Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ein unmittelbares Versenden ins Ausland liegt nicht vor, wenn der Aussteller den Wechsel einer inländischen Bank mit dem Willen aushändigt, von dieser Zahlung zu erhalten.
Normenkette
WStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat einen Sichtwechsel über US-Dollar, zahlbar an die Order einer Bank in New York, auf eine ausländische Firma gezogen. Auf der Rückseite des Wechsels hat sie 23 DM Wechselsteuermarken entwertet. Dem Vorgang lag ein Exportgeschäft zugrunde. Im Rahmen dieses Geschäfts hatte die Bank in New York über ein bei einer inländischen Bank (Außenhandelsbank) zugunsten der Bfin. (Exporteur) eröffnetes Akkreditiv einen an die Bfin. gerichteten Kreditbrief ausgestellt, der der inländischen Bank zur Avisierung übersandt wurde. Nach dem Inhalt des Kreditbriefes waren die verlangten Dokumente, zu denen auch der Sichtwechsel gehörte, der Bank in New York zur Zahlung zu präsentieren. Zahlstelle war die Bank in New York, die inländische Bank war Avisierungsstelle. Unbestritten ist, daß die inländische Bank bei Vorliegen ordnungsmäßiger Dokumente gemäß einer allgemeinen übung der Banken Zahlung an die Bfin. leisten durfte.
Die Bfin. reichte die Dokumente, unter denen sich auch der Sichtwechsel befand, der inländischen Bank ein. Da die Dokumente Abweichungen von den Bedingungen des Kreditbriefes enthielten, leistete die inländische Bank keine Zahlung, sondern leitete die Dokumente unverändert an die Bank in New York weiter.
Die Bfin. wendet sich gegen die Ablehnung der Erstattung der Wechselsteuer, die sie unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 Ziff. 2 des Wechselsteuergesetzes (WStG) beantragt (vgl. § 152 Abs. 2 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -).
Die Vorinstanz hat die Erstattung abgelehnt, weil eine unmittelbare Versendung ins Ausland nicht vorliege. Die Auffassung der Bfin., daß die inländische Bank bei der Weiterleitung des Wechsels nur Bote gewesen sei, hat die Vorinstanz mit der Begründung abgelehnt, unter einem Boten in diesem Zusammenhang sei nur die Tätigkeit einer selbständigen oder unselbständigen Person zu erblicken, die eine reine Transportfunktion ausübe und bei der jedes Sicheinschalten in den wechselrechtlichen Vorgang von vornherein völlig ausgeschlossen sei. Außerdem sei die Annahme und übersendung des Wechsels mit der sonstigen Tätigkeit der inländischen Akkreditivbank zwangsläufig verknüpft.
Die Bfin. wendet sich in der Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen die Ablehnung des Erstattungsantrags.
Der Bundesminister der Finanzen und das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg sind dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 WStG ist die Aushändigung eines vom Inland auf das Ausland gezogenen Wechsels steuerfrei, wenn er nur im Ausland, und zwar auf Sicht oder innerhalb zehn Tagen nach dem Ausstellungstag, zahlbar ist und vom Aussteller unmittelbar ins Ausland versendet wird.
Es kommt im vorliegenden Fall darauf an, ob der Wechsel vom Aussteller unmittelbar in das Ausland versendet worden ist. über den Begriff der unmittelbaren Versendung in das Ausland bestehen Meinungsverschiedenheiten in den Fällen, in denen nicht der Aussteller selbst, sondern eine inländische Bank den Wechsel in das Ausland versendet, ohne daß deren Mitwirkung aus dem Wechsel selbst ersichtlich ist. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß die inländische Bank, wenn sie bei der Versendung des Wechsels in das Ausland nicht kraft eigenen Rechts aus dem Wechsel handele, immer nur als Bote tätig werde und daß deshalb die Steuerfreiheit nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 WStG gegeben sei (Judeich, Kommentar zum Wechselsteuergesetz, Bemerkung II 2 a zu § 6 WStG, S. 46; Judeich in "Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen" 1955 S. 423; Burschberg in "Der Betrieb" 1954 S. 872).
Der Bundesminister der Finanzen und das Finanzministerium Baden-Württemberg lehnen diese Auffassung ab. Sie vertreten den Standpunkt, daß regelmäßig in den Fällen, in denen eine inländische Bank eingeschaltet sei, eine die Steuerpflicht auslösende Aushändigung vorliege.
