 bis 1963 und 1950 bis 1965 (S. 8 des FG-Urteils) und 1952 bis 1965 (S. 11 des FG-Urteils). Es kann nicht zweifelhaft sein, daß für die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 59 UStDB 1951 im Jahre 1962 nicht Verhältnisse in Betracht gezogen werden können, die sich erst in einem n a c h diesem Jahr liegenden Zeitraum entwickelt haben. Zweifelhaft könnte jedoch sein, ob es rechtlich zutreffend ist, daß das FG Vergleichszeiträume in die Betrachtung einbezogen hat, die v o r dem Beschluß des BVerfG 2 BvF 1/60 liegen, da bis zu diesem Zeitpunkt die Verfassungsmäßigkeit des § 59 UStDB 1951 sowie das Nichtvorliegen eines Strukturwandels festgestellt ist.
Hierauf kommt es indessen nicht an, da die vom FG festgestellte Strukturänderung für die unter dem Gesichtspunkt der Zusatzbesteuerung vorzunehmende verfassungsrechtliche Betrachtung nicht entscheidungserheblich ist.
2. Die Bestimmung des § 59 UStDB 1951 (früher § 54 UStDB 1934) ist (ebenso wie die Bestimmungen der §§ 60, 61 und 62 UStDB 1951 - früher §§ 56, 57, 58 UStDB 1934 -) erlassen worden, um Ungleichheiten im Wettbewerb, welche durch die Allphasenbesteuerung verursacht wurden, zu beseitigen. Diese Ungleichheiten im Wettbewerb beruhen darauf, daß die kumulative Allphasenumsatzsteuer "grundsätzlich und tendenziell die mehrstufigen gegenüber den einstufigen Unternehmen im wirtschaftlichen Wettbewerb" begünstigte (vgl. Urteil des BVerfG vom 20. Dezember 1966 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12 unter B II 3). Je mehr Produktions- und Handelsstufen eine Ware durchlief, desto höher wurde in der Regel die Umsatzsteuerbelastung. Unternehmen, die mehrere Produktions- oder (und) Handelsstufen in sich vereinten und dadurch beim Weiterlauf der Ware durch die einzelnen Produktions- und Handelsstufen innerhalb des Unternehmens lediglich sog. (nicht steuerbare) Innenumsätze ausführten, waren daher in der Lage, ihre Ware mit weniger Umsatzsteuer belastet nach außen abzugeben als das letzte Glied einer sonst gleichen Kette einstufiger Unternehmen. Es mag sein, daß dieser Umsatzsteuervorteil mehrstufiger Unternehmen gegenüber dem einstufigen Unternehmen nicht uneingeschränkt gegolten hat und daß in besonders gelagerten Fällen die Verhältnisse anders lagen. Die Mehrstufigkeit (größere Produktionstiefe) war aber unter dem Gesichtspunkt der Umsatzsteuer gesehen immer dann von Vorteil, wenn "einer Kette einstufiger Unternehmen ein einzelnes mehrstufiges Unternehmen" gegenüberstand (Urteil des BVerfG 1 BvR 320/57, 70/63 unter B II c).
So aber liegen die Verhältnisse im vorliegenden Falle. Die Spinnwebereien sind mehrstufig (zweistufige Unternehmen); sie vereinen in sich jeweils die Spinnerei und die Weberei. Der Übergang der Garne von der Spinnerei in die Weberei ist im Rahmen dieser Unternehmen ein sog. Innenumsatz, der ohne die durch die Textilzusatzsteuer geschaffenen Ausgleichsmaßnahmen nicht der Umsatzsteuer unterliegen würde. Dieser Unternehmensstruktur stehen gegenüber die (einstufigen) Webereien, die ihre Garne von den (einstufigen) Spinnereien erwerben. Diese Garne sind mit Umsatzsteuer belastet. Die Waren, die in dieser Produktionskette hergestellt werden, sind daher unabhängig von der sonstigen Kostensituation der verschiedenen Unternehmensarten in jedem Falle (ohne Berücksichtigung der Textilzusatzsteuer) um die auf der Lieferung der Garne ruhende Umsatzsteuer höher belastet als die Waren, die Endprodukte der (mehrstufigen) Spinnwebereien sind.
