Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Klagebefugnis bei Klage gegen eine nach Ansicht des Klägers zu niedrige Umsatzsteuerfestsetzung
Leitsatz (NV)
1. Eine Klage gegen eine nach Ansicht des Klägers zu niedrige Steuerfestsetzung ist nur zulässig, wenn er geltend macht, daß er durch diese Steuerfestsetzung anderweitige Nachteile (z.B. die Erhöhung anderer, auch späterer Steuern) befürchten muß.
2. Allein ein auf den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers bezogenes Interesse des Leistenden (Klägers) rechtfertigt es nicht, die Frage der Entgeltlichkeit eines Umsatzes im Rahmen der Steuerfestsetzung gegen ihn zu klären.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2; UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) vermietete zwei bebaute Grundstücke steuerpflichtig und machte ihm für den Umbau und die Erweiterung der Gebäude in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in den Steuererklärungen für 1985 und 1986 erfolgreich als Vorsteuerbeträge geltend.
Durch notariellen Übertragungs- und Erbverzichtsvertrag vom 7. November 1986 übertrug er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge u.a. diese Grundstücke auf seine Tocher. Nutzungen und Lasten gingen mit dem 1. Januar 1987 über. Die Tochter erklärte sich durch die in dem Vertrag geregelten Zuwendungen für abgefunden und verzichtete ihm gegenüber auf ihr gesetzliches Erbrecht sowie auf etwaige Pflichtteilsansprüche. Ferner übernahm sie in dem Vertrag die auf einem der Grundstücke ruhenden Belastungen (Rentenreallast und Hochspannungsleitungsrecht).
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1987) behandelte der Kläger die Grundstücksübertragung als steuerpflichtig. Insgesamt belief sich die Umsatzsteuer 1987 lt. Steuererklärung auf ... DM.
Der Beklage und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber die Auffassung, daß das Grundstück unentgeltlich übertragen worden sei. Es liege ein Eigenverbrauch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 vor. Dieser sei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei; ein Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 UStG 1980 komme bei einem Eigenverbrauch nicht in Betracht. Folglich sei der Vorsteuerabzug nach § 15a UStG 1980 in Höhe von ... DM zu berichtigen. Dementsprechend setzte das FA die Umsatzsteuer 1987 in dem angefochtenen Bescheid vom 8. Dezember 1989 auf ... DM fest.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem Antrag, unter Änderung des Umsatzsteueränderungsbescheids 1987 vom 8. Dezember 1989 die gemäß § 15a UStG 1980 vorgenommene Vorsteuerkorrektur rückgängig zu machen, als unbegründet ab. Es folgte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 571 abgedruckten Urteil im wesentlichen der Auffassung des FA.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und § 15a UStG 1980. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Die Grundstücke seien im Rahmen eines Leistungsaustausches übertragen worden. In der Übernahme der Rentenverpflichtung und in dem erklärten Erbverzicht sei die Gegenleistung seiner Tochter zu sehen. Die Bemessungsgrundlage für den Umsatz beziffert der Kläger auf ... DM.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das klageabweisende Urteil des FG ist im Ergebnis mit der Maßgabe richtig, daß die Klage als unzulässig abzuweisen ist.
Nach § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Klage gegen einen Steuerbescheid nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
a) Eine derartige Rechtsverletzung liegt bei einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid grundsätzlich nur vor, wenn der Steuerpflichtige sich entweder durch die Höhe der festgesetzten Steuer oder dadurch beschwert fühlt, daß die Steuerpflicht bejaht worden ist (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286 m.w.N.).
b) Demgegenüber wendet sich der Kläger im Streitfall gegen eine seiner Ansicht nach zu niedrige Steuerfestsetzung. Bereits sein vor dem FG gestellter Klageantrag, die gemäß § 15a UStG 1980 vorgenommene Vorsteuerkorrektur rückgängig zu machen, zielte bei verständiger Würdigung darauf ab, entsprechend der Steuererklärung die Grundstücksübertragung nicht als nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfreien Eigenverbrauch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980 zu behandeln mit der Folge der Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG 1980, sondern als entgeltlichen und steuerpflichtigen Umsatz bei der Umsatzsteuerfestsetzung 1987 zu berücksichigen, wie mit der Revision ausdrücklich beantragt. Der Kläger erstrebt mithin im Ergebnis, daß die Umsatzsteuer 1987 höher (auf ... DM) als in dem angefochtenen Bescheid (... DM) festgesetzt wird.
c) Eine Klage gegen eine zu niedrige Steuerfestsetzung läßt § 40 Abs. 2 FGO nur in den Ausnahmefällen zu, in denen der Kläger durch diese Steuerfestsetzung anderweitige Nachteile (z.B. die Erhöhung anderer, auch späterer Steuern) befürchten muß (vgl. Senatsbeschluß in BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286 m.w.N.). Derartige Nachteile hat der Kläger im Streitfall nicht geltend gemacht. Sie sind auch nicht ersichtlich.
Der Kläger mag zwar daran interessiert sein, daß im Hinblick auf den von seiner Tochter geltend gemachten Vorsteuerabzug und die Abtretung des Vorsteuererstattungsanspruchs an ihn seiner Umsatzsteuerfestsetzung 1987 ein bestimmter Sachverhalt - hier die Entgeltlichkeit der Grundstücksübertragung - zugrunde gelegt wird. Wie der Senat in einem vergleichbaren Fall (in dem streitig war, ob eine Erbbaurechtsübertragung entgeltlich erfolgte) bereits entschieden hat, rechtfertigt aber allein ein auf den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers bezogenes Interesse des Leistenden es nicht, die Frage der Entgeltlichkeit eines Umsatzes im Rahmen der Steuerfestsetzung gegen ihn zu klären (vgl. Senatsbeschluß vom 26. Februar 1987 V S 4/86, BFH/NV 1987, 604, 607).
Denn die Steuerschuld des Leistenden und der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers müssen jeweils nach eigenen Grundsätzen geprüft werden. Die Entscheidung im Rechtsstreit des Leistenden hat deshalb - abgesehen von den Fällen der Beiladung nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) - für die Beurteilung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger im Rahmen von dessen Steuerschuldverhältnis keine Bindungswirkung (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 1987, 604, 607, und vom 18. Juli 1991 V B 42/91, BFHE 165, 16, BStBl II 1991, 888).
Fundstellen