Leitsatz (amtlich)
Läßt sich eine Brauerei bei dem Verkauf einer Gaststätte von dem Erwerber ein Bierlieferungsrecht einräumen, so bildet der gemeine Wert des Rechts einen Teil des Veräußerungsentgelts. Die Brauerei hat das Bierlieferungsrecht zu aktivieren und nach Maßgabe der Nutzungsdauer regelmäßige Absetzungen vorzunehmen.
Normenkette
EStG 1958 §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 16 Abs. 1-2
Tatbestand
Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1958, ob das Bierlieferungsrecht, das bei dem Verkauf einer einer Brauerei gehörenden Gaststätte vereinbart wurde, aktiviert werden muß und einen Teil des Veräußerungsgewinns bildet (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 16, § 34 EStG).
Revisionsbeklagte ist eine KG, die eine Brauerei betrieb. Sie verkaufte durch Vertrag vom 19. Juli 1958 ein Gaststättengrundstück an den bisherigen Pächter. Der Erwerber verpflichtete sich in einem weiteren Vertrage vom selben Tage, die Gastwirtschaft im bisherigen Umfang weiterzubetreiben und zunächst bis 31. Dezember 1968 Bier ausschließlich von der KG zu beziehen. Für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung sah der Vertrag die Rückübertragung des Anwesens vor.
Das FA aktivierte den Wert des Bierlieferungsrechts mit 8 700 DM und erhöhte um diesen Betrag den Veräußerungsgewinn. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FG gab der Berufung der KG statt. Es führte aus, daß die KG für den Erwerb des Bierlieferungsrechts keine feststellbaren Aufwendungen gemacht habe. Leistung und Gegenleistung glichen sich bei dem Bierlieferungsrecht laufend aus (Hinweis auf das Urteil des BFH I 185/57 U vom 14. Januar 1958, BFH 66, 190, BStBl III 1958, 75). Der Kaufpreis habe, wie die eingeholte gutachtliche Äußerung des Landwirtschaftsamts ergebe, in etwa dem Verkehrswert entsprochen. Entgegen der Auffassung des FA könne nicht unterstellt werden, daß die Vertragspartner mit Rücksicht auf das Bierlieferungsrecht einen niedrigeren Barpreis vereinbart hätten. Die Einräumung des Bierlieferungsrechts sei zwar die Voraussetzung gewesen, ohne die die KG zu einem Verkauf nicht bereit gewesen wäre. Auf die Höhe des Kaufpreises sei sie aber ohne Einfluß geblieben.
In seiner Rechtsbeschwerde rügt der Vorsteher des FA Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und unrichtige Rechtsanwendung. Ein laufender Ausgleich von Leistung und Gegenleistung im Sinne des BFH-Urteils I 185/57 U komme nicht in Betracht, wenn es sich um einen Verkauf, also um einen einmaligen Vorgang handele. Die Einräumung des Bierlieferungsrechts sei als zusätzliches Veräußerungsentgelt aufzufassen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines Teilbetriebs erzielt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Vorinstanz ging zutreffend davon aus, daß es sich bei der veräußerten Gastwirtschaft um einen Teilbetrieb handelte (vgl. Urteil des RFH VI 9/40 vom 14. Februar 1940, RStBl 1940, 474). Rechtsirrig ist jedoch die Bemessung des Veräußerungsgewinns durch das FG. Der Veräußerungspreis umfaßt die gesamte, in Geld oder Geldeswert bestehende Gegenleistung für die Überlassung des Betriebs (Teilbetriebs). So hat die Rechtsprechung entschieden, daß, wenn der Erwerber eine Schuld des Veräußerers übernimmt, sich der Veräußerungserlös entsprechend erhöht (vgl. BFH-Urteil IV 288/62 vom 28. September 1967, BFH 90, 324, BStBl II 1968, 76). Das gleiche muß gelten, wenn der Erwerber dem Veräußerer zusätzlich zu dem Barpreis ein Recht einräumt.
