Entscheidungsstichwort (Thema)
Umstellung von einem unzulässigerweise gewählten abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr bei einer Scheingewerbetreibenden
Leitsatz (amtlich)
Im Veranlagungszeitraum der Umstellung von einem zulässigerweise abweichenden Wirtschaftsjahr eines Gewerbetreibenden auf das Kalenderjahr enden zwei Wirtschaftsjahre (letztes abweichendes Wirtschaftsjahr und Rumpfwirtschaftsjahr). Diese Grundsätze gelten für die Umstellung von einem unzulässigerweise gewählten abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr im Jahr der letzten noch änderbaren Veranlagung entsprechend.
Normenkette
EStG § 4 a; EStDV § 8b S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vermietet seit April 1979 Appartements an Kurgäste auf einem zuvor landwirtschaftlich genutzten Grundstück. Sie ließ sich in das Handelsregister des Amtsgerichts (AG) N unter der Firma "Appartment-Hotel M" als gewerblich tätige Kauffrau eintragen und erklärte gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) vom Beginn ihrer Tätigkeit an bis zum Veranlagungszeitraum 1999 stets gewerbliche Einkünfte. Diese ermittelte sie nach §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Zustimmung des FA wählte sie ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. April bis 31. März des Folgejahres.
Im Anschluss an einen Beraterwechsel machte die Klägerin im Jahre 2001 geltend, die bisherigen Veranlagungen seien unzutreffend. Sie sei zu keinem Zeitpunkt gewerblich tätig gewesen, da sie hoteltypische Nebenleistungen nicht erbracht habe. Ihre Einkünfte aus der Appartementvermietung seien deshalb den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen. Parallel dazu wandte sie sich an das AG N und regte die Löschung ihrer Registereintragung an. Die Löschung wurde am 12. Juni 2001 gemäß § 142 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Amts wegen eingetragen.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens zur Einkommensteuer 1999 einigte sich die Klägerin mit dem FA dahingehend, dass die Klägerin von Beginn ihrer Tätigkeit an Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe. Das FA erließ gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide für 1998 und 1999, in denen es die Einkünfte antragsgemäß umqualifizierte und auf das jeweilige Kalenderjahr umstellte.
Auch den Einkommensteuerbescheid 1997 änderte das FA gemäß § 164 Abs. 2 AO. Es erfasste den Gewinn des letzten abweichenden Wirtschaftsjahres vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 bei dieser Veranlagung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil der Einkommensteuerbescheid 1996 --zwischen den Beteiligten unstreitig-- bestandskräftig und nicht mehr abänderbar ist. Zusätzlich berücksichtigte das FA für die Zeit vom 1. April 1997 bis 31. Dezember 1997 die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte die Klägerin, gewerbliche Einkünfte nicht zu berücksichtigen und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht nur den Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben in der Zeit vom 1. April 1997 bis 31. Dezember 1997, sondern auch den Verlust im Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 1997 zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 97 veröffentlichtem Urteil ab. Die Vorgehensweise des FA finde ihre Rechtfertigung in entsprechender Anwendung der Vorgaben der §§ 4a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1b EStG i.V.m. § 8b Satz 2 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Im Streitjahr 1997, der letzten noch änderbaren Veranlagung, sei ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. April 1997 bis 31. Dezember 1997 zu bilden. Die abweichende Gewinnermittlung des vorangegangenen Geschäftsjahres vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 bleibe unberührt und gelte entsprechend § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG als im Jahr 1997 bezogener Gewinn.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Eine analoge Anwendung von §§ 4a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1b EStG i.V.m. § 8b Satz 2 Nr. 2 EStDV komme nicht in Betracht, da das Gesetz keine Regelungslücke enthalte. Das Jahresprinzip des § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG gelte ohne Einschränkung. Der Umstand, dass eine durchgängige Korrektur wegen der Bestandskraft der Steuerbescheide nicht möglich sei, sei systemimmanent und vom Gesetz beabsichtigt. Zudem müsste die Klägerin bei Erfassung des Gewinns im Zeitraum vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuern, obwohl sich die Beteiligten darin einig seien, dass sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe. Folge man der Auffassung des FG, würde sich die weitere Frage stellen, ob der zum 31. März 1997 ermittelte Gewinn in einen Überschuss umgerechnet werden oder die Klägerin auch 1997 noch Gewerbesteuer zahlen müsse. Im Übrigen würden die §§ 4a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1b EStG i.V.m. § 8b Satz 2 Nr. 2 EStDV die Frage, wie im Falle einer berechtigten