Leitsatz (amtlich)
Für Klagen auf Gewährung von Ausfuhrvergütungen ist der Finanzrechtsweg gegeben. Die Bekanntmachungen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Gewährung der gesetzlich nicht geregelten Ausfuhrvergütung gehören zu den revisiblen Vorschriften i. S. des § 118 Abs. 1 FGO. Abschnitt III Abs. 1 der Bekanntmachung vom 7. November 1969 über die Gewährung von Vergütungen bei der Ausfuhr nach Mitgliedstaaten im Rahmen von gemeinsamen Marktorganisationen und Handelsregelungen (BZBl 1969, 1325, 1639) gilt nicht für Marktordnungswaren, für die die bei der Einfuhr erhobenen Ausgleichsabgaben aufgrund der Altkontraktsregelung im Billigkeitswege erlassen worden sind.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4, § 118 Abs. 1; ZG § 1 Abs. 3
Gründe
Die Revision ist zulässig.
§ 118 Abs. 1 FGO, wonach eine Revision nur darauf gestützt werden kann, daß das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bundesrecht beruhe, gibt zu Bedenken keinen Anlaß. Zwar stellt die Bekanntmachung vom 7. November 1969, um deren Auslegung die Beteiligten streiten und die von dem HZA in der Revisionsbegründung als verletzte Norm bezeichnet worden ist, keine Rechtsnorm, sondern eine Verwaltungsvorschrift des Bundes dar. Die Revisibilität von Verwaltungsvorschriften ist aber in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte anerkannt, wenn ihre Bedeutung über die einer bloßen Anweisung für den inneren Dienstbetrieb hinausgeht, weil sie eine im Gesetz nur allgemein festgelegte Rechtspflicht durch bestimmte und für alle gleichgelagerten Fälle allgemein geltende Regel konkretisieren und damit das Ermessen der Verwaltung mit nach außen wirkender Folge binden (Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 6. Aufl., § 63 IV 3 a; Urteile des BVerwG vom 30. April 1962 II C 56.60, Deutsches Verwaltungsblatt 1963 S. 182 ― DVBl 1963, 182 ―; vom 28. November 1963 VIII C 15.63 und 218.63, BVerwGE 17, 202 und 204).
Der BGH ist in einer späteren Entscheidung vom 29. Oktober 1969 I ZR 72/67 (Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Nr. 81 zu § 549 ZPO) über diese Rechtsprechung noch hinausgegangen, indem er die Richtlinien zur Gewährung von Flutschadenbeihilfen insoweit zu den Vorschriften im Sinne des dem § 118 Abs. 1 FGO entsprechenden § 549 Abs. 1 ZPO gerechnet hat, als sie über innerdienstliche Anweisungen an Behörden hinaus Bestimmungen enthalten, die zumindest die Einhaltung des verfassungsmäßigen Gleichheitssatzes gewährleisten sollen. Entscheidend für die Revisibilität ist demnach die Außenwirkung einer Vorschrift, die auf dem Wege über den Gleichheitssatz eine über den Einzelfall hinausgehende Selbstbindung der Verwaltung zur Folge hat.
Eine solche Außenwirkung ist durch die Bekanntmachung vom 7. November 1969 bewirkt worden. Die Verwaltung hat durch die in dieser Bekanntmachung vorgenommene Regelung der Gewährung von Ausfuhrvergütungen und ihrer Voraussetzungen eine sie bindende Zusage gegeben, jedem Antragsteller, der die in der Bekanntmachung festgelegten Voraussetzungen erfüllte, die Vergütung zu gewähren. Der Rechtsschutzgedanke gebietet es, solche allgemeinverbindlichen Willensäußerungen der Verwaltung für die Frage der revisionsrichterlichen Nachprüfung wie Rechtssätze zu behandeln. Die Auslegung der in der Bekanntmachung vom 7. November 1969 enthaltenen Willensäußerung der Verwaltung kann somit zum Gegenstand einer Revision gemacht werden.
Die Revision des HZA ist jedoch nicht begründet.
Das FG hat die Frage, ob für die Klage auf Gewährung der in der Bekanntmachung des BML vom 7. November 1969 vorgesehenen Ausfuhrvergütung der Finanzrechtsweg gegeben ist, zu Recht bejaht.
