Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungstätigkeit eines Steuerberaters, der auf seine Zulassung verzichtet hat, gewerblich?
Leitsatz (NV)
Ein Steuerberater, der auf seine Zulassung verzichtet hat, kann keinen einem Steuerberater ähnlichen Beruf ausüben.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 15 Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) veräußerte im Jahre 1977 seine Steuerberaterpraxis an die X-GmbH. Im März 1978 verzichtete er auf seine Zulassung als Steuerberater. Er wurde Geschäftsführer der X-GmbH.
Im Streitjahr (1979) erzielte der Kläger für eine Tätigkeit, die er als ,,Koordinationstätigkeit / Wirtschaftsberatung" bezeichnete, ein Honorar in Höhe von . . . DM zuzüglich 6,5 v. H. Umsatzsteuer, insgesamt also . . . DM.
Anläßlich einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) fest, daß der als ,,Koordination / Wirtschaftsberatung" bezeichneten Tätigkeit im wesentlichen ein einziger Geschäftsvorfall zugrunde gelegen habe, der - beginnend im Jahre 1978 - im Jahre 1979 durchgeführt und abgewickelt worden sei. Hierbei sei es um die Beratung und Verhandlungsführung anläßlich der Veräußerung bzw. Übertragung einer 100 %igen Beteiligung an einer GmbH gegangen. In einem Schreiben vom 9. September 1980 an einen der Verkäufer habe der Kläger seinen Auftrag wie folgt definiert: ,,Verkauf der Geschäftsanteile an der . . . GmbH und Abwicklung des Kaufvertrages". Der Kläger habe hinsichtlich der Beurteilung von Fragen der Unternehmensbewertung mitgewirkt. Er sei weder als Makler noch als Vermittler tätig geworden.
Das FA beurteilte diese Tätigkeit als gewerblich. Demgemäß erließ es für das Streitjahr einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem es den ermäßigten Steuersatz nicht mehr anerkannte, sowie einen erstmaligen Gewerbesteuerbescheid.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Klage. Er trug vor, er sei für die Konzernleitung der Firma X.-GmbH und der Firma S. als von beiden Seiten anerkannter Koordinator oder Schlichter tätig gewesen. Bei der Ausarbeitung der Verträge sowie bei der Durchführung derselben habe er als Mittler zwischen den Rechtsanwälten und den Steuerberatern fungiert. Er habe sich in diesem Zusammenhang auch in die Bilanzen einlesen und Bewertungen durchführen müssen, die für beide Seiten von Interesse gewesen seien. Beide Parteien hätten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Anwälte beauftragt. Seine Tätigkeit habe darin bestanden, die gesamten Verhandlungen zu koordinieren.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision, mit der er Verletzung des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) geltend macht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Gewerbesteuermeß- und Gewerbesteuerbescheid 1979 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1979 in der Weise zu ändern, daß die Steuer entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), daß der Kläger mit der streitigen Tätigkeit der Gewerbesteuer sowie dem vollen Umsatzsteuersatz unterliegt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer jeder Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG).
a) Die seitens des Klägers im Streitjahr ausgeübte ,,Koordinierungstätigkeit /Wirtschaftsberatung" entsprach der in § 1 GewStDV (ab 1983: § 15 Abs. 2 EStG) enthaltenen Definition des Gewerbebetriebes. Es ist offenkundig und zwischen den Beteiligten nicht umstritten, daß der Kläger seine Tätigkeit selbständig und mit Gewinnerzielungsabsicht ausübte. Er war aber auch nachhaltig im Sinne dieser Vorschrift tätig.
Der im Einkommensteuerrrecht verwendete Begriff der Nachhaltigkeit ist identisch mit demselben Begriff, wie er im Umsatzsteuerrecht (§ 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -) gebraucht wird. Eine Tätigkeit ist in der Regel nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist, d. h. subjektiv von der Absicht getragen ist, sich zu wiederholen und daraus eine (ständige) Erwerbsquelle zu machen. Grundsätzlich muß sie auch tatsächlich wiederholt werden (BFH-Urteil vom 21. August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88 m. w. N.). Wiederholte Tätigkeiten liegen auch dann vor, wenn der Grund zum Tätigwerden auf einem einmaligen Entschluß beruht, die Erledigung aber mehrere Einzeltätigkeiten erfordert. Auf die Wiederholungsabsicht kommt es nicht an, wenn unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses tatsächlich mehrere gleichartige Handlungen vorgenommen werden (BFH-Urteil vom 13. Februar 1969 V R 92/68, BFHE 95, 21, BStBl II 1969, 282).