Wahlrechtsausübung bei Umstellung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres auf ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr zu verfahren sei, nicht regeln. Die Lösung dieser Frage beruhe vielmehr auf Richterrecht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil und den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 31. Oktober 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2003 aufzuheben und die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften und unter Zugrundelegung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 89 826 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das FG zwar davon ausgegangen, dass die Einkünfte der Klägerin aus dem letzten abweichenden Wirtschaftsjahr 1996/1997 im Veranlagungszeitraum 1997 der Besteuerung zu unterwerfen sind und hinsichtlich der im Zeitraum vom 1. April 1997 bis 31. Dezember 1997 erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden ist. Die Einkünfte der Klägerin in der Zeit vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 sind jedoch als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren. Der von der Klägerin für diesen Zeitraum nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG ermittelte Gewinn ist deshalb --ggf. im Wege der Schätzung-- in einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten umzurechnen.
1. Nach § 2 Abs. 7 EStG bemisst sich die Einkommensteuer nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Nach § 25 Abs. 1 EStG ist das Kalenderjahr auch der Zeitraum, für den die Veranlagung durchzuführen ist.
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb sind der Gewinn (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG), der nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist (§ 4a Abs. 1 Satz 1 EStG). Weicht das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr ab, so fallen Gewinnermittlungszeitraum und Veranlagungszeitraum auseinander. In diesem Fall gilt bei Gewerbetreibenden der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG).
2. Stellt ein Gewerbetreibender sein Wirtschaftsjahr von einem zulässigerweise abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr um, enden im Veranlagungszeitraum der Umstellung zwei Wirtschaftsjahre, denn nach dem letzten abweichenden Wirtschaftsjahr beginnt ein Rumpfwirtschaftsjahr, das bis zum Ende des Kalenderjahres läuft (§ 8b Satz 2 Nr. 2 EStDV). Daraus ergibt sich, dass nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG der Gewinn des letzten abweichenden Wirtschaftsjahres und der Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres als im Kalenderjahr der Umstellung bezogen gelten. Der Ermittlungszeitraum für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb beträgt insoweit mehr als ein Jahr (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Oktober 1987 I R 381/83, BFH/NV 1989, 141, und vom 4. Dezember 1991 I R 140/90, BFHE 167, 28, BStBl II 1992, 750).
3. Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Umstellung von einem unzulässigerweise gewählten abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr (vgl. Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 4a EStG Rz 185; Kempermann, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 203; MK, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 146). Der durch Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebietet auch in diesen Fällen die sinngemäße Anwendung von § 8b EStDV. Derjenige, der --aus welchen Gründen auch immer-- seine Einkünfte bisher zu Unrecht abweichend vom Kalenderjahr ermittelt hat, kann nicht besserstehen als derjenige, der zu einer solchen Gewinnermittlung berechtigt war und nun zur Gewinnermittlung nach dem Kalenderjahr wechseln möchte (MK, DStR 2000, 146). Für eine analoge Anwendung des § 8b EStDV in Fällen, in denen die Einkünfte zu Unrecht abweichend vom Kalenderjahr ermittelt worden sind, spricht zudem auch der mutmaßliche Wille des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum an das Einvernehmen (= Zustimmung) des FA geknüpft, um Änderungen des Wirtschaftsjahres aus steuerlichen Gründen vorzubeugen (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1980 IV R 149/76, BFHE 131, 292, BStBl II 1981, 50, unter Hinweis auf die 215. Bundestagssitzung vom 26. Juni 1957 --Stenographische Berichte Bd. 37 S. 12692--). Das FA kann die Zustimmung ohne Ermessensfehler verweigern, wenn mit der Umstellung des Wirtschaftsjahres nur eine Steuerpause erreicht werden soll (BFH-Urteil vom 12. März 1965 VI 109/64 U, BFHE 82, 113, BStBl III 1965, 287). Wenn der Gesetzgeber aber durch die notwendige Zustimmung des FA zur Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum verhindern wollte, dass im Umstellungsjahr nur der Gewinn eines oder mehrerer Monate, der Gewinn der übrigen Monate dagegen erst im folgenden Kalenderjahr besteuert wird, kann es nicht seinem präsumtiven Willen entsprechen, dass in Fällen, in denen die Einkünfte zu Unrecht abweichend vom Kalenderjahr ermittelt worden sind, eine Besteuerungslücke eintritt.