Im Streitfall ist unbestritten, daß die inländische Bank bei Vorliegen ordnungsmäßiger Dokumente gemäß der allgemeinen übung der Banken Zahlung an die Bfin. hätte leisten können und auch geleistet hätte, daß sie davon aber abgesehen hat, weil in den Dokumenten Abweichungen gegenüber den Bedingungen des Kreditbriefes enthalten waren. Nur aus diesem Grunde hat die inländische Bank die Dokumente einschließlich des Wechsels weitergeleitet, ohne Zahlung zu leisten. Die Bfin., die Ausstellerin des Wechsels, wollte gemäß der allgemeinen übung mit der übergabe des Wechsels an die inländische Bank bereits von dieser Zahlung erhalten, d. h. den Wechselanspruch verwirklichen. Auf diesen Willen der Bfin. bei der übergabe des Wechsels an die inländische Bank, mit der die Bfin. zugleich die Verfügungsgewalt über den Wechsel aufgab, kommt es an. Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Aushändigung eines Wechsels, die nach § 1 Ziff. 1 a WStG die Steuerpflicht auslöst, in einem Vorgang zu sehen, der den Wechsel in Umlauf bringt oder sonst ein Geschäft mit ihm macht, überhaupt einen wechselrechtlich oder außerwechselrechtlich bedeutsamen Akt vornimmt, der den Zweck hat, die Verwirklichung des Wechselanspruchs herbeizuführen (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 493/32 vom 19. Juli 1933, Mrozek-Kartei, Wechselsteuergesetz alter Fassung zu § 5 Rechtsspruch 6). Im Streitfall verfolgte die Bfin. mit der übergabe des Wechsels an die inländische Bank nicht den Zweck, mit Hilfe der inländischen Bank als übermittlerin des Wechsels diesen lediglich in das Ausland zu versenden. Nach dem Willen der Bfin. sollte also die Bank nicht in erster Linie die Aufgabe eines Boten oder Stellvertreters übernehmen. Die übergabe des Wechsels an die Bank diente vielmehr in erster Linie der Verwirklichung des Wechselanspruchs im Inland. Sie kann deshalb nicht mehr als unmittelbare Versendung ins Ausland angesehen werden.
Hinzu kommt, daß im Falle der Anerkennung der Dokumente und der Zahlung durch die inländische Bank dem Willen der Bfin. gemäß die Folge eingetreten wäre, daß die Bank nach § 9 Abs. 2 Ziff. 3 WStG für die Wechselsteuer gehaftet hätte. Es wären auch insoweit rechtliche Wirkungen der Aushändigung nicht nur in der Person der Bfin. eingetreten.
Der Hinweis der Bfin. auf die Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen vom 7. Oktober 1898 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 31 S. 274) vermag die Rb. nicht zu begründen. In dem Fall, über den das Reichsgericht zu entscheiden hatte, war im Geschäftslokal eines Vorschußvereins von dem Kassenbeamten des Vereins in Gegenwart des Wechselinhabers, der an dem Tisch stand, auf dem der Wechsel lag, die Marke auf den Wechsel geklebt worden. Die Willensmeinung der Beteiligten war nach der Entscheidung des Reichsgerichts so gestaltet, daß der steuerpflichtige Wechselinhaber sich des Wechsels vor bewirkter Verstempelung nicht entäußern wollte. Auch das Reichsgericht hebt in dieser Entscheidung als Grundsatz hervor, daß das Gesetz nur ein solches Aushändigen hat treffen wollen, das dazu dient, den Wechsel in Umlauf zu bringen oder sonst Geschäfte damit zu machen, überhaupt also einen wechselrechtlich oder außerwechselrechtlich bedeutsamen Akt vorzunehmen.
Das Vorbringen der Bfin. über die wirtschaftliche Bedeutung des Wechsels, der bei Geschäften der vorliegenden Art nur die Funktion einer Quittung habe, vermag den Antrag der Bfin. nicht zu rechtfertigen. Für das Wechselsteuerrecht hat der Reichsfinanzhof die abstrakte Natur und die Unabhängigkeit der Steuerpflicht vom Grundgeschäft stark betont. Er hat in dem Urteil II A 106/29 vom 28. Mai 1929 (Slg. Bd. 25 S. 170), dem der erkennende Senat beitritt, ausgesprochen, daß die Steuerpflichtigkeit eines Wechsels unabhängig davon bestehe, ob das der Ausstellung des Wechsels oder einer auf ihn gesetzten Wechselerklärung zugrunde liegende schuldrechtliche Geschäft nichtig ist. Ebensowenig kann der wirtschaftlichen Funktion des Wechsels, auf die die Bfin. entscheidendes Gewicht legt, oder der Verknüpfung des Wechsels mit dem Akkreditivgeschäft, auf die die Vorinstanz unter anderem zur Begründung ihrer Entscheidung hinweist, eine Bedeutung für den Streitfall beigemessen werden.
Der Senat hat bei seiner Entscheidung noch folgendes berücksichtigt: Die Erhebung der Wechselsteuer knüpft an verhältnismäßig einfache Tatbestände des Wirtschaftslebens an. Das Verfahren bei der Erhebung der Steuer ist so geregelt, daß die am Wechselverkehr Beteiligten selbst die Steuer durch die Anbringung und Entwertung der Steuermarken entrichten. Meist wird die Versteuerung durch kaufmännische Angestellte besorgt. Der Geschäftsverkehr erfordert, daß möglichst rasch über die Wechselsteuerpflicht einer Urkunde entschieden wird. Dieser Gestaltung des Verfahrens muß bei der Auslegung der Ausnahmebestimmungen des WStG Rechnung getragen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 409224 |
BStBl III 1959, 67 |
BFHE 1959, 172 |
BFHE 68, 172 |