Im Gegensatz zu der vom Kläger vertretenen Auffassung ist nicht erforderlich, daß die Einzeltätigkeiten ,,in sich abgeschlossen" sind. Allerdings hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) angenommen, daß das Merkmal der Nachhaltigkeit nicht erfüllt sei, wenn eine sich auf längere Dauer erstreckende Tätigkeit ,,in Wirklichkeit eine einzige einheitliche Handlung" darstelle (Urteile vom 28. September 1928 V A 617/28, RFHE 24, 114, zur Durchführung einer Fideikommißpflegschaft; vom 12. Mai 1939 V 553/38, RFHE 47, 57, RStBl 1939, 926, zur einmaligen Herausgabe eines Buches; vom 17. Oktober 1941 V 121/41, RStBl 1942, 13, zu einer einmaligen, länger dauernden Testamentsvollstreckung).
Bereits im Urteil vom 23. Februar 1961 IV 313/59 U (BFHE 72, 533, BStBl III 1961, 194) hat der Senat jedoch entschieden, daß eine Tätigkeit auch dann nachhaltig sei, wenn sie mehrere Einzelhandlungen innerhalb nur eines Bauauftrags umfasse (Arbeitsgemeinschaft im Baugewerbe). Im Urteil in BFHE 95, 21, BStBl II 1969, 282 wurde die Tätigkeit des Angestellten eines Immobiliengeschäfts, der es übernommen hatte, für einen Bauern dessen Hof in Einzelparzellen zu veräußern, als nachhaltig angesehen. Die vom RFH in RStBl 1942, 13 vertretene Auffassung, daß die Testamentsvollstreckertätigkeit für nur einen Nachlaß, auch wenn sie sich über mehrere Jahre erstrecke, nicht nachhaltig sei, wurde im BFH-Urteil vom 7. August 1975 V R 43/71 (BFHE 117, 113, BStBl II 1976, 57) aufgegeben.
Danach ist davon auszugehen, daß eine längere andauernde Beratungstätigkeit, die mehrere Einzelhandlungen erforderlich macht, nach Lage des Falles auch dann als nachhaltig anzusehen sein kann, wenn sie nur einen Sachverhalt betrifft.
Wendet man diese Grundsätze an, so konnte das FG ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangen, daß der Kläger hinsichtlich seiner ,,Koordinierungstätigkeit / Wirtschaftsberatung" nachhaltig tätig war. Die Tätigkeit hat sich - wie das FG mangels Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - vom Jahr 1978 bis in das Streitjahr 1979 erstreckt. Sie hat - wie der Kläger einräumt - mehrere Einzelhandlungen erforderlich gemacht, nämlich Gespräche mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Anwälten sowie Einsichtnahme in die Bilanzen. Aus der Höhe der Vergütung läßt sich schließen, daß diese Tätigkeiten umfangreich waren.
b) Die Gewerblichkeit der streitigen Betätigung des Klägers ist auch nicht mit der Begründung zu verneinen, daß er einen freien Beruf (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder eine sonstige selbständige Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) ausgeübt hätte.
Der Kläger hat keinen Katalogberuf ausgeübt. Auf seine Zulassung zum Steuerberater hatte er verzichtet, für die Tätigkeit als beratender Volkswirt oder Betriebswirt fehlte ihm nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG die notwendige Ausbildung.
Das FG hat auch zu Recht entschieden, daß der Kläger keine einem freien Beruf ähnliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeübt hat.
Ist die Ausübung eines Katalogberufs nur aufgrund einer Erlaubnis zulässig, so stellt diese notwendige staatliche Gestattung der Berufsausübung ein das Berufsbild des Katalogberufs derart prägendes Merkmal dar, daß eine Tätigkeit, die ohne Erlaubnis ausgeübt wird, diesem Katalogberuf nicht ähnlich sein kann (ständige Rechtsprechung des BFH: Urteile vom 14. März 1975 IV R 207/72, BFHE 115, 265, BStBl II 1975, 576; vom 7. Juli 1976 I R 218 /74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; vom 9. Oktober 1986 IV R 235/84, BFHE 148, 42, BStBl II 1987, 124; vom 10. Dezember 1987 IV R 176/85, BFHE 152, 120, BStBl II 1988, 273; Beschluß vom 24. Februar 1988 X R 24/81, nicht veröffentlicht - NV -, Bestätigung des Urteils des FG Köln vom 14. Januar 1981 X (VIII) 630-631/77 U, E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 635). Diese Rechtsprechung ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gebilligt worden, indem es die gegen das Urteil in BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluß vom 26. November 1976 1 BvR 408/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1977, 96).
