Leitsatz (amtlich)
1. Vor dem maßgebenden Zeitpunkt tatsächlich entstandene Kosten für Lagerung, Lagerversicherung und Kreditierung des Kaufpreises gehören zum Zollwert (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Zahl der Käufer den Kaufpreis vor dem maßgebenden Zeitpunkt, so gehören die sog. kalkulatorischen Zinsen für den Zeitraum zwischen Zahlung und maßgebenden Zeitpunkt nur zum Zollwert, wenn der Zollstelle nicht nachgewiesen wird, daß der gezahlte Preis dem Barpreis entspricht (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
ZG a.F. §§ 29, 31
Tatbestand
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) führen Rohtabak aus den USA ein. Die Abwicklung der Kaufverträge erfolgt vielfach in der Weise, daß die Tabake im Ausland geliefert und im Zeitpunkt der Lieferung auch bezahlt werden. Sie werden dann teilweise nicht sofort verschifft, sondern im Ausland auf Kosten und Gefahr der Klägerinnen eingelagert und erst mehrere Monate später in das Zollaufschublager der Klägerinnen verbracht Soweit die Tabake nicht bei Lieferung bezahlt werden, stellen die Lieferanten den Klägerinnen auf Grund jeweiliger besonderer Vereinbarung Kreditkosten in Rechnung. Die Kaufgeschäfte werden zum größten Teil unmittelbar nach Verkaufsfertigkeit der frischen Ernte abgewickelt Daneben tätigen die Klägerinnen auch Monate nach dem genannten Zeitpunkt sogenannte Nachkäufe, wobei keine höheren Preise als bei den anderen Kaufgeschäften zu entrichten sind.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1970 setzte die Lagerzollstelle, die dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt – HZ –) untersteht, die für die Jahre 1966 bis 1968 zu erhebenden Eingangsabgaben endgültig fest und bezog dabei die anläßlich der Lagerung der Tabake in den USA entstandenen sogenannten carrying charges (Lager- und Lagerversicherungskosten sowie Kreditkosten in den USA, d. h. Zinsen auf den Kaufpreis von der Abnahme der Tabake in den USA bis zur Bezahlung) ebenso in den Zollwert ein wie die sogenannten kalkulatorischen Zinsen (Zinsen in Höhe von 5,535 % jährlich für die Zeit von der Bezahlung der Tabake bis zum Eintreffen der Ware am Einfuhrort). Dagegen legten die Klägerinnen Einspruch ein, soweit die Einfuhren der Jahre 1966 und 1967 betroffen waren, und begründeten diesen damit, die Einbeziehung der genannten Kosten in den Zollwert sei unrechtmäßig.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) aus:
Der angefochtene Steuerbescheid stehe in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Juli 1974 VII R 13/72 (BFHE 113, 323). Vom Sachverhalt her bestünden abgesehen davon, daß es sich im Streitfall um spätere Einfuhren handele, zwischen beiden Verfahren keine Unterschiede. In beiden Fällen seien noch die Vorschriften des Zollgesetzes (ZG) und der Wertzollordnung (WertZO) anzuwenden.
Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen die unrichtige Anwendung der §§ 29, 31 ZG und der §§ 8, 26, 27 WertZO. Zur Begründung tragen sie u. a. vor:
Der Ausdruck „maßgebender Zeitpunkt” finde sich lediglich in § 29 Abs. 1 ZG und § 26 Nr. 1 WertZO. Er werde hier ausschließlich dazu verwendet den erzielbaren üblichen Wettbewerbspreis zeitlich festzulegen. In § 29 Abs. 2 ZG und §§ 26 Nr. 3, 8 bis 17 WertZO sei jedoch vom maßgebenden Zeitpunkt nicht die Rede. Wo in den wertzollrechtlichen Vorschriften vom Zeitpunkt die Rede sei, handele es sich ausnahmslos um die Festlegung des Zeitpunktes, in dem ein Preis, der der Bewertung zugrunde gelegt werden solle, erzielt werden könne. In den wertzollrechtlichen Vorschriften, die die in den Zollwert einzubeziehenden Kosten behandelten, sei von einem Zeitpunkt nicht die Rede.
