Leitsatz (amtlich)
Kein bloß mengenmäßiges Zuteilen, sondern eine Bearbeitungsmaßnahme ist anzunehmen, wenn ein Unternehmer mittels einer Schneidemaschine 45 cm lange Seifenstangen in der Querrichtung in sechs 7,5 cm lange Seifenstücke zerschneidet und diese in einer Stanzmaschine an den Schnittkanten abrundet.
Normenkette
UStG § 7 Abs. 3; UStDB § 57 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
Der Bf. betrieb 1952 und 1953 in X. einen Großhandel mit von ihm konfektionierter Lanolin- und Kernseife. Die Konfektionierung der Lanolinseife spielte sich folgendermaßen ab: Die von der Seifenfabrik A. in Y. in etwa 45 cm langen, nicht vorgekerbten Vierkantstangen bezogene Seife wurde von blinden Arbeitnehmern des Bf. ausgepackt, mit einer Schneidemaschine in Querrichtung in sechs Stücke von je 7,5 cm Länge zerschnitten und mittels einer Stanzmaschine mit dem Aufdruck "Medizinische Lanolinseife, garantiert rein, mit hohem Lanolingehalt" und mit einem einen Blinden mit Führhund darstellenden Bild versehen. Die einzelnen Seifenstücke wurden in Papier eingeschlagen, in Kartons verpackt und an die Kunden versandt. Die Verpackung trug außen auf der Rückseite den Aufdruck "Blinden-Unternehmen B. in Z. Feinseifenkonfektion". Der beim Schneiden und Stanzen entstandene Seifenabfall betrug rd. 6,4 v. H. des Gewichts der Seifenstangen (35 g : 550 g); er wurde der Lieferfirma gegen Gutschrift des Wertes zurückgeschickt. In ähnlicher Weise wurde bei der Kernseife verfahren. Die konfektionierte Ware ging an vier, buchmäßig als Auslieferungslager bezeichnete Großabnehmer und in jährlich rd. 10 000 Einzelsendungen an zahlreiche Kleinabnehmer, und zwar Straßenhändler, die sich auf Annoncen des Bf. gemeldet hatten. Im Unternehmen des Bf. waren sechs Blinde und bis zum 31. August 1953 drei, ab 1. September 1953 zwei sehende Arbeitnehmer beschäftigt. Der Bf. ist selbst auch blind.
Das Finanzamt zog den Bf. für die Zeit vom 1. Januar 1952 bis 31. August 1953 mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer heran; für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1953 stellte es den Bf. gemäß § 4 Ziff. 18 UStG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB zunächst von der Umsatzsteuer frei. In den gegen die Umsatzsteuerbescheide eingelegten Einsprüchen begehrte der Bf. Herabsetzung des Steuersatzes auf 1 v. H. gemäß § 7 Abs. 3 UStG. Das Finanzamt wies in seinen Einspruchsentscheidungen vom 11. Februar 1955 und 14. April 1956 die Einsprüche als unbegründet zurück und änderte den Steuerbescheid für 1953 gemäß § 243 Abs. 3 AO dahin ab, daß es unter Versagung der Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 18 UStG den Steuerpflichtigen auch mit den vom 1. September bis 31. Dezember 1953 getätigten Umsätzen mit 4 v. H. der Umsatzsteuer unterwarf. Das Finanzgericht bestätigte in seinem Urteil vom 27. Juni 1957 die Einspruchsentscheidungen. Es versagte
a) die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für 1952 und 1953, weil der Bf. die umgesetzte Ware steuerlich bearbeitet und außerdem die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung buchmäßig nicht ausreichend nachgewiesen habe,
b) die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift für Blinde in den letzten vier Monaten des Jahres 1953, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB nicht erfüllt seien.
Die Rb. wird darauf gestützt, daß die Vorentscheidung auf unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts (§ 7 Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 57 UStDB) und auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten beruhe. Für 1953 wird außerdem gerügt, daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Nach § 7 Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB ist Voraussetzung für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes für den Großhandel u. a. , daß der Unternehmer den Gegenstand seiner Lieferung weder bearbeitet noch verarbeitet hat. Eine Bearbeitung oder Verarbeitung liegt vor, wenn die Wesensart des Gegenstandes geändert wird (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UStDB). Sie wird geändert, wenn durch die Behandlung des Gegenstandes nach der Verkehrsauffassung ein neues Verkehrsgut (ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit) entsteht (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UStDB). Die 7,5 cm langen, an den Seiten abgerundeten Seifenstücke sind Gegenstände anderer Marktgängigkeit als die vom Bf. bezogenen 45 cm langen kantigen Seifenstangen. Die Seife hat sich durch das Zerschneiden der Seifenstangen in der Schneidemaschine und durch das seitliche Abrunden der so entstandenen Seifenstücke in der Stanzmaschine zwar nicht in ihrer Substanz, wohl aber in ihrer Form verändert. Aus der für Waschzwecke infolge ihrer Länge ungeeigneten Stangenseife ist handgerechte Stückseife geworden. Lanolinseife, also Toilettenseife, in Stangen von 45 cm Länge ist kein Fertigprodukt. Aber auch Kernseife in Stangen, die im Einzelhandel erhältlich ist (jedoch in der Regel nicht glatt -- wie im