Im Übrigen ergibt sich auch aus § 8c Abs. 2 Satz 2 EStDV, dass nach der gesetzgeberischen Wertung keine Steuerpause oder gar Steuerlücke eintreten soll. Stellt ein Land- und Forstwirt von einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschafsjahr auf ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschafsjahr um, verlängert sich das letzte vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr um den Zeitraum bis zum Beginn des ersten mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr.
4. Allerdings dürfen sich weder der Steuerpflichtige noch das FA das Jahr der Umstellung des abweichenden Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr "aussuchen". Wird erkannt, dass die Einkünfte zu Unrecht abweichend vom Kalenderjahr ermittelt worden sind, hat die Umstellung --ähnlich einer Fehlerkorrektur nach Maßgabe des formellen Bilanzzusammenhangs-- im Jahr der letzten noch änderbaren Veranlagung zu erfolgen (so wohl auch Kempermann, FR 2000, 203; MK, DStR 2000, 146; offen insoweit BFH-Urteil vom 23. September 1999 IV R 41/98, BFHE 190, 332, BStBl II 2000, 24). In diesem Jahr enden zwei Wirtschaftsjahre, denn nach dem letzten abweichenden Wirtschaftsjahr beginnt ein Rumpfwirtschaftsjahr, das bis zum Ende des Kalenderjahres läuft (§ 8b Satz 2 Nr. 2 EStDV). Daraus ergibt sich, dass analog § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG die Einkünfte des letzten abweichenden Wirtschaftsjahres und die Einkünfte des Rumpfwirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr der Umstellung bezogen gelten.
5. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FA zu Recht die Einkünfte der Klägerin in der Zeit vom 1. April 1996 bis 30. März 1997 in die Veranlagung des Streitjahres 1997 einbezogen, da die Steuerfestsetzung für das Jahr 1996 nicht mehr geändert werden konnte. Zu Unrecht haben allerdings FA und ihm folgend das FG für diesen Zeitraum den von der Klägerin nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb berücksichtigt. Da die Klägerin unstreitig auch in diesem Zeitraum Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat, ist dieser Gewinn --ggf. im Wege der Schätzung-- in einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten umzurechnen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1782839 |
BFH/NV 2007, 1990 |
BStBl II 2007, 775 |
BFHE 2008, 349 |
BFHE 218, 349 |
BB 2007, 1940 |
BB 2008, 42 |
DB 2007, 1951 |
DStRE 2007, 1479 |
DStZ 2007, 609 |
HFR 2007, 1096 |
FR 2008, 27 |
NWB 2007, 3011 |
NWB 2008, 3202 |
BBK 2007, 1013 |
EStB 2007, 358 |
StuB 2007, 672 |
KÖSDI 2007, 15728 |
NWB direkt 2007, 5 |
StBW 2007, 3 |
SJ 2007, 4 |
StB 2007, 362 |
StC 2007, 12 |
stak 2007 |