Bei der Frage, welche Kosten im Sinne des § 29 Abs. 2 Nr. 2 ZG und § 8 WertZO im konkreten Bewertungsfall in den Zollwert einzubeziehen seien, müsse man immer vom Kaufvertrag ausgehen, dessen Rechnungspreis dem konkreten Bewertungsfall zugrunde gelegt werde. Weiche der Zeitpunkt der Preisvereinbarung lt. Kaufvertrag, der der Bewertung zugrunde gelegt werde, vom maßgebenden Zeitpunkt ab, so habe dies auf die Bewertung keinen Einfluß, wenn sich dadurch der erzielbare übliche Wettbewerbspreis nicht geändert habe. Eine solche Änderung sei für die von ihnen gezahlten Rechnungspreise nicht festgestellt worden. Damit sei aber das Bewertungsmoment „maßgebender Zeitpunkt” erschöpft. Denn im Gegensatz zu der Feststellung des im maßgebenden Zeitpunkt erzielbaren üblichen Wettbewerbspreises komme es bei den in den Zollwert einzubeziehenden Kosten nicht darauf an, ob sie vor, im oder nach dem maßgebenden Zeitpunkt entstanden seien.
Die carrying charges seien weder Verkaufskosten noch Lieferungskosten. Sie seien weder entstanden, um die Tabake an sie, die Klägerinnen, als die maßgebenden Käufer zu verkaufen (denn die Tabake seien an sie bereits verkauft gewesen, bevor die Lagerung begonnen habe), noch um die Tabake bis zum Einfuhrort zu liefern (denn die Lagerung sei nicht durch die Beförderung der Tabake bestimmt gewesen). Die Lager- und die Lagerversicherungskosten hätten sie aufgewendet um den notwendigen Lagerraum zu beschaffen, den sie als Hersteller von Zigaretten und nicht in ihrer Eigenschaft als maßgebende Käufer für eine umfangreiche Vorratshaltung benötigten. Die von ihnen tatsächlich aufgewendeten Zinsen für ihnen gewährte Kredite gehörten als Geldbeschaffungskosten schon ihrer Natur nach nicht zu den Vertriebskosten.
Kalkulatorische Zinsen seien keine tatsächlich gezahlten Zinsen und damit von vornherein keine in den Zollwert einzubeziehenden tatsächlich entstandenen Kosten (§ 8 Abs. 2 WertZO, Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EGH – vom 10. Dezember 1970 Rs. 27/70, EGHE 1970, 1035). Sie seien also keine in den Zollwert einzubeziehenden Vertriebskosten. Der übliche Wettbewerbspreis sei ein Barpreis, und zwar müsse er ein auf dem Markt erzielbarer Barpreis sein. Werte, die durch Hinzurechnung von kalkulatorischen fiktiven Beträgen errechnet worden seien, stellten keine auf dem Markt erzielbaren Preise dar. In den Fällen, in denen die Toleranzfrist noch nicht abgelaufen sei, komme es nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 ZG und § 27 Abs. 1 Satz 1 WertZO nur auf den im Zeitpunkt des Kaufabschlusses erzielbaren Barpreis an. Darin bestehe ja gerade die Toleranz. Sei die Toleranzfrist abgelaufen und sei ein Barpreis, der im maßgebenden Zeitpunkt erzielt werden könne, nicht bekannt, so verlange die Fiktion des § 6 Abs. 1 WertZO nicht daß den Preisen (Barpreisen) aus den dort genannten Kaufverträgen für den Zeitraum zwischen dem vertraglich vereinbarten gemeinsamen Lieferungs- und Zahlungszeitpunkt und dem später liegenden maßgebenden Zeitpunkt irgendwelche kalkulatorischen Beträge hinzuzurechnen seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Der Senat hält hinsichtlich der sog. carrying charges an seiner Entscheidung in BFHE 113, 323 fest, nicht jedoch für die sog. kalkulatorischen Zinsen.