§ 8 DurchfG EWG-GRSEG eröffnet den Finanzrechtsweg für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Ausfuhrerstattungen und Berichtigungsbeträge bei der Einfuhr. Der Begriff Ausfuhrerstattungen in dieser Vorschrift kann nicht eng ausgelegt werden. Er erfaßt nicht nur die in den Grundverordnungen über die Errichtung der gemeinsamen Marktorganisationen vorgesehenen Erstattungen bei der Ausfuhr (vgl. Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 ― VO (EWG) 804/68 ― des Rates vom 27. Juni 1968, ABlEG Nr. 148/13 vom 28. Juni 1968), sondern er muß dem Sinn der Vorschrift entsprechend auch auf solche bei der Ausfuhr gezahlten Beträge Anwendung finden, die, wie die streitigen Ausfuhrvergütungen, zur Abwendung vorübergehender Störungen aufgrund einer besonderen im Recht der EWG enthaltenen Ermächtigung gewährt werden, soweit sie ihrer Funktion nach einer Ausfuhrerstattung entsprechen. Das trifft für die in der Bekanntmachung vom 7. November 1969 vorgesehenen Ausfuhrvergütungen zu, wie sich schon daraus ergibt, daß die Vergütungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern in der Form eines Zusatzbetrages zu der Ausfuhrerstattung, also als zusätzlicher Teil der Erstattung gewährt werden. Da bei der Ausfuhr nach Mitgliedstaaten die Zahlung von Erstattungen in den Grundverordnungen der gemeinsamen Marktorganisationen nicht vorgesehen war, konnte die Ausfuhrvergütung insoweit nicht in Form eines Zusatzbetrages zur Ausfuhrerstattung gewährt werden. Auch wenn die Vergütungen bei der Ausfuhr nach Mitgliedstaaten sich demnach formell nicht als Zusatzbetrag zur Erstattung darstellen, so kann das doch den Rechtsweg für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Ausfuhrvergütungen nicht berühren, da die Ausfuhrvergütungen funktionell den Erstattungen gleichstehen. Es handelt sich um marktordnungsrechtliche Maßnahmen zum Preisaugleich bei der Ausfuhr, die mit einer entsprechenden Maßnahme bei der Einfuhr korrespondieren. Für marktordnungsrechtliche Streitigkeiten dieser Art ist durch § 8 DurchfG EWG-GRSEG der Finanzrechtsweg eröffnet worden. Eine andere Auslegung müßte den Rechtsschutz auf dem Gebiete des Marktordnungsrechtes sinnlos zersplittern, der durch § 8 DurchfG EWG-GRSEG einheitlich den FG übertragen werden sollte (vgl. auch Urteil des BFH vom 14. Oktober 1975 VII R 40/74, BFHE 117, 23).
Das FG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Bestimmung des Abschn. III der Bekanntmachung vom 7. November 1969, wonach die Gewährung der Vergütung ausgeschlossen war für Waren, für die die Eingangsabgaben nach den Vorschriften des Zollrechts erstattet, erlassen oder nicht erhoben worden waren, dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegensteht.
Allerdings kann dem FG insoweit nicht gefolgt werden, als es davon ausgegangen ist, daß die bei der Einfuhr erhobenen und auf Antrag der Klägerin erstatteten Ausgleichsabgaben keine Eingangsabgaben darstellten.
§ 1 Abs. 3 ZG enthält keine allgemeine Definition des Begriffs Eingangsabgaben. In § 1 Abs. 3 ZG sind lediglich die Abgaben aufgeführt, für die die Eingangsabgabenbestimmungen des Zollgesetzes gelten (z. B. §§ 20 Abs. 3, 54 Abs. 3, 57 Abs. 7, 79 Abs. 1―3). Die Aufzählung in § 1 Abs. 3 hat somit nur Bedeutung für das Zollgesetz selbst. Unabhängig von dieser Aufzählung wird der Begriff Eingangsabgaben in einem weiteren Sinne verstanden. Eingangsabgaben sind danach öffentlich-rechtliche Abgaben, die der Deckung des Finanzbedarfs der öffentlichen Hand dienen und von eingeführten Waren anläßlich ihrer Bewegung über die Zollgrenze erhoben werden (vgl. Schwarz-Wockenfoth, Zollgesetz, Kommentar, § 80 a Anm. 2). Dieser Begriff umfaßt auch die bei der Einfuhr erhobenen und später erstatteten Ausgleichsabgaben, so daß die Voraussetzungen des Abschn. III der Bekanntmachung vom 7. November 1969 insoweit gegeben sind.
