Entscheidungsstichwort (Thema)
AfaA und Abbruchkosten
Leitsatz (NV)
1. Wird ein im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchtes Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben und später aufgrund eines neuen Entschlusses teilweise abgebrochen, kommen neben dem Abzug von Abbruchkosten als Werbungskosten AfaA nur für die anläßlich des Umbaus entfernten Gebäudeteile in Betracht, sofern diese einen abgrenzbaren Niederschlag in den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gefunden haben und ihr Wert nicht von untergeordneter Bedeutung ist.
2. Den bei einer Umgestaltung des Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dessen Anschaffung für eine Umbauabsicht sprechenden Beweis des ersten Anscheins kann der Steuerpflichtige durch den Gegenbeweis entkräften, z. B., daß es zu dem Abbruch erst aufgrund eines ungewöhnlichen, nicht typischen Geschehensablaufs gekommen ist.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 5, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben durch notariellen Vertrag vom 3. Februar 1988 als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu je 50 v. H. ein Grundstück mit einem 1969 errichteten Bürogebäude zum Preise von 15 Mio. DM. 2 083 qm des Gebäudes waren an X zu 18,63 DM/qm und 2 626,50 qm an Y zu 18,50 DM/qm (jeweils pro Monat zuzüglich Nebenkosten) vermietet.
Ein auf der Grundlage dieser Mietverträge im Februar 1988 erstelltes Gutachten gab den Wert des bebauten Grundstücks mit insgesamt 15 709 376 DM (8 393 376 DM Gebäude, 7 316 000 DM Grundstück) an und kam zu dem Ergebnis, das Objekt sei jederzeit zu marktkonformen Preisen vermietbar sowie unter Ertragsgesichtspunkten verkäuflich.
Der Mietvertrag mit X endete zum 30. April 1987 und verlängerte sich jeweils um ein Jahr, wenn nicht eine der Parteien spätestens 12 Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widersprach. Durch Schreiben vom 25. April 1989 teilten die Kläger, denen in §5 Nr. 1 des Grundstückskaufvertrages ein solches Recht eingeräumt war, X mit, es werde nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Mietverhältnis zum 30. April 1990 ende.
Im IV. Quartal 1989 boten die Kläger D über einen Makler Büroräume zur Miete an. Zum Abschluß eines Mietvertrages kam es jedoch nicht. Die D teilte hierzu -- auf eine entsprechende Anfrage des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt -- FA --) im Vorverfahren -- mit, sie sei am Anmieten des seinerzeit besichtigten Objektes interessiert gewesen. Ihr damals bestehender dringender Raumbedarf habe es jedoch nicht zugelassen, die vom Eigentümer vorgesehenen umfangreichen Sanierungsarbeiten abzuwarten; deshalb habe sie sich für ein anderes Objekt entschieden.
Im Dezember 1989 stellten die Kläger einen Bauantrag für eine Gebäudesanierung einschließlich Fassadenerneuerung und der Errichtung eines Anbaus.
Im Januar 1990 bestätigten die Kläger Y, sie seien mit ihr übereingekommen, das bis zum 31. August 1996 (mit einer Option der Mieterin auf Verlängerung um zweimal fünf Jahre) laufende Mietverhältnis vorzeitig zu lösen.
Im September 1990 erhielten die Kläger die Baugenehmigung für die geplanten Baumaßnahmen. Im Rahmen der durchgeführten Sanierung wurde das Gebäude bis auf den Rohbau entkernt, Sanitär- und Heizungsanlagen, Strom- und Wasserversorgungsleitungen sowie Aufzüge wurden erneuert und die bisherige Waschbetonfassade durch eine Natursteinfassade ersetzt. Ein Gebäudeteil wurde abgerissen und statt dessen ein zweigeschossiger Anbau neu errichtet. Die Kosten von insgesamt rd. 18 Mio. DM finanzierten die Kläger -- wie zuvor schon den Kaufpreis -- durch ein Darlehen. Nach Abschluß der Modernisierungsarbeiten vermieteten sie die Büroräume zu Mietpreisen zwischen 60 DM und 70 DM je qm.
In ihrer Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Streitjahres 1990 machten die Kläger u. a. Abbruchkosten in Höhe von 496 022 DM sowie Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) in Höhe von 3 543 178 DM als Werbungskosten geltend.