Die angefochtenen Bescheide sind bei der Feststellung des Zollwerts der eingeführten Waren zu Recht grundsätzlich von den angemeldeten Rechnungspreisen ausgegangen. Für Waren, die innerhalb der Toleranzfrist des § 27 Abs. 2 WertZO eingeführt worden sind, ergibt sich das aus § 31 ZG (vgl. den ersten Absatz der Begründung des BFH-Urteils in BFHE 113, 323, 325, Bundeszollblatt 1975 S. 252 – BZBl 1975, 252–). Die Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZG schied nicht deswegen aus, weil die Kaufverträge die Lieferung (Übereignung) der Waren in den USA lange vor dem zollrechtlich maßgebenden Zeitpunkt vorsahen. Die genannte Bestimmung setzt lediglich voraus, daß der Kaufvertrag „in einem handelsüblichen Zeitraum abgewickelt wird”. Als Abwicklungszeitraum in diesem Sinne ist dabei der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem zollrechtlich maßgebenden Zeitpunkt anzusehen. Es ist somit ohne Belang, welchen Lieferungszeitpunkt der Vertrag vorsieht, ob dieser also vor, im oder nach dem maßgebenden Zeitpunkt liegt. Hier sollte eine bewußt pauschale Regelung getroffen werden. Das belegen auch das Avis XVII des Brüsseler Zollwertausschusses (vgl. Zepf, Wertverzollung, 2. Aufl., Teil IV S. 15) und der Wortlaut des § 27 WertZO. Noch deutlicher ergibt sich die Richtigkeit dieser Auffassung aus dem hier zwar nicht anzuwendenden, aber auf den gleichen internationalen Abmachungen beruhenden Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 803/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über den Zollwert der Waren (ZWVO).
Das gleiche gilt im Ergebnis für die Tabakpartien, für die der Abwicklungszeitraum im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZG abgelaufen war (vgl. Absatz 2 der Begründung des BFH-Urteils in BFHE 113, 323, 325). Da Vergleichspreise fehlen, bleibt nur übrig, als Grundlage für die Schätzung des Normalpreises nach § 29 ZG die jeweiligen Rechnungspreise heranzuziehen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin umfaßt der Zollwert aber außer den Rechnungspreisen auch die Lager- und Lagerversicherungskosten. Das ergibt sich, soweit die Kaufverträge innerhalb eines handelsüblichen Zeitraums im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZG abgewickelt worden sind, aus der Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V. m. § 29 Abs. 2 ZG, und soweit dieser Zeitraum abgelaufen war, unmittelbar aus § 29 Abs. 2 ZG.
Nach diesen Vorschriften kann der Kaufpreis nur dann als Zollwert anerkannt werden, wenn er auch die Kosten umfaßt, die sich auf den Verkauf und die Lieferung der Ware bis zum Ort der Einfuhr beziehen; denn nach § 29 Abs. 2 ZG ist zu unterstellen, daß die Ware dem Käufer am Ort der Einfuhr geliefert wird und daß der Verkäufer die Verkaufs- und Lieferungskosten zu tragen hat. Das sind die Kosten für das „Anden-Mann-bringen” der Ware, wie sie sich aus den Vertriebsfunktionen des Verkäufers ergeben (vgl. Abschn. II Nr. 4 des Urteils des erkennenden Senats vom 19. Oktober 1960 VII 40/60 S, BFHE 71, 677, 682, BStBl III 1960, 501, 503; Zepf/Recker, Wertverzollung, 3. Aufl., Art. 1 ZWVO 1968, Anm. 13.1; Schwarz/Wockenfoth/Rahn, Zollgesetz, Art. 7 ZWVO 1968, Anm. 3; Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F V 1/1 Anm. 40 zu Art. 1 ZWVO 1968).