Allerdings weist der Streitfall die Besonderheit auf, daß der Kläger von seinen Kenntnissen her die Voraussetzungen, die an die Erteilung der Zulassung zum Steuerberater geknüpft sind, erfüllte. Da er bis 1977 als Steuerberater zugelassen war, ist davon auszugehen, daß er die erforderlichen Prüfungen abgelegt hatte oder den Anforderungen für eine prüfungsfreie Zulassung genügte.
Diese Besonderheit rechtfertigt jedoch keine Ausnahme von dem oben dargestellten Grundsatz. Die gesetzliche Berufsordnung der Steuerberater dient dazu, die fachgerechte Berufsausübung zu sichern. Um diesem Zweck zu genügen, ist die Zulassung nicht nur vom Bestehen einer Prüfung abhängig, die dem Nachweis der Fachkunde dient (§ 35 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -). Vielmehr unterliegt die Berufsausübung der Steuerberater auch nach Erteilung der Zulassung der staatlichen Aufsicht (vgl. §§ 90 ff. StBerG). Die staatliche Aufsicht über die zugelassenen Berufsangehörigen prägt den Beruf des Steuerberaters in gleicher Weise wie das Erfordernis des Fachkundenachweises in Form der Prüfung. Die schwerwiegendste Sanktion bei Verletzung von beruflichen Pflichten ist der Entzug der Zulassung (,,Ausschließung", § 90 StBerG). Daher kann die Tätigkeit einer Person, der die Zulassung entzogen worden ist, nicht als der des Steuerberaters ähnlich angesehen werden. Dasselbe muß für eine Person gelten, die die Zulassung zum Steuerberater zurückgegeben hat. Denn diese Person hat entweder freiwillig oder, um dem Ausschluß zuvorzukommen, den Bereich der staatlichen Aufsicht verlassen.
c) Die Tätigkeit des Klägers war auch nicht der eines beratenden Betriebswirtes ähnlich.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übt eine dem Beruf des beratenden Betriebswirts ähnliche Tätigkeit nur derjenige aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium verbunden mit praktischer Erfahrung mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seiner praktischen Tätigkeit einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Die erforderliche fachliche Breite in diesem Sinne umfaßt Fragen der Führung, der Fertigung, der Materialwirtschaft, der Finanzierung, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens und des Personalwesens. Die notwendige Breite der Beratungstätigkeit ist noch gegeben, solange sie sich wenigstens auf einen dieser betrieblichen Hauptbereiche erstreckt (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584, und vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24).
Da der Kläger nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG kein betriebswirtschaftliches Studium absolviert hatte, hätte er substantiiert darlegen müssen, in welcher anderen Weise er das die notwendige fachliche Breite aufweisende betriebswirtschaftliche Wissen erworben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109 /77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). An einer solchen Darlegung fehlt es. Sie war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil in der Steuerberaterprüfung betriebswirtschaftliche Kenntnisse verlangt werden. Nach § 11 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStBerG) erstreckt sich die Prüfung auch auf Bereiche der Betriebswirtschaft, nämlich Buchführung und Bilanzwesen, steuerliches Revisionswesen, Aufstellung und steuerliche Beurteilung von Bilanzen, Bewertungsfragen sowie Gründung und Finanzierung unter besonderer Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um einen Ausschnitt aus dem betriebswirtschaftlichen Hauptgebiet des Rechnungswesens. Ausgespart sind die Bereiche der Kostenrechnung, betriebswirtschaftlichen Statistik und Vergleichsrechnung sowie der Planungsrechnung (vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 16. Aufl., S. 866; Greifzu, Das Rechnungswesen, 13. Aufl., S. 18).
d) Der Kläger hat mit der streitigen Tätigkeit schließlich auch keine sonstige selbständige Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausgeübt. Unter dieser Vorschrift fallen nur die im Gesetz aufgeführten Tätigkeiten der Testamentsvollstrecker, Vermögensverwalter oder Aufsichtsratsmitglieder, oder solche Beschäftigungen, die den im Gesetz genannten ähnlich sind (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507, BStBl II 1978, 137 m. w. N.). § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG umfaßt damit vermögensverwaltende Tätigkeiten. Die Tätigkeit des Klägers war nach den Feststellungen des FG jedoch beratender Natur.
2. Übte der Kläger demnach keine freiberufliche Tätigkeit aus, so unterlagen die streitigen Umsätze auch nicht dem in § 12 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1973 vorgesehenen ermäßigten Steuersatz.
Fundstellen
Haufe-Index 416704 |
BFH/NV 1990, 438 |