Das FA versagte die AfaA und rechnete die Abbruchkosten den Herstellungskosten des Gebäudes zu. Die Kläger hätten das bebaute Grundstück bereits in Sanierungsabsicht erworben. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) in den Streitpunkten statt. Nach dem durch die Beweisaufnahme bestätigten Vortrag der Kläger stehe zur Überzeugung des FG fest, daß die Kläger beim Grundstückserwerb noch nicht die Absicht gehabt hätten, das vorhandene Gebäude teilweise abzureißen und grundlegend zu sanieren.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Vorinstanz sei von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Juli 1980 VIII R 176/78 (BFHE 131, 310, BStBl II 1980, 743) und vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76 (BFHE 134, 41, BStBl II 1981, 161) abgewichen und habe das BFH-Urteil vom 10. Mai 1994 IX R 26/89 (BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902) unberücksichtigt gelassen.
Außerdem habe das FG den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt (Verstoß gegen §76 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Nach Lage der Akten und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hätte sich ihm -- auch ohne entsprechende Beweisanträge des FA -- über die durchgeführte Beweisaufnahme hinaus die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen aufdrängen müssen. Zu den noch klärungsbedürftigen Fragen müsse das FG die vom FA in der Revision benannten Zeugen vernehmen.
Darüber hinaus habe das FG bei der Ermittlung des Vermietungsverlustes die von den Klägern beanspruchte AfaA berücksichtigt, ohne sie um die vom FA bereits gewährte Absetzung für Abnutzung (AfA) zu kürzen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat zwar zutreffend die Abbruchkosten und die AfaA im Streitjahr in voller Höhe zum Abzug zugelassen. Es hat jedoch nicht geprüft, welche Auswirkungen sich durch die Berücksichtigung der AfaA auf die vom FA angesetzte Gebäude-AfA ergeben.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können gemäß §7 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr gültigen Fassung bei Gebäuden AfaA vorgenommen und gemäß §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn ein im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchtes Gebäude ohne Abbruchabsicht erworben und später aufgrund eines neuen Entschlusses abgebrochen und umgebaut wird. Geschieht dies -- wie im Streitfall -- nur teilweise, so kommen neben dem Abzug von Abbruchkosten als Werbungskosten AfaA nur für Gebäudeteile in Betracht, die anläßlich des Umbaus entfernt werden, sofern beim Erwerb keine Umbauabsicht bestand, diese Teile einen abgrenzbaren Niederschlag in den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gefunden haben und ihr Wert nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist; dabei entspricht der Wert eines entfernten Gebäudeteils dem auf ihn entfallenden Anteil an der AfaA-Bemessungsgrundlage (Senatsurteil vom 15. Oktober 1996 IX R 2/93, BFHE 182, 41, BStBl II 1997, 325, m. w. N.).
Wird ein Gebäude hingegen bereits in der Absicht erworben, es ganz (oder teilweise) abzubrechen und anschließend grundlegend umzubauen, gehört der anteilige Restwert der entfernten Gebäudeteile zu den Herstellungskosten des neu gestalteten (umgebauten) Gebäudes. Bei einer Umgestaltung des Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dessen Anschaffung spricht ein Beweis des ersten Anscheins für eine Umbauabsicht (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, unter D. III. 2.; Senatsurteil in BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902). Der Steuerpflichtige kann diesen Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis entkräften, z. B., daß es zu dem Abbruch erst aufgrund eines ungewöhnlichen, nicht typischen Geschehensablaufs gekommen ist (vgl. Beschluß in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, unter D. III. 2.).
2. Das FG ist unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhaltes zu dem Ergebnis gekommen, die Kläger hätten beim Erwerb des Grundstücks noch nicht die Absicht zum Teilabbruch und zur grundlegenden Sanierung des aufstehenden Gebäudes gehabt. Das FA macht zu Unrecht geltend, die Vorinstanz habe hierbei das Urteil des Senats in BFHE 175, 55, BStBl II 1994, 902 nicht beachtet.