Da nach § 29 Abs. 2 ZG für die Feststellung des Zollwerts zu unterstellen ist, daß der Verkäufer die Kosten zu tragen hat, die sich aus den genannten Vertriebsfunktionen ergeben, sind sie auch dann in den Zollwert einzubeziehen, wenn tatsächlich nicht der Verkäufer, sondern ein anderer, so auch der Käufer, Vertriebsfunktionen wahrgenommen und die entsprechenden Kosten getragen hat. Auch die Frage, welche Tätigkeiten zu den Vertriebsfunktionen des Verkäufers gehören, kann nicht lediglich nach Maßgabe des konkreten Kaufgeschäfts entschieden werden. Maßstab ist auch insoweit das durch § 29 ZG genormte Geschäft (vgl. Abschn. II Nr. 4 letzter Absatz in BFHE 71, 677, BStBl III 1960, 501, 503, und die vorstehend zitierte Literatur).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus § 31 ZG nichts anderes. Nach der Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZG gilt allerdings der tatsächlich vereinbarte Rechnungspreis als Zollwert, wenn er dem üblichen Wettbewerbspreis im Zeitpunkt des Kaufabschlusses entspricht und das Kaufgeschäft in einem handelsüblichen Zeitraum abgewickelt worden ist. Durch diese Regelung ist der maßgebende Bewertungszeitpunkt auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages vorverlegt worden, (vgl. Zepf/Recker, a. a. O., 2. Aufl., § 31 Abs. 1 ZG Anm. 4). Daraus folgt aber nicht, daß Kosten, die nach diesem Zeitpunkt entstanden und bei der Preisvereinbarung nicht berücksichtigt worden sind, nicht in den Zollwert einbezogen werden dürfen. Die Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZG betrifft nur den Rechnungspreis und erstreckt sich nicht auf die Kosten, die nach § 29 Abs. 2 ZG in den Zollwert einzubeziehen sind. Aus praktischen Gründen sollte für die Anerkennung des Rechnungspreises als üblichen Wettbewerbspreis eine zeitliche Toleranz in dem Sinne eingeräumt werden, daß bei Preisen aus Kaufverträgen, die innerhalb der Toleranz liegen, bis zum maßgebenden Zeitpunkt etwa eintretende Preisschwankungen unberücksichtigt bleiben. Darüber hinaus sollte aber an der Brüsseler Zollwertdefinition, die in § 29 ZG ihren Niederschlag gefunden hat, nichts geändert werden mit der Folge, daß abgesehen von dieser nur für den Preis eingeräumten Verschiebung des Bewertungszeitpunktes alle Voraussetzungen des § 29 ZG erfüllt sein müssen, um einen Preis als Zollwert anerkennen zu können (vgl. Zepf/Recker, a. a. O., 2. Aufl., § 31 Abs. 1 ZG Anm. 3). Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen auch die erläuternde Anmerkung 5 zu Art. 1 des Abkommens über den Zollwert der Waren (BGBl II 1952, 8; 1969, 1947; zitiert nach Zepf/Recker, a. a. O., 3. Aufl., I C) und das Avis XVII (vgl. Zepf/Recker, a. a. O., 2. Aufl., § 31 ZG Abs. 1 Anm. 1), in der – da die Brüsseler Zollwertdefinition die Anerkennung des Rechnungspreises unter Verschiebung des maßgebenden Zeitpunkts nicht kennt – die Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZG ihre Rechtfertigung finden.
Nach der genannten Erläuterung in der Anm. Nr. 5 zu Art. I des Abkommens über den Zollwert der Waren kann der gezahlte oder zu zahlende Preis, d. h. der Rechnungspreis, als Bewertungsgrundlage herangezogen werden vorbehaltlich etwaiger Berichtigungen, wie sie für erforderlich erachtet werden, um Umstände zu berücksichtigen, die sich bei dem betreffenden Kaufgeschäft von denjenigen unterscheiden, die der Begriffsbestimmung des Wertes zugrunde liegen. Diese Berichtigungen betreffen nach dieser Erläuterung insbesondere die in Art. I Abs. 2 des Abkommens (= § 29 Abs. 2 ZG) genannten Kosten. Dieser Erläuterung entspricht die Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZG, nach der der Rechnungspreis, sofern § 29 Abs. 2 ZG nicht erfüllt ist, zunächst entsprechend berichtigt werden muß, bevor er als Zollwert gelten kann. Daraus wird deutlich, daß es sich bei den Berichtigungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZG i. V. m. § 29 Abs. 2 ZG um solche handelt, die erforderlich sind, um den konkreten Kaufvertrag mit dem Normvertrag im Sinne des § 29 ZG in Übereinstimmung zu bringen. Das gleiche ergibt sich aus dem im vorliegenden Fall nicht anzuwendenden, aber ebenfalls auf der Grundlage des genannten Brüsseler Zollwertabkommens abgefaßten Art. 9 Abs. 1 Buchst. c ZWVO vom 27. Juni 1968, der dem § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZG entspricht, aber deutlicher als dieser macht, daß es sich bei den Berichtigungen jeweils um solche handeln muß, die zur Angleichung an den Normalpreisbegriff erforderlich sind. Die Frage, welche Kosten in den Zollwert einzubeziehen sind, kann also auch bei Anwendung des § 31 ZG nur durch