Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Stillhaltedollarschuld ist zum Bilanzstichtag 1945 für die Einkommensteuer mit dem Teilwert anzusetzen. Die in den EStR 1945 Ziffer 14 (StuZBl. 1946 S.46) vorgesehenen Umsatzsteuer-Umrechnungskurse von 2,50 RM je Dollar entsprechen dem Teilwert nicht. Der im Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 18/49 S. vom 26. November 1949 (Bay. FMBl. 1950 S. 33) angegebene Kurs von 5 RM je Dollar wird als angemessen angesehen.
Normenkette
EStG § 6 Ziff. 1, § 6/2, § 6 Ziff. 3
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1945 der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft (KG), die Ausfuhr und Binnengroßhandel betreibt, die Bewertung einer unter das Stillhalteabkommen fallenden Dollarschuld von 16018,42 Dollar zum 30. Juni 1945, dem Schluß des Wirtschaftsjahres 1945. Die KG hat die Schuld mit 4,20 RM je Dollar als dem zur Zeit der Schuldaufnahme maßgebenden Dollarkurs passiviert. Außerdem hat sie eine Rückstellung von 2,90 RM je Dollar gebildet. Zur Begründung dieser Rückstellung führt sie aus, daß nach den Rundfunkmeldungen mit einem Aufwand von 10 RM für einen Dollar gerechnet werden müsse. Das ergebe gegenüber dem Verfügungsbetrag einen Kursunterschied von 5,80 RM je Dollar. In der Annahme, daß für alte Währungsschulden eine günstigere Regelung getroffen werde, habe sie die Hälfte des errechneten Betrages zurückgestellt, also 2,90 RM je Dollar. Im Ergebnis will die Beschwerdeführerin (Bfin) also die Dollarschuld mit 7,10 RM (4,20 plus 2,90) je Dollar bewerten.
Die Vorbehörden haben die Rückstellung nicht zugelassen. Die Anfechtungsentscheidung beruft sich für ihre Stellungnahme auf die Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1945 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1946 S.46) , wonach bei dem Ansatz von Fremdwährungsschulden nicht der Tilgungsbetrag, sondern der Verfügungsbetrag oder der höhere Teilwert zugrunde zu legen sei. In Ziff. 14 EStR 1945 seien für die Berechnung des Teilwerts von Fremdwährungsschulden die in der Verordnung vom 15. März 1945 - Reichsanzeiger - RAnz. - Nr. 42 vom 27. März 1945, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1945 S. 69 - vorgesehenen Umsatzsteuer-Umrechnungskurse als maßgebend erklärt. Nach Festsetzung dieser Umrechnungskurse eingetretene änderungen seien nicht zu berücksichtigen. Die Regelung der Einkommensteuer-Richtlinien 1945 sei durch die Einkommensteuer-Richtlinien 1946 (StuZBl 1947 S. 319) aufrechterhalten. Der Oberfinanzpräsident lehnte ferner den sogenannten Besatzungskurs von 10 RM je Dollar und den Umrechnungskurs im Ausfuhrverkehr von 1 RM = 0,30 Dollar im Anschluß an die EStR 1946 Abschn. 54 Abs. 2 ab. Schließlich erhebt der Oberfinanzpräsident Zweifel, ob die Steuerpflichtige (Stpfl.) die Schuld ihrer Gläubigerin in effektiver Fremdwährung bezahlen müsse, da sie den Betrag nicht unmittelbar, sondern nur dann schulde, wenn die Erstschuldnerin, eine inländische Bank, nicht zahle. Aus der Eigenschaft der Schuld als Stillhalteschuld will der Oberfinanzpräsident die Ungewißheit folgern, welchen Kurs die Bfin. bei Zahlung der Schuld zugrunde zu legen habe. Dies sei eine Frage der kommenden Devisenregelung. Ebenso hänge es von der künftigen Regelung ab, ob, wann und in welcher Währung die Stillhalteschuld beglichen werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 6 Ziffer 3 mit Ziffer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Fremdwährungsverbindlichkeiten mit dem Anschaffungswert anzusetzen, das ist der Betrag, der dem Stpfl. zugeflossen ist - Gegenwert, Einstandspreis, Verfügungsbetrag -. Statt der Anschaffungskosten kann der niedrigere Teilwert angesetzt werden. Das bedeutet für Schulden, daß sich bei buchführenden Kaufleuten das Niederstwertprinzip in ein Höchstwertprinzip umwandelt. Maßgebend sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag, also dem 30. Juni 1945. Teilwert ist nach § 6 Ziffer 1 EStG der Betrag, den ein sorgfältiger Kaufmann als Erwerber des ganzen Unternehmens, das er fortzuführen beabsichtigt, im Rahmen des Gesamtpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Ein amtlicher Kurs für die Umrechnung liegt nicht vor.
