Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen für ein veräußertes Haus für die Zeit der Hinterlegung des Kaufpreises nicht als Werbungskosten abziehbar
Leitsatz (NV)
1. Schuldzinsen, die auf die Zeit nach der Veräußerung eines Hauses entfallen, sind nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
2. Dies gilt auch dann, wenn solche Schuldzinsen dadurch entstehen, daß Kredite zunächst nicht abgelöst werden können, weil der Kaufpreis auf einem Notar-Anderkonto hinterlegt ist.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin verkaufte im Streitjahr ein Einfamilienhaus, das sie ursprünglich mit einem Darlehen finanziert und bisher vermietet hatte. Sie übergab das Grundstück am 1. Juli 1985. Zu diesem Zeitpunkt hinterlegte die Käuferin vereinbarungsgemäß den Kaufpreis auf einem Notar-Anderkonto. Die Hinterlegungszinsen standen nach dem Kaufvertrag der Käuferin zu. Der Notar überwies den hinterlegten Kaufpreis erst am 28. August 1985 auf ein Konto der Klägerin, nachdem notwendige Treuhandauflagen erfüllt waren. Daraufhin tilgte die Klägerin ihre Darlehensschuld am 2. September 1985. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte es ab, die für den Zeitraum der Hinterlegung des Kaufpreises entstandenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin abzuziehen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 315).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Während des Revisionsverfahrens hat das FA mit Änderungsbescheid vom 24. Januar 1995 die Einkommensteuer aufgrund der nach § 54 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1991 erhöhten Kinderfreibeträge herabgesetzt. Dieser Bescheid ist auf Antrag der Kläger gemäß §§ 68, 121 Satz 1, § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FG hat zu Unrecht die auf die Zeit der Hinterlegung des Kaufpreises entfallenden Schuldzinsen als Werbungskosten der Klägerin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Ein nahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist immer dann zu bejahen, wenn sie objektiv mit angestrebten oder zufließenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängen und subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung aufgewendet werden (Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464).
Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Aufgabe der Vermietungsabsicht oder -tätigkeit entfallen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine nachträglichen Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Sie stehen nicht mehr mit der Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Sie sind die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dient.
Dementsprechend hat der BFH einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der früheren Einkunftserzielung für Schuldzinsen im privaten Bereich verneint, die auf die Zeit nach der Veräußerung eines Hauses entfallen, auch wenn der Veräußerungserlös nicht zur Schuldendeckung ausgereicht hat (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14; vom 23. Januar 1991 X R 37/86, BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398; vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289; vom 20. Dezember 1994 IX R 32/93, BFH/NV 1995, 675; vom 15. November 1994 IX R 49/92, BFH/NV 1995, 880).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Kredite zunächst nicht abgelöst werden können, weil der Kaufpreis auf einem Notar-Anderkonto hinterlegt ist (BFH-Urteil vom 8. April 1992 XI R 32/90, BFH/NV 1992, 801). Auch dieser Vorgang findet auf der Veräußerungsebene statt, so daß die Schuldzinsen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der steuerlich unbeachtlichen privaten Vermögensebene stehen.
2. Da das FG seiner Entscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrundegelegt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 421018 |
BFH/NV 1996, 208 |