Vergleich mit dem durch § 29 ZG genormten Geschäft entschieden werden. Das ist das Zug-um-Zug-Geschäft im maßgebenden Zeitpunkt am Einfuhrort (vgl. die Urteile in BFHE 113, 323 und in BFHE 71, 677, BStBl III 1960, 501, sowie die BFH-Urteile vom 17. Juli 1958 V z 34/58 U BFHE 67, 251, BStBl III 1958, 369, und vom 29. Oktober 1963 VII 2/61 U, BFHE 78, 68, BStBl III 1964, 25), bei dem der Verkäufer alle Vertriebsfunktionen wahrnimmt. Soweit die Aufwendungen hierfür nicht im Rechnungspreis enthalten sind, ist dieser entsprechend zu berichtigen (vgl. Abschn. II Nr. 4 letzter Absatz in BFHE 71, 677, BStBl III 1960, 501, 503). Die Lager- und Lagerversicherungskosten sind derartige Aufwendungen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Kosten als Verkaufskosten oder wegen der Besonderheiten in der Abwicklung des Kaufgeschäfts im Streitfall als im Zusammenhang mit der Beförderung stehend und dann als Kosten der Lieferung bis zum Ort der Einfuhr anzusehen sind. Die Rechtfertigung, sie in den Zollwert einzubeziehen, ergibt sich in jedem Fall daraus, daß bei einem Zug-um-Zug-Geschäft im maßgebenden Zeitpunkt am Ort der Einfuhr der Verkäufer auch die Kosten der Lagerung hätte tragen müssen. Demnach ist es entgegen der Auffassung der Klägerin auch ohne Bedeutung, daß die Lagerung nur deshalb vorgenommen worden ist, um der Klägerin – nach Abnahme der Ware im Ausland – den erforderlichen Lagerraum zu verschaffen. Maßgebend ist allein, daß bei einem Zug-um-Zug-Geschäft entsprechend der Regelung in § 29 ZG der Verkäufer die Kosten der Lagerung hätte tragen müssen.
Das für die Lager- und Lagerversicherungskosten Gesagte gilt entsprechend auch hinsichtlich der von den Klägerinnen tatsächlich gezahlten Zinsen für die Kreditierung der Kaufpreise nach Lieferung der Waren in den USA. Hier handelt es sich ebenfalls – anders als bei den kalkulatorischen Zinsen (vgl. die folgenden Ausführungen) – um das Problem der in den Zollwert einzubeziehenden Kosten. Die genannten Zinskosten sind tatsächlich entstanden und gehören daher wie die Lager- und Lagerversicherungskosten zum Zollwert.
Hinsichtlich der sog. kalkulatorischen Zinsen folgt der erkennende Senat – in Abweichung von seinem Urteil in BFHE 113, 323 – der Vorentscheidung nicht in allen Stücken.
Geht man vom genannten Idealkontrakt aus (Zug-um-Zug-Geschäft), so entspricht nur ein Kaufgeschäft der Normalpreisdefinition, das die sofortige Bezahlung des Rechnungspreises bei Auslieferung der Ware im maßgebenden Zeitpunkt am Einfuhrort vorsieht (Barpreis; vgl. die zitierten Urteile in BFHE 67, 251, BStBl III 1958, 369 und in BFHE 78, 68, BStBl III 1964, 25; Schwarz/Wockenfoth/Rahn, a. a. O., Art. 11 ZWVO Anm. 1). Für die theoretische Bewertung nach dem Tagespreis (Normalpreis) ergibt sich das ohne weiteres aus dem Begriff des Normalpreises (§ 29 Abs. 1 ZG). Für die Bewertung nach dem Rechnungspreis gilt nichts anderes. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZG ist, wie oben ausgeführt, nicht dahin zu verstehen, daß der danach anzuerkennende Kaufpreis einer Berichtigung zur Angleichung an den Normalpreis überhaupt nicht bedarf. Aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 ZG ergibt sich vielmehr, daß der Rechnungspreis soweit erforderlich, um außerordentliche Preisnachlässe und um jede andere Ermäßigung des üblichen Wettbewerbspreises zu berichtigen ist. Bei einer Vereinbarung aber, die die Zahlung des Kaufpreises vor dem maßgebenden Zeitpunkt vorsieht, muß grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der Käufer für die Vorauszahlung eine Preisermäßigung erhalten hat, die den Zinsen entspricht, die der Käufer für einen Kredit in Höhe des vorausgezahlten Betrages hätte aufwenden müssen (vgl. auch Art. 11 Abs. 5 Satz 1 ZWVO 1968, der hier zwar nicht anwendbar ist, aber diesen bereits aus der Regelung des Brüsseler Zollwertabkommens entnehmbaren Grundgedanken bestätigt). Das dieser Ausgangspunkt richtig ist, beweist gerade der vorliegende Fall. Die amerikanischen Verkäufer hatten den Klägerinnen Kreditzinsen in Rechnung gestellt für die Zeit zwischen der Lieferung der Ware in den USA und der Zahlung des Kaufpreises, die regelmäßig geraume Zeit vor der Einfuhr erfolgte. Es kann also davon ausgegangen werden, daß die Verkäufer die ihnen durch die frühzeitige Bezahlung des Kaufpreises an die Vorverkäufer entstehenden Finanzierungskosten in den Verkaufspreis weiter entsprechend einkalkuliert hätten, wenn sie die Bezahlung von den Klägerinnen noch später, nämlich erst im maßgebenden Zeitpunkt erhalten hätten, der tatsächliche Rechnungspreis also grundsätzlich entsprechend niedriger war.