Der Oberste Finanzgerichtshof hat in dem Urteil III 18/49 S vom 26. November 1949 - Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen (Bay. FMBl.) 1950 S. 33, Steuerrechtskartei (StRK) , Reichsbewertungsgesetz (RBewG) § 12 Rechtspr. 3; Finanz-Rundschau 1950 S. 38 Rechtspr. 110 - bei der Bewertung einer mit dem Verbot der Rückzahlung belasteten Dollarschuld zum 1. Januar 1946 sich mit der Annahme eines Wertes von 5 RM für einen Dollar einverstanden erklärt, weil sich dieser Ansatz noch im Rahmen eines vernünftigen Ermessens hinsichtlich des späteren Rückzahlungskurses halte. Der Oberste Finanzgerichtshof hat in diesem Urteil ferner ausgesprochen, daß der Umsatzsteuer-Umrechnungskurs von 2,50 RM für den Dollar dem Teilwert nicht entspreche. Er hat insoweit eine Bindung der Gerichte durch die Vermögensteuer-Richtlinien (VermStR) 1946 Abschnitt 10 Absatz 5 abgelehnt. Dasselbe muß gelten, wenn in den Einkommensteuer-Richtlinien die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für die Bemessung des Teilwerts als maßgebend erklärt sind. Die Grundsätze des Urteils können auch im übrigen auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Es handelt sich um eine Dollarschuld, die dem Stillhalteabkommen unterliegt. Zu Unrecht erhebt der Oberfinanzpräsident Bedenken dagegen, daß der Fremdwährungskurs zugrunde gelegt wird, weil die Stpfl. Zweitschuldnerin ist. Bei Stillhalteschulden, die über eine inländische Bank aufgenommen sind, wie im vorliegenden Fall, ist der Zweitschuldner zur Zahlung in effektiver Fremdwährung verpflichtet wie der Erstschuldner und hat diesem den Kurs zur Zeit der Zahlung zu erstatten, wenn der Erstschuldner zahlt. Es ist also für die Bewertung der Schuld des Zweitschuldners ebenso der Wert der Fremdwährungsschuld maßgebend, wie für die des Erstschuldners. Rückzahlungskurs und Rückzahlungszeitpunkt der Schuld sind bis zur allgemeinen Regelung über die Tilgung von Valutaschulden hinausgeschoben. Diese wesentliche Eigenschaft kann bei der Bewertung der Schuld nicht außer acht gelassen werden. Die Bewertung des Umrechnungskurses ist schwierig. Sie kann nur im Wege der Schätzung erfolgen. Entsprechend dem oben genannten Urteil des obersten Finanzgerichtshofs muß einerseits davon ausgegangen werden, daß der Fremdwährungsschuldner nicht vor Eintritt geordneter Währungs- und Valutaverhältnisse mit der Rückzahlung der Schuld zu rechnen hat. Er konnte darauf vertrauen, daß auch nach Freigabe des Devisenverkehrs die Abwicklung der Stillhaltekredite durch zwischenstaatliche Vereinbarungen geregelt würde, die im Rahmen der Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft und im Rahmen der Leistungsfähigkeit des einzelnen Betriebes bleiben würde. Andererseits muß die Möglichkeit berücksichtigt werden, daß die verarmte deutsche Wirtschaft auch in Zukunft mit einem höheren Wert der Auslandswährung rechnen mußte. Bei Anwendung dieser überlegungen auf den einzelnen Betrieb hat der Oberste Finanzgerichtshof dem Ermessen der Pflichtigen (Pfl.) einen gewissen Spielraum zugestanden, jedoch der Ansetzung der Schuld zu einem überhöhten Kurs widersprochen.