Diese Unternehmensstruktur in der Textilwirtschaft hatte den Verordnungsgeber veranlaßt, im Rahmen der verschiedenen Ausgleichsmaßnahmen auch die Textilzusatzsteuer gemäß § 59 Abs. 1 UStDB 1951 (früher § 54 Abs. 1 UStDB 1938) zu erheben, d. h. den Übergang der in der (mehrstufigen) Spinnweberei selbst gesponnenen Garne von der Spinnerei in die Weberei der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Daß sich diese für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Textilzusatzsteuer allein relevante Unternehmensstruktur - welchen Bezugszeitpunkt man auch immer zugrunde legt - grundlegend gewandelt hat, ist weder festgestellt noch vorgetragen worden. Das gilt insbesondere für die Tatsachen, daß auch im Jahre 1962 sowohl mehrstufige Spinnwebereien als auch einstufige Spinnereien und Webereien bestanden, daß die Produktion der Spinnwebereien einerseits und die Produktion der Webereien andererseits mindestens zum Teil miteinander konkurriert und daß die Spinnereien mindestens zum Teil auch Garne hergestellt haben, die auch in den Spinnwebereien hergestellt worden sind.
Wenn die Klägerin demgegenüber in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, daß die Frage nach einem Strukturwandel in der Textilwirtschaft nur in Berücksichtigung deren jeweiliger wirtschaftspolitischer Gesamtsituation zutreffend beantwortet werden könne, so vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Die Textilzusatzsteuer beruht auf der Ermächtigung in § 8 des Umsatzsteuergesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I, 942, RStBl 1934, 1166), durch die der damalige Reichsminister der Finanzen ermächtigt wurde, "Maßnahmen zum Ausgleich der verschiedenen Umsatzsteuerbelastungen der einstufigen und mehrstufigen Unternehmen zu treffen". In der Begründung zum Umsatzsteuergesetz 1934 wird hierzu ausgeführt (RStBl 1934, 1549, 1554):
"Zu § 8
(Zusatzbesteuerung mehrstufiger Unternehmen)
Der Haupteinwand gegen das jetzige Umsatzsteuersystem ist stets die Begünstigung der mehrstufigen Unternehmen gegenüber den einstufigen gewesen. Das neue Gesetz sieht in § 8 die Möglichkeit eines Ausgleichs vor. Im Einverständnis mit den zuständigen Vertretern der Textilindustrie treffen die §§ 54 bis 59 der neuen Durchführungsbestimmungen die folgende Regelung:
Für Spinnwebereien wird ein Ausgleich im Wettbewerb mit den einstufigen Spinnereien und Webereien dadurch geschaffen, daß der Übergang der Garne von der Spinnerei in die Weberei wie eine Lieferung besteuert wird (§ 54) ..." Hieraus ergibt sich eindeutig, daß die Struktur, die zur Einführung der Textilzusatzsteuer geführt hat, allein die durch die kumulative Allphasenumsatzsteuer bedingte Ungleichmäßigkeit im Wettbewerb zwischen einstufigen und mehrstufigen Unternehmen gewesen ist. Auch aus dem BVerfG-Urteil vom 20. Dezember 1966 1 BvR 320/57, 70/63 ist nichts anderes zu entnehmen.
Schließlich kann auch aus den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin selbst, insbesondere aus der Tatsache einer wettbewerbsbedingten schwerpunktmäßigen Verlagerung der Produktion auf Herrenwintermantelstoffe, ein Schluß auf einen entscheidungserheblichen Strukturwandel in der Textilwirtschaft nicht gezogen werden.
Der Senat ist daher zusammenfassend der Auffassung, daß es nicht darauf ankommt, ob und in welchem Umfange eine Strukturänderung in der Textilwirtschaft unter anderen als umsatzsteuerbezogenen Gesichtspunkten eingetreten ist (z. B. Liberalisierung der Wirtschaft, erhöhte Einfuhr, Veränderungen in der Preissituation, Vordringen der synthetischen Fasern und Gewebe, unterschiedlich erhöhte Produktionskosten); denn Zweck der Ausgleichsmaßnahmen in der Textilwirtschaft war es nicht, solche nicht umsatzsteuerbezogenen Momente auszugleichen, sondern lediglich die durch die Allphasenbesteuerung verursachte Wettbewerbsverzerrung.
Nach den Feststellungen des FG ist deshalb davon auszugehen, daß ein (für die Beurteilung der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Textilzusatzsteuer relevanter) Strukturwandel im Jahre 1962 nicht eingetreten war.
Fundstellen
BStBl II 1975, 753 |
BFHE 1976, 196 |