Die Klägerinnen haben die Rechnungspreise jeweils geraume Zeit vor dem maßgebenden Zeitpunkt bezahlt, also – gemessen am Idealkontrakt – vorausgezahlt. Es ist somit nach den obigen Ausführungen grundsätzlich zu unterstellen, daß sie in den Genuß einer entsprechenden Preisermäßigung gelangt sind. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Kostenproblem im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 29 Abs. 2 ZG. Insoweit hält der Senat an seiner Entscheidung in BFHE 113, 323 nicht mehr fest. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß den Klägerinnen insoweit tatsächliche Kosten entstanden sind. Zwar ist es richtig, daß die Finanzierung des Kaufpreises (für die Zeit zwischen der Bezahlung und dem maßgebenden Zeitpunkt) einen Aufwand erfordert, der sich in den von den Klägerinnen zu tragenden Kosten niederschlägt. Das sind aber, wie die Klägerinnen zu Recht vortragen, keine Kosten, die sich unmittelbar auf den Verkauf der eingeführten Waren beziehen, die diesen Waren konkret zugerechnet werden können. Sie sind nicht – im Gegensatz zu den an die amerikanischen Verkäufer tatsächlich gezahlten Kreditkosten – effektiv entstanden und von den Klägerinnen aufgewendet worden.
Da die kalkulatorischen Zinsen keine tatsächlich entstandenen Kosten darstellen, trifft auch die Argumentation des Urteils in BFHE 113, 323 nicht zu, daß etwaige Vergleichspreise außer Betracht zu bleiben haben. Es ist vielmehr in der Tat von Belang, ob der Rechnungspreis nicht doch (ohne Berichtigung) als Barpreis anzusehen ist. Zwar muß davon ausgegangen werden, daß nach den obigen Ausführungen grundsätzlich vom Gegenteil auszugehen ist. Weisen aber die Klägerinnen an Hand von Vergleichspreisen aus Kaufverträgen, die dem Idealkontrakt entsprechen oder nahekommen oder auf andere Weise nach, daß die von ihnen gezahlten Preise Barpreise im Sinne der Zollwertnorm sind, so scheidet eine Berichtigung um die kalkulatorischen Zinsen aus und ist der angefochtene Steuerbescheid insoweit aufzuheben (vgl. auch die entsprechende Regelung des Art. 11 Abs. 5 Satz 2 ZWVO 1968).
Das Vorhandensein solcher Vergleichspreise machen die Klägerinnen mit ihrem Hinweis geltend, die Preise bei sog. Nachkäufen hätten den Preisen entsprochen, die sie für die Normalkäufe gezahlt hätten. Die Preise aus solchen Nachkäufen können freilich nur dann als Nachweis für den Umstand, daß die Kaufpreise der Klägerinnen den Barpreisen ohne Berichtigung entsprechen, herangezogen werden, wenn diese Kaufverträge mit den normalen Kaufverträgen der Klägerinnen wirklich vergleichbar sind und nicht als Ausnahmekäufe gewertet werden müssen.
Da es insoweit an entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz fehlt, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 510621 |
BFHE 1981, 569 |