Da die Vorentscheidung den Begriff des Teilwerts verkannt hat, unterlag sie der Aufhebung. Die Sache ist spruchreif. Unter Anwendung der obigen grundsätzlichen Ausführungen konnte im vorliegenden Fall ein Erwerber des Unternehmens damit rechnen, daß nach Eintritt der Ausfuhrmöglichkeiten wieder Devisen verdient würden, die die Tilgung der Fremdwährungsschuld erleichtern würden. Bei der vorzunehmenden Schätzung ist von dem ursprünglichen Wert der Schuld auszugehen, den die Vorbehörden mit 4,20 RM je Dollar angenommen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Dollar auf etwa 60 v. H. seines früheren Wertes herabgesetzt wurde. Grundsätzlich abzulehnen ist der Kurs von 10 RM je Dollar, der sogenannte Besatzungskurs, wie dies bereits in der Anfechtungsentscheidung geschehen ist. Bei diesem Kurs ist offensichtlich der Wert der RM niedrig gehalten. Ebensowenig können die für den Exportverkehr geltenden Umrechnungskurse zugrunde gelegt werden. Diese bildeten lediglich einen Verrechnungsmaßstab beim Aus- und Einfuhrverkehr, stellten aber keinen objektiven Wertmaßstab für die RM im Verhältnis zu den Auslandswährungen dar. Es handelt sich um eine in effektiven Dollars oder nach dem Maßstab effektiver Dollar zu leistende Schuld. Der Umstand, daß eine Stillhalteschuld vorliegt, deren Rückzahlung hinausgeschoben ist, muß Berücksichtigung finden.
Trotzdem die künftige Regelung über die Abdeckung der Devisenschulden am Bilanzstichtag völlig im Ungewissen liegt, kann an einer Bewertung der Schuld zum Stichtag nicht vorübergegangen werden. Dem Grundsatz der EStR 1946 Abschnitt 54 Absatz 2, wegen der Schwierigkeit der Bewertung infolge des Fehlens amtlicher Kurse die Währungsschulden mit den vorhergehenden Bilanzwerten anzusetzen, kann für die erste Bewertung nach dem Zusammenbruch nicht gefolgt werden. Wie die oben genannte Entscheidung III 18/49 S ausführt, besteht die Möglichkeit, daß zum 30. Juni 1945 ein Unternehmen veräußert ist, das mit einer derartigen Stillhalteschuld belastet war, und bei dem sich die beiden Parteien über den Umrechnungskurs der Dollarschuld einigen mußten. Mit Recht hat das Urteil III 18/49 S darauf hingewiesen, daß kein Erwerber die Schuld zum Umsatzsteuer-Umrechnungskurs von 2,50 RM für den Dollar übernommen hätte. Der Senat ist der Auffassung, daß der im Urteil III 18/49 S für den 1. Januar 1946 gebilligte Betrag von 5 RM für einen Dollar allen Umständen entspricht, die zum 30. Juni 1945 zu berücksichtigen sind. Er macht den doppelten Betrag des Umsatzsteuer-Umrechnungskurses aus. Ein höherer Kurs würde nach Ansicht des Senats übertrieben sein. Die Rückstellung wird also hinsichtlich eines Betrages von 0,80 RM je Dollar als abzugsfähig zugelassen. Um den Betrag von 0,80 mal 16 018,42 Dollar = 12814,73 RM mindert sich der festgestellte einheitliche Gewinn von 39 936,36 RM auf 27 121,63 RM.
Fundstellen
Haufe-Index 407321 |
BStBl III 1952, 33 |
BFHE 1953, 82 |
BFHE 56, 82 |
BB 1952, 110 |
DB 1952, 72 |