Unerheblich ist auch, daß das FG -- zu Unrecht -- als eine zusätzliche Voraussetzung für die Gewährung der AfaA im Streitfall die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit bzw. geminderte Rentabilität des Gebäudes angenommen hat. Die vom FA gerügte Abweichung der Vorentscheidung von den Urteilen in BFHE 131, 310, BStBl II 1980, 743, und BFHE 134, 41, BStBl II 1981, 161, ergibt sich daraus nicht. Im Streitfall geht es nicht um die in den genannten BFH-Urteilen angesprochene Frage, ob eine AfaA ohne Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz nur wegen schlechterer Vermietbarkeit eines Gebäudes in Anspruch genommen werden kann. Das FG hat die der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitige AfaA nur für die im Zuge der Sanierungsmaßnahmen entfernten Gebäudeteile gewährt. Hierfür war allein entscheidend, ob Abbruchabsicht bestanden hat.
3. Die unter tatsächlicher Würdigung der Umstände des Streitfalls gewonnene Auffassung des FG, die Kläger hätten das Grundstück nicht bereits in der Absicht erworben, das aufstehende Gebäude teilweise abzureißen und grundlegend zu sanieren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat ist gemäß §118 Abs. 2 FGO an diese -- mögliche -- Beurteilung der Vorinstanz gebunden, da sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist (ständige Rechtsprechung; Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §118 Anm. 40 sowie Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §118 FGO Tz. 55).
Das FG konnte zu seiner Schlußfolgerung nach dem von den Klägern vorgetragenen Sachverhalt und dem Ergebnis der Beweisaufnahme kommen. Denn danach war für die Kläger beim Erwerb des Grundstücks nicht vorhersehbar, daß der langfristige, mehr als die Hälfte der Bürofläche des Gebäudes betreffende Mietvertrag mit Y auf deren Betreiben Anfang 1990 aufgelöst wurde. Das FA hat gegen diese Feststellungen des FG keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben. Soweit das FA mit der Revision geltend macht, es sei unglaubhaft, daß der Zeuge A aus eigener Initiative den bestehenden Mietvertrag aufgelöst und für Y neue Räume in einem anderen Objekt der Kläger angemietet habe, weil ein wirtschaftlich denkender Kaufmann dies nicht getan hätte, wendet sich das FA nur gegen die Beweiswürdigung des FG und ersetzt diese durch seine eigene, ohne einen Verfahrensverstoß darzulegen. Die Würdigung des FG bleibt trotzdem möglich. Daß diese zwingend ist, ist für die Bindung nach §118 Abs. 2 FGO nicht erforderlich (Gräber/Ruban, a.a.O., m. w. N.).
Geht man von der Rechtsauffassung des FG aus, ist auch nachvollziehbar, daß dieses zur Frage der Auflösung des Mietvertrages mit X und dem -- von den Klägern vorgetragenen -- erfolglosen Versuch einer Neuvermietung der frei werdenden Räume nur den von den Klägern als Makler beauftragten Zeugen B gehört hat. Wenn die Kläger beim Grundstückserwerb von einer langfristigen Bindung an den Mietvertrag mit Y ausgingen und -- wie das FG zugrunde gelegt hat -- bei einer Verlängerung des Mietvertrages mit X zu einer Monatsmiete von 21 DM/qm die Einnahmen aus dem Grundstück ihre Aufwendungen zumindest gedeckt hätten, konnte das FG nach der Vernehmung des Zeugen B ohne Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zu dem Ergebnis kommen, die Kläger hätten den Entschluß zum Teilabriß und der grundlegenden Sanierung des Gebäudes erst nach dem Scheitern der Neuvermietung und damit aufgrund eines atypischen Geschehensablaufes gefaßt; auch an diese -- angesichts der vom FA bereits im finanzgerichtlichen Verfahren aufgezeigten weiteren Ungereimtheiten des Sachverhaltes -- nicht zwingende, aber zumindest mögliche Würdigung des Sachverhaltes ist der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen des FA gemäß §118 Abs. 2 FGO gebunden.
Mit seinen erstmals in der Revision gestellten Beweisanträgen kann das FA nicht gehört werden. Es hätte die nach seiner Ansicht unzureichenden Ermittlungen der Vorinstanz bereits im Verfahren vor dem FG näher beanstanden und dort entsprechende Beweisanträge stellen müssen.
4. Die angefochtene Entscheidung kann jedoch keinen Bestand haben, weil das FG nicht geprüft hat, ob sich -- wie das FA mit der Revision geltend macht -- aus der Gewährung der AfaA Änderungen hinsichtlich der Gebäude-AfA ergeben. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück, damit dieses die entsprechenden Feststellungen nachholt.
Fundstellen
Haufe-Index 67593 |
BFH/NV 1998, 1080 |
DStRE 1998, 506 |