Der in Abschn. III der Bekanntmachung normierte Vergütungsausschluß greift aber dennoch nicht durch, weil die Eingangsabgaben nicht "nach den Vorschriften des Zollrechts" erstattet worden sind. Der Erstattung der Ausgleichsabgabe liegt die Altkontraktregelung (Erlaß des BdF vom 12. Dezember 1969, BZBl 1969, 1643) zugrunde, die in den Fällen, in denen Einfuhrverträge bereits vor der Aufwertung der DM währungsmäßig abgewickelt waren oder in denen vor dem Währungsstichtag die Bezahlung in DM fest vereinbart worden war, eine Erstattung der bei der Einfuhr erhobenen Ausgleichsabgabe vorsahen. Die Abgabenerstattung wurde auf § 131 AO gestützt, der nicht nur für Zölle, sondern für Abgaben allgemein Geltung hat und der deshalb nicht zu den spezifisch zollrechtlichen Vorschriften gerechnet werden kann.
Zwar greift das Zollrecht als Teil des Abgabenrechts auf eine Vielzahl von Bestimmungen zurück, die für das Abgabenrecht allgemein gelten und die deshalb auch in dem Bereich des Zollrechts Anwendung finden. Es muß aber angenommen werden, daß Abschn. III der Bekanntmachung vom 7. November 1969, wenn er von einer Erstattung, einem Erlaß oder der Nichterhebung von Eingangsabgaben "nach den Vorschriften des Zollrechts" spricht, nicht die Fälle meint, in denen die Erstattung etc. aus irgendwelchen Gründen und aufgrund von Vorschriften erfolgt, die nicht im eigentlichen Zollrecht enthalten, wenn auch auf dem Gebiet des Zollrechts anwendbar sind. Die Bekanntmachung will vielmehr die Fälle erfassen, in denen die Erstattung nach spezifisch zollrechtlichen Grundsätzen erfolgte, wie sie z. B. in § 40 ZG, § 80 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) festgelegt sind. Andernfalls wäre die Einfügung der Worte "nach den Vorschriften des Zollrechts" auch überflüssig.
Einen solchen von der Bekanntmachung erfaßten Fall enthält die auf § 131 AO gestützte Altvertragsregelung nicht. Sie bringt keine zollrechtlichen Grundsätze zum Ausdruck. Die Erstattung der Abgaben für Altkontrakte, bei denen die finanzielle Abwicklung bereits am 30. September 1969 abgeschlossen oder bei denen zu dem gleichen Stichtag ein fester Rechnungsbetrag in Deutscher Mark vereinbart war, ist nicht aus zollrechtlichen Grundsätzen, sondern ausschließlich aus der besonderen währungspolitischen Zwecksetzung der Ausgleichsabgabe zu erklären. Die Altkontraktregelung enthält demnach eine währungspolitische Regelung. Sie kann ihrem Inhalt nach nicht als zollrechtliche Vorschrift im Sinne des Abschn. III der Bekanntmachung vom 7. November 1969 angesehen werden.
Dieser Auslegung entspricht auch der Zweck des in Abschn. III der Bekanntmachung vom 7. November 1969 geregelten Ausschlußtatbestandes. Er soll Mißbräuche verhindern, die sich ergeben könnten, wenn die marktordnungsrechtliche Ausfuhrvergütung neben der zollrechtlichen Abgabenerstattung in Anspruch genommen würde. Dieser Zweck rechtfertigt aber nicht die Versagung der Vergütung für Waren, die der Altkontraktregelung unterlegen haben. Denn die Altkontraktregelung bringt nur zum Ausdruck, daß bei der Einfuhr der Ware eine Ausgleichsabgabe nicht zu erheben war, da bei dem Einfuhrgeschäft ein Aufwertungsgewinn nicht erzielt worden ist. Die Ware war auch ohne Erhebung der Ausgleichsabgabe durch den Aufwertungseffekt der DM erfaßt worden. Durch die Erstattung der Ausgleichsabgabe sollte eine zusätzliche, über die erfolgte Aufwertung hinausgehende Belastung der Ware bei der Einfuhr ausgeglichen werden. Das steht aber der Gewährung einer Vergütung für eine spätere Ausfuhr der Ware nicht entgegen, da die Ware auch ohne die Erhebung der Ausgleichsabgabe durch die Aufwertung der DM betroffen war. Die Ware durfte also bei der Ausfuhr nach dem gegebenen Normzusammenhang nicht von der Gewährung einer Vergütung ausgeschlossen werden.
Da demnach die Ausschlußtatbestände des Abschn. III der Bekanntmachung vom 7. November 1969 sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinngehalt nach Waren, für die die Ausgleichsabgaben nach der Regelung über Altkontrakte erstattet worden sind, nicht erfassen, ist die der Klägerin gewährte Ausfuhrvergütung zu Unrecht zurückgefordert worden.
Fundstellen
Haufe-Index 71858 |
BStBl II 1976, 457 |
BFHE 1976, 492 |