Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwachsung des Vermögens einer GmbH & Co. KG bei der Komplementär-GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Anwachsung des Vermögens einer GmbH & Co. KG auf die Komplementär-GmbH ist eine Form der Vermögensübertragung i. S. d. § 7 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1986.

2. Ersterwerber kann auch eine natürliche Person sein, wenn sie das gesamte Vermögen einer GmbH & Col. KG durch Anteilsübertragung mit sich unmittelbar anschließender Vermögensanwachsung auf eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten überträgt.

 

Normenkette

KVStG 1986 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 4 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine inländische GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der X-GmbH & Co. KG war. Am Gesellschaftsvermögen war die Klägerin nicht beteiligt. Kommanditisten waren A, B und C. Die Kommanditeinlagen betrugen je ... DM.

Am 15. März 1990 beschlossen die Gesellschafter der X-GmbH & Co. KG, das Kapital der Klägerin von ... DM auf ... DM zu erhöhen. Die Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG wurden zur Übernahme der neuen Stammeinlagen zugelassen. Sie übertrugen mit Wirkung zum 1. Januar 1990 ihre Kommanditanteile an der X-GmbH & Co. KG auf die Klägerin mit der Folge, daß das Vermögen der X-GmbH & Co. KG der Klägerin anwuchs. Außerdem erbrachte einer der drei Gesellschafter eine Bareinlage in Höhe von ... DM ein. Die Kapitalerhöhung wurde in das Handelsregister eingetragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte gegenüber der Klägerin durch Bescheid vom 29. November 1993 Gesellschaftsteuer fest.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 7 Abs. 4 Nr. 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1986.

Sie beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1994 aufzuheben, den Gesellschaftsteuerbescheid vom 29. November 1993 zu ändern und die Gesellschaftsteuer auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, zur Änderung des Gesellschaftsteuerbescheides vom 29. November 1993 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1994 und zur Festsetzung der Gesellschaftsteuer auf ... DM (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1986 unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1986, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft und was unter Gesellschaftsrechten zu verstehen ist. Danach ist eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) eine inländische Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 1 und 2 KVStG 1986). Zu den Gesellschaftsrechten gehören auch die Geschäftsanteile an einer GmbH (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1986). Sie sind den Gesellschaftern zuzurechnen (§ 6 Abs. 2 KVStG).

Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) fest gestellt, daß für die Klägerin eine Kapital erhöhung teils gegen Bar- und teils gegen Sacheinlagen beschlossen wurde. Zur Übernahme der neuen Stammeinlagen wurden die Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG zugelassen, die gleichzeitig Gesellschafter der Klägerin waren. Sie übernahmen die neu gebildeten Geschäftsanteile. Damit erwarben die Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG Gesellschaftsrechte an der Klägerin als Ersterwerber. Dies erfüllt den Besteuerungstatbestand nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1986.

2. Nach § 7 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1986 werden Rechtsvorgänge i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1986 unter weiteren Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. II. 3) von der Besteuerung ausgenommen, wenn und soweit auf die Kapitalgesellschaft (hier: auf die Klägerin) als Gegenleistung das gesamte Vermögen, ein Betrieb oder ein Teilbetrieb einer anderen Kapitalgesellschaft (hier: der X-GmbH & Co. KG) übertragen wird. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt, daß die X-GmbH & Co. KG eine Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1986 war und daß alle Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG ihre Kommanditanteile zum 1. Januar 1991 auf die Klägerin übertrugen. Da die Klägerin schon vorher Komplementärin der X- GmbH & Co. KG war, bewirkten die Anteilsübertragungen eine Anwachsung des Vermögens der X-GmbH & Co. KG bei der Klägerin. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob hierin eine "Übertragung des gesamten Vermögens" oder zumindest die "Übertragung des Betriebes" der X- GmbH & Co. KG auf die Klägerin i. S. des § 7 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1986 zu sehen ist.

Der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat diese Rechtsfrage in seinem Urteil vom 15. Februar 1984 II R 208/81 (BFHE 140, 321, BStBl II 1984, 326) im Sinne einer Übertragung des gesamten Vermögens bejaht. Der Begriff "Übertragen" sei bürgerlich-rechtlich nicht auf die Einzelübertragungen beschränkt. Dies gelte auch für das Kapitalverkehrsteuerrecht. Der erkennende Senat hat die Rechtsfrage in seinem Urteil vom 22. August 1990 I R 11/89 (BFHE 162, 397, BStBl II 1991, 185) -- wenn auch in nicht entscheidungserheblicher Weise -- verneint. Er hat sich von dem Gedanken leiten lassen, daß ein Vermögen nur derjenige übertragen kann, der es innehat. Zwar sind beide Entscheidungen zu § 9 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 ergangen. Die Vorschrift entspricht jedoch in ihren Tatbestandsvoraussetzungen dem § 7 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1986, weshalb die damals vertretenen Rechtsauffassungen auch Bedeutung für den Streitfall haben. Es mag sein, daß aus heutiger Sicht Bedenken gegen das Urteil in BFHE 140, 321, BStBl II 1984, 326 geltend gemacht werden können, weil in den hier interessierenden Fällen tatsächlich nur Kommanditanteile übertragen wurden und der Vermögensübergang ein sich erst logisch anschließender Vorgang war. Der erkennende Senat hält dennoch im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes an der im Urteil in BFHE 140, 321, BStBl II 1984, 326 vertretenen Rechtsauffassung fest, daß auch die Vermögensanwachsung eine Form der Vermögensübertragung i. S. des § 7 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1986 ist. Dies entspricht der von der Finanzverwaltung in den Erlassen des Finanzministeriums (FinMin) Niedersachsen vom 26. November 1979 S 5110 -- 59 -- 323 (Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau -- DVR -- 1980, 23) und des FinMin Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1984 S 5110 -- 13 -- VA 2 (DVR 1984, 73) vertretenen Auffassung, auf die sich die Steuerpflichtigen in ihren Gestaltungen eingestellt haben. Es kommt hinzu, daß die Gesellschaftsteuer ausgelaufenes Recht ist, weshalb Rechtsprechungsänderungen heute keinen Sinn mehr machen. Der erkennende Senat schränkt deshalb seine unter II. 3 im Urteil in BFHE 162, 397, BStBl II 1991, 185 vertretene Rechtsauffassung dahin ein, daß Ersterwerber auch natürliche Personen sein können, wenn sie das gesamte Vermögen einer GmbH & Co. KG durch Anteilsübertragung mit sich unmittelbar anschließender Vermögensanwachsung auf eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen.

Im Streitfall sind die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1986 (unstreitig) erfüllt. Die X- GmbH & Co. KG war eine Kapitalgesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in der Bundesrepublik. Die Bundesrepublik ist Mitgliedstaat der EWG (heute: EU). Die Klägerin zahlte für die übernommenen Sacheinlagen keine baren Zuzahlungen. Damit war der Ersterwerb von Gesellschaftsrechten für den Streitfall insoweit von der Besteuerung auszunehmen, als er auf Sach- und nicht auf Bareinlagen beruhte.

4. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Rechtsgrundsätzen. Sie kann daher keinen Bestand haben und war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der angefochtene Gesellschaftsteuerbescheid war in der Form der Einspruchsentscheidung zu ändern. Die Gesellschaftssteuer war antragsgemäß auf ... DM herabzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421017

BFH/NV 1996, 503

BFH/NV 1996, 593

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