Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Zustellung an einen Steuerpflichtigen, der außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes wohnt, nicht ausführbar, ist eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erst zulässig, wenn er auf Verlangen des FA keinen Zustellungsbevollmächtigten im Inland benannt hat.
2. ...
Normenkette
AO § 89; VwZG §§ 9, 14-15, 17
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ließ am 8. Mai 1967 beim ZA X 6 Millionen Zigaretten zum Zollgutversand an das ZA Y abfertigen. Die Zigaretten wurden weder beim ZA Y noch bei einem anderen deutschen ZA im Rahmen des Versandscheinverfahrens wiedergestellt.
Das ZA forderte deshalb durch zwei Steuerbescheide vom 9. Juli 1968 insgesamt 660 000 DM Eingangsabgaben vom Kläger an. Der Berechnung der Abgaben legte das ZA nach § 40 der Durchführungsbestimmungen zum Tabaksteuergesetz (TabStDB) a. F. den pauschalierten Abgabensatz von 0,11 DM je Zigarette zugrunde.
Das ZA stellte die Steuerbescheide durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 15 VwZG zu. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (HZA) verwarf den Einspruch als unzulässig, weil der Rechtsbehelf verspätet eingelegt worden sei und Gründe für die Gewährung von Nachsicht nicht vorlägen. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, daß der Einspruch zwar nicht verspätet eingelegt worden sei, daß aber die Steuerbescheide materiell nicht fehlerhaft seien.
Mit seiner Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung, den Einspruchsbescheid und die Steuerbescheide ersatzlos aufzuheben.
Der Kläger macht in prozessualer Hinsicht geltend, daß die öffentliche Zustellung nicht zulässig gewesen, der Einspruch daher rechtzeitig eingelegt worden sei. Das ZA hätte den Weg des § 89 AO beschreiten müssen. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung sei der letzte Weg.
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Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es macht geltend, daß die Klage vom FG aus prozessualen Gründen hätte abgewiesen werden müssen, weil die Einspruchsfrist nicht gewahrt gewesen sei. Die öffentliche Zustellung sei zulässig gewesen, weil die Zustellung in der Schweiz infolge fehlender Rechtshilfevereinbarung unausführbar gewesen sei. Die Ausführungen des FG zu § 15 VwZG, § 89 AO gingen fehl. Die Auffassung des FG, daß die Verwaltung nach § 15 Abs. 1 VwZG öffentlich nur dann zustellen dürfe, wenn eine Zustellung nach § 89 AO im Einzelfall nicht möglich sein sollte, träfe nicht zu, denn der Gesetzeswortlaut des § 89 AO habe keine zwingende Verpflichtung zum Inhalt, daß das HZA den Steuerpflichtigen auf die Bestellung eines Vertreters im Inland hinweisen müsse.
Diese Vorschrift zeige lediglich die Auswirkungen für den Fall auf, daß der Steuerpflichtige nicht dazu aufgefordert und der Vertreter auch nicht freiwillig bestellt worden sei, d. h. die den § 15 VwZG ergänzende Bestimmung des § 89 AO finde keine Anwendung.
Ein Zollbescheid könne mündlich oder schriftlich erteilt werden, bedürfe also keiner Zustellung. § 211 AO betreffe nur Steuerbescheide, die nach dem Gesetz schriftlich zu erteilen seien. Im Streitfalle hätte zum Wirksamwerden der Bescheide die einfache Bekanntgabe, also die Zusendung durch einfachen Brief genügt.
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Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Zutreffend hat das FG die Auffassung vertreten, daß der Kläger den Einspruch nicht verspätet eingelegt hat, weil es an einer wirksamen Zustellung der Nachforderungsbescheide fehlt (§ 91 Abs. 1 AO), die Rechtsbehelfsfrist also nicht zu laufen begonnen hatte. Das ZA hat für die Zustellung die Form der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 15 VwZG gewählt, da der Kläger in Z in der Schweiz wohnt. Nach § 15 Abs. 1 Buchst. c VwZG kann ein Bescheid durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn die Zustellung außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erfolgen müßte, aber unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht. Die öffentliche Zustellung ist das letzte Mittel der Bekanntgabe und daher erst zulässig, wenn alle anderen Möglichkeiten, das Schriftstück dem Empfänger zu übermitteln, erschöpft sind (vgl. Urteil des BFH vom 13. November 1964 VI 77/63 U, BFHE 81, 215, BStBl III 1965, 76). Gemäß § 14 Abs. 1 VwZG wird die Zustellung im Ausland mittels Ersuchens der zuständigen Behörde des fremden Staates oder der in diesem Staate befindlichen konsularischen oder diplomatischen Vertretungen des Bundes zugestellt. Da, wie das FG unbestritten ausführt, die Schweizer Behörden keine Amtshilfe bei der Zustellung in Steuersachen leisten - in der Einspruchsentscheidung heißt es, daß nach einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes die eidgenössischen Behörden die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Bern gebeten haben, Zustellungen in Fiskalsachen im Gebiet der gesamten Schweiz zu unterlassen -, so hätte das ZA den Kläger gemäß § 89 AO auffordern müssen, einen Zustellungsbevollmächtigten in der BRD zu bestellen. Wäre er dieser Aufforderung nicht gefolgt, wäre eine öffentliche Zustellung nicht mehr erforderlich gewesen, weil ein Schriftstück in einem solchen Fall mit der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, selbst wenn es als unbestellbar zurückkommt. Das ZA konnte nicht deswegen von einer Aufforderung nach § 89 AO absehen, weil der Kläger gegenüber der Zollfahndungsstelle erklärt hatte, er könne keinen Zustellungsbevollmächtigten benennen. Denn einmal waren das ZA und die Zollfahndungsstelle verschiedene Behörden, worauf das FG zutreffend hinweist, zum anderen konnten sich in der Zwischenzeit (10. Mai bis 9. Juli 1968) die Verhältnisse geändert haben. Der Kläger behauptet nunmehr, daß er in der Lage gewesen wäre, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.
Der Einwand des HZA, die Steuerbescheide hätten dem Kläger auch durch einfachen Brief zugesandt werden können, ist nicht stichhaltig. Das ZA hat nicht den Weg der Zusendung durch einfachen Brief gemäß § 17 Abs. 1 VwZG gewählt, offensichtlich, weil bei einer solchen Zusendung in die Schweiz Beweisschwierigkeiten zu erwarten waren. Gemäß § 17 Abs. 2 VwZG hat nämlich im Zweifel die Behörde den Zugang der Schriftstükke und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Daß das ZA dem Kläger mit der Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung auch Durchschriften der beiden Steuerbescheide übersandt hat, bedeutet nicht neben der öffentlichen Zustellung auch noch eine Bekanntgabe gemäß § 17 Abs. 1 VwZG, zumal das ZA dem Kläger gleichzeitig mitgeteilt hat, daß nur die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung rechtliche Wirkung hat.
Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß die angefochtenen Steuerbescheide rechtmäßig sind. ...
Fundstellen
Haufe-Index 70500 |
BStBl II 1973, 644 |
BFHE 1973, 213 |