Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag als nachträglich bekanntgewordene Tatsache

 

Leitsatz (NV)

Hat das FA einen im Kaufvertrag gestellten Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung nicht beachtet und Grunderwerbsteuer festgesetzt, ist nach Unanfechtbarkeit des Bescheides dieser Antrag verbraucht. Ein neuer Antrag ist keine nachträglich bekanntgewordene Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2; GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 11. März 1980 den im Grundbuch von B eingetragenen mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundbesitz, zum Preis von 460 000 DM. Unter VII des Kaufvertrages beantragte sie teilweise Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom 11. Juli 1977 (GrEStEigWoG) mit der gleichzeitigen Versicherung, sie werde den erworbenen Grundbesitz innerhalb der nächsten fünf Jahre mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnen.

Nachdem die Klägerin die ihr am 2. April und 8. September 1980 vom Beklagten (Finanzamt - FA -) zugesandten Antragsvordrucke für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem GrEStEigWoG nicht eingereicht hatte, erhob das FA mit Bescheid vom 15. Oktober 1980 Grunderwerbsteuer in Höhe von 32 200 DM. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

In der zweiten Jahreshälfte 1981 zog die Klägerin mit ihrem Mann und ihrer Mutter in das erworbene Haus ein. Mit Schreiben vom 8. August 1981, beim FA eingegangen am 11. Januar 1982, und am 15. Juni 1982 beantragte die Klägerin die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) dahingehend, daß bei der Berechnung der steuerpflichtigen Gegenleistung ein Freibetrag gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStEigWoG in Höhe von 300 000 DM zuerkannt werde. Zur Begründung führte sie aus, sie sei im Zeitpunkt des Erlasses des Grunderwerbsteuerbescheides nicht in der Lage gewesen, den Antrag auf teilweise Befreiung von der Grunderwerbsteuer zu stellen; nach dem Kauf des Grundstücks habe sie festgestellt, daß das aufstehende Gebäude zahlreiche Mängel aufgewiesen habe, weshalb zunächst beabsichtigt gewesen sei, von dem Kaufvertrag zurückzutreten. Sie habe sich dann davon überzeugen lassen, daß es wirtschaftlich am vernünftigsten sei, nicht vom Vertrag zurückzutreten, sondern das Haus selbst zu beziehen und die festgestellten Mängel gegen die Voreigentümerin geltend zu machen. Erst im Frühjahr 1981 sei sie dann bereit gewesen, zusammen mit ihrem Mann und ihrer Mutter das Haus zu beziehen. Die im Jahre 1981 neu erwachsene Absicht sei eine neue Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 AO 1977.

Das FA lehnte den Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht die fehlerhafte Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 und § 1 Abs. 3 GrEStEigWoG geltend. Nachträglich bekanntgewordene Tatsache sei zum einen die Änderung der Einzugsabsicht bei der Klägerin, denn im Zeitpunkt der Zusendung der Antragsvordrucke hätte sie wahrheitsgemäß mitteilen müssen, daß sie wegen des beabsichtigten Vertragsrücktritts keine Absicht hatte, das erworbene Gebäude selbst zu bewohnen.

Weitere nachträglich bekanntgewordene Tatsache sei der Antrag auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides, der auf der geänderten Absicht der Klägerin beruhe; deshalb sei der Sachverhalt, der dem Antrag zugrunde liege, eine neue Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Die Ausschlußfrist des § 1 Abs. 3 GrEStEigWoG stehe dem nicht entgegen, denn die Klägerin habe den Antrag auf teilweise Befreiung bereits innerhalb dieser Frist mit dem Kaufvertrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sind Steuerbescheide aufzuheben, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden. Das FG hat zu Recht erkannt, daß diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vorlagen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStEigWoG ist der Erwerb eines Zweifamilienhauses in bestimmtem Umfang von der Grunderwerbsteuer ausgenommen, wenn mindestens eine Wohnung vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und das Zweifamilienhaus zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient. Gemäß § 1 Abs. 3 GrEStEigWoG muß der Antrag auf Steuerbefreiung bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides gestellt sein.

Kann ein Antrag nur bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides gestellt werden, so können nachträglich bekanntgewordene Tatsachen und Beweismittel schon deshalb nicht zu einer Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 führen, weil sie bei fehlender Antragstellung nicht mehr rechtserheblich sein können. Der Antrag nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides ist keine nachträglich bekanntgewordene, sondern eine nachträglich eingetretene Tatsache, die eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nicht rechtfertigt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. September 1981 II R 105/81, BFHE 134, 192, BStBl II 1982, 80).

Im Streitfall hatte die Klägerin im Kaufvertrag einen Antrag auf Steuerbefreiung gestellt. Dieser Antrag war wirksam, denn entgegen der Ansicht des FA bestehen keine gesetzlichen Anhaltspunkte dafür, daß der Antrag auf Steuerbefreiung nach dem GrEStEigWoG unter Verwendung bestimmter Formulare zu stellen ist. Das FA hat diesen Antrag jedoch nicht berücksichtigt und den Erwerbsvorgang in vollem Umfang der Grunderwerbsteuer unterworfen. Mit Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides ist die Wirkung dieses damit abgelehnten Antrages verbraucht. Der nach Unanfechtbarkeit des Grunderwerbsteuerbescheides gestellte erneute Antrag kann als nachträglich eingetretene Tatsache nicht zu einer Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 führen. Schon aus diesem Grund ist auch nicht rechtserheblich, ob und wann die Klägerin die Absicht hatte, das Zweifamilienhaus nach Maßgabe der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStEiGWoG zu verwenden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414857

BFH/NV 1987, 703

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