Streitfalle --, sondern in Felder aufgeteilt und mit Aufschriften versehen), muß vor ihrer Verwendung im Haushalt zerschnitten werden. Diese Arbeit nahm der Bf. dem Verbraucher ab, indem er die Seifenstangen auf im Verkehr mit Letztabnehmern gängige Maße (7,5 cm) zuschnitt. Eine solche Behandlung der Ware geht nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 284/39 vom 15. Dezember 1939, RStBl 1940 S. 231, Slg. Bd. 48 S. 91, und Urteil des Bundesfinanzhofs V 188/53 U vom 5. November 1953, BStBl 1954 III S. 31, Slg. Bd. 58 S. 311) -- ebenso wie das Passendschneiden für einen bestimmten Zweck nach Weisung des Abnehmers (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 404/36 vom 11. Dezember 1936, RStBl 1937 S. 81, Slg. Bd. 40 S. 233, und V A 374/36 vom 15. März 1937, RStBl 1937 S. 591, Slg. Bd. 41 S. 130) -- über eine, die Wesensart der Ware nicht ändernde und daher steuerlich unschädliche bloße mengenmäßige Zuteilung hinaus. Das Zerschneiden der Seifenstangen in je sechs 7,5 cm lange Stücke stellt eine Maßnahme der Weiterverarbeitung dar. Die Änderung der Marktgängigkeit zeigt sich darin, daß die Abnehmer, auf deren Einstellung es bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung in erster Linie ankommt, der Seife in handgerechter Stückform vor der Seife in Stangenform den Vorzug geben, daß also nach Stückseife eine größere Nachfrage besteht als nach Stangenseife. Zu dem Schneiden tritt als zweiter steuerlich schädlicher Vorgang das Abrunden der Schnittkanten der Seifenstücke in der Stanzmaschine. Selbst wenn es zutrifft, daß -- wie der Bf. behauptet -- das Abrunden der Kanten durch das Einpressen der Kennzeichnung in die Seife bedingt ist, weil durch den Druck der Stanzmaschine die scharfen Kanten des Seifenstücks verlorengehen, so verfolgte doch das Abrunden der Kanten zweifellos auch den Zweck, das Seifenstück griffiger und dadurch für den Gebrauch geeigneter zu machen. Durch den Gesamtvorgang, nämlich das Zerschneiden der Seifenstangen in Stücke einer bestimmten Größe und das Abrunden der Kanten dieser Stücke, ist ein neues Verkehrsgut, nämlich gebrauchsfertige Stückseife, entstanden.
Durch § 1 Nr. 10 der Zehnten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 15. Oktober 1958 (BGBl I S. 721) ist in § 57 Abs. 2 UStDB unter Ziff. 9 eine Bestimmung eingefügt worden, nach der es als besonders zugelassene Bearbeitung und Verarbeitung im Sinne des § 57 Abs. 1 Ziff. 3 Satz 2 UStDB gilt, wenn Schreib- und Druckpapier, Karton, Packpapier und Pappe in handelsüblichen Formaten auf handelsübliche Formate geschnitten wird, sofern keine Abfälle entstehen. Hieraus ist ersichtlich, daß der Verordnungsgeber das Zerschneiden einer Ware auf bestimmte im Verkehr gängige Maße nicht als eine steuerlich unschädliche Zuteilungsmaßnahme, sondern als eine steuerlich schädliche Bearbeitungsmaßnahme ansieht. Denn sonst hätte er den engumgrenzten Tatbestand des § 57 Abs. 2 Ziff. 9 UStDB nicht in die Liste der besonders zugelassenen Bearbeitungen und Verarbeitungen beim steuerermäßigten Großhandel aufzunehmen brauchen, weil er in dem weiteren Tatbestande des Zerschneidens auf verkehrsgängige Maße aufgegangen wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 437/35 vom 4. Oktober 1935, RStBl 1936 S. 72, Slg. Bd. 38 S. 283; Urteile des Bundesfinanzhofs V 2/50 U vom 30. April 1953, BStBl 1953 III S. 180, Slg. Bd. 57 S. 463, und V 188/53 U vom 5. November 1953, BStBl 1954 III S. 31, Slg. Bd. 58 S. 311) ist die Großhandelsvergünstigung nur demjenigen Großhändler zu gewähren, der sich auf die eigentliche Aufgabe des Großhandels, nämlich die reine Warenverteilung, beschränkt. Da der Bf. den Gegenstand seiner Lieferungen, die Seife, steuerlich schädlich bearbeitet hat, ist ihm der ermäßigte Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG zu versagen.
Die in der Vorentscheidung behandelten Fragen, ob in dem Einstanzen bzw. Aufdrucken der Texte und des Bildzeichens in die Seife bzw. auf die Verpackung eine weitere steuerlich schädliche Bearbeitung oder ein steuerlich unschädliches Kennzeichen zu erblicken ist und ob der buchmäßige Nachweis in vollem Umfange vorlag oder es an der Aufzeichnung des Abnehmers (insbesondere seines Gewerbezweiges oder Berufs) fehlte, können daher unentschieden bleiben.
Da die Rb. auf Grund des insoweit unstreitigen Sachverhaltes schon wegen der Bearbeitung der Seife zurückzuweisen ist, bedarf es auch nicht eines Eingehens auf die sonstigen Rügen des Bf. (Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten und Verfahrensmängel).
Zur Frage der Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 18 UStG auf seine von September bis Dezember 1953 getätigten Umsätze hat der Bf. im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Ausführungen mehr gemacht. Es ist daher anzunehmen, daß er insoweit keine Einwendungen mehr erheben will. Die von Amts wegen vorgenommene Prüfung ergab, daß diese Befreiungsvorschrift aus den in der Vorentscheidung dargelegten Gründen zu Recht versagt worden ist.
Fundstellen
BStBl III 1960, 11 |
BFHE 1960, 29 |