Der Umstand, daß die Einräumung des Bierlieferungsrechts die Voraussetzung des Verkaufs bildete, schließt nicht aus, daß dieses Recht ein Teil des Kaufpreises war. Die Vereinbarung über den Kaufpreis ist auch sonst stets zugleich die "Voraussetzung" für das Zustandekommen des Veräußerungsgeschäfts. Es ist unerheblich, ob bei objektiver Abwägung schon der Barpreis als eine dem Werte der Gastwirtschaft angemessene Gegenleistung angesehen werden konnte. Denn tatsächlich hat die KG mehr erlangt. Auf Grund ihrer wirtschaftlich stärkeren Position war sie in der Lage, die Höhe des Kaufpreises einschließlich der von dem Erwerber zu übernehmenden Nebenverpflichtungen zu bestimmen. Es ist im Wirtschaftsleben nicht ungewöhnlich, daß bei der Vereinbarung von Kaufpreisen neben der Berücksichtigung der gemeinen Werte auch Abhängigkeiten, Machtverhältnisse und besondere Interessen eine wesentliche Rolle spielen.
Bei dem Bierlieferungsrecht handelte es sich um ein neues, selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut (vgl. BHF-Urteil I 207/58 U vom 17. März 1959, BFH 69, 153, BStBl III 1959, 320). Es ist nicht identisch mit der bisherigen, sich aus der Eigentümerstellung der Brauerei ergebenden Möglichkeit, in ihrer Gaststätte das eigene Bier abzusetzen. Diese Absatzchance ging bisher in dem allgemeinen Geschäftswert des Brauereiunternehmens auf. In der Begründung eines selbständigen Bierlieferungsrechts lag insoweit eine im Tauschwege herbeigeführte teilweise Realisierung des Geschäftswertes. Die Auffassung des FG, daß für den Erwerb des Bierlieferungsrechts keine Aufwendungen feststellbar seien, trifft deshalb nicht zu. Die Aufwendung lag in der Übertragung des Gaststättenanwesens und in der durch sie bedingten Minderung des allgemeinen Geschäftswerts. Da es sich bei dem Bierlieferungsrecht um ein entgeltlich erworbenes immaterielles Wirtschaftsgut handelte, stehen seiner Aktivierung auch handelsrechtliche Grundsätze nicht entgegen (vgl. § 131 Abs. 1 A II Nr. 5, § 133 Abs. 2 AktG 1937, § 153 Abs. 3 AktG 1965).
Die Grundsätze des BFH-Urteils I 185/57 U können auf den Streitfall nicht angewendet werden. In der damals entschiedenen Sache unterblieb die Aktivierung, weil das Bierlieferungsrecht nicht als Teil eines Veräußerungsentgelts erworben worden war. Die Einräumung des Rechts durch die Bierabnehmer bildete die Gegenleistung dafür, daß die Brauerei das Gaststätten-Mobiliar zur Verfügung stellte. Es handelte sich somit um einen Dauernutzungsvertrag, bei dem die Mobiliarüberlassung laufend im Bierpreis vergütet wurde. Da sich Leistung und Gegenleistung laufend ausglichen, war für die Aktivierung eines Bierlieferungsrechtes kein Raum.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da das FG auf Grund seiner abweichenden Rechtsauffassung keine Feststellungen zur Bewertung des Bierlieferungsrechts traf. Das Recht ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Wegen der Höhe hatte die KG in der Vorinstanz, wenngleich nur vorsorglich, Einwendungen erhoben, deren Berechtigung das FG nunmehr nachprüfen muß. Außerdem wird das FG zu berücksichtigen haben, daß die zu ermittelnden Anschaffungskosten für das Bierlieferungsrecht auf die voraussichtliche Laufzeit dieses Rechts verteilt werden müssen (vgl. BFH-Urteil I 116/57 U vom 28. Oktober 1958, BFH 68, 633, BStBl III 1959, 242).
Fundstellen
Haufe-Index 68442 |
BStBl II 1969, 238 |
BFHE 1969, 493 |