Entscheidungsstichwort (Thema)
Güterfernverkehrsgenehmigungen als immaterielle Wirtschaftsgüter
Leitsatz (NV)
Entgeltlich erworbene Güterfernverkehrsgenehmigungen sind auch nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG vom 9. Juli 1979 (BGBl I 1979, 960) selbständig bewertbare immaterielle Wirtschaftsgüter (vgl. Senatsurteil vom 10. August 1989 X R 176-177/87, BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2; GüKG § 10 Abs. 3-4
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb im Streitjahr 1979 ein Speditionsunternehmen. Er ermittelte seinen Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In den Jahren 1958 und 1977 hatte er zwei Güterfernverkehrsgenehmigungen (im folgenden: Konzessionen) gegen Entgelt erworben. Die Anschaffungskosten aktivierte er in seinen Jahresabschlüssen als ,,Konzessionen". Im Streitjahr beanspruchte er eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert von jeweils 1 DM. Dies begründete er damit, daß nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) vom 9. Juli 1979 (BGBl I 1979, 960) eine entgeltliche Veräußerung von Konzessionen rechtlich unzulässig und praktisch unmöglich sei.
Im Anschluß an eine Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Teilwertabschreibungen nicht an. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert sei rechtlich zulässig. Nach der Unterbindung des Handels mit Konzessionen durch die Neufassung des GüKG könne der Kläger die ihm erteilte Genehmigung nicht mehr gegen Entgelt auf einen Dritten übertragen; ein gedachter Erwerber würde für eine Konzession kein Entgelt mehr zahlen. Auch in dem durch § 10 Abs. 4 GüKG n. F. geregelten Falle einer Übertragung des Betriebes im Ganzen sei die Zahlung eines ,,gesonderten Betrages" für die Konzession unzulässig.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger tragen vor, nach Auskunft der für ihren Betrieb zuständigen Bezirksregierung wache diese darüber, daß auch beim Erwerb eines Speditionsunternehmens im Ganzen für die einzelnen Konzessionen kein Entgelt gezahlt werde. Ein von der Bezirksregierung und der Industrie- und Handelskammer bestellter neutraler Sachverständiger habe zu prüfen, ,,ob und in welchem Umfang über den Wert des Unternehmens hinaus vom Erwerber ein Betrag gezahlt werde, der als zusätzliches Entgelt für die Genehmigung angesehen werden" müsse. Bei einem Verstoß gegen Gesetz und Verwaltungsvorschriften würden die Konzessionen ersatzlos eingezogen und neu ausgeschrieben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Urteil vom 22. März 1989 II R 15/86 (BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644) zum Begriff des Wirtschaftsguts i. S. des § 95 des Bewertungsgesetzes (BewG) entschieden, daß auch nach dem Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Oktober 1975 1 BvL 35/70 u. a. (BVerfGE 40, 196, 232) und nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG die entgeltlich erworbenen Konzessionen weiterhin selbständig bewertbar waren. Auch gemäß § 10 Abs. 4 GüKG i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 9. Juli 1979 bestehe die Möglichkeit, ,,zur Weiterführung eines Unternehmens oder eines selbständigen, abgrenzbaren Unternehmensteils im Einzelfall unter Anlegung eines strengen Maßstabes" die Konzession zusammen mit dem Betrieb einer Spedition zu veräußern bzw. zu erwerben. Für den Ansatz als Wirtschaftsgut i. S. des § 95 BewG komme es nicht darauf an, ob die Konzession im Rahmen eines Verkaufs des Unternehmens bei der Ermittlung des Kaufpreises einzeln bewertet würde. Es genüge, daß die Bewertung möglich sei. Hiervon sei bei der Veräußerung eines Speditionsunternehmens auszugehen, ,,da die Höhe des Kaufpreises entscheidend vom Vorhandensein einer oder mehrerer Güterfernverkehrsgenehmigungen abhängig (sei) und dieser maßgeblich vom Bestehen der Güterfernverkehrsgenehmigungen beeinflußt (werde)".
Dem haben sich der erkennende Senat im Urteil vom 10. August 1989 X R 176-177/87 (BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15) und der IV. Senat des BFH im Urteil vom 10. Mai 1990 IV R 41/89 (nicht veröffentlicht) für die Auslegung der §§ 4 ff. EStG mit der Begründung angeschlossen, zwischen Bewertungs- und Ertragsteuerrecht bestehe Übereinstimmung darin, daß der Begriff des immateriellen Wirtschaftsguts die selbständige Bewertbarkeit voraussetze. Die Konzessionen könnten, wenn auch nur in gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen, entgeltlich übertragen werden. In diesen Fällen erwerbe der Rechtsnachfolger die mit der Wahrnehmung der Konzession verbundenen Gewinnchancen. Diese seien auch nach der hier einschlägigen Novellierung des GüKG bewertbar, da die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die bei dem zuvor praktizierten ,,Handel mit Konzessionen" die Findung eines Entgelts für die Konzessionen beeinflußt hätten, sich durch die neue Rechtslage nicht geändert hätten.
Hieran hält der Senat fest. Auch bei der Bewertung von Unternehmen im Rahmen des von der Bezirksregierung praktizierten Verwaltungsverfahrens sind die Gewinnchancen insofern von Bedeutung, als der Ertragswert - zu 75 v. H. neben dem Substanzwert - in den Wert des Unternehmens eingeht. Ein Unternehmen, das die Konzession und damit die Chance, auf dem kontingentierten Markt des Güterfernverkehrs Gewinne erzielen zu können, verloren hat, hätte nur noch einen Liquidationswert. Die im Rahmen der Unternehmensbewertung bezifferbaren Gewinnchancen können - bezogen auf die Verhältnisse zum Stichtag 31. Dezember 1979 - der Konzession zugeordnet werden. Soweit die Kläger - außerhalb der Revisionsbegründungsfrist - darauf hinweisen, daß die Bezirksregierung den Erwerb der Konzession . . . nicht genehmigt hat, ist zu bemerken: Der Antrag auf Übertragung der Konzession ist abgelehnt worden, weil das Speditionsunternehmen . . . nach ,,Unternehmensgröße, Art des Kundenstamms, Fahrzeugalter, jährlicher Umsatz und jährlichem Ertrag" keinen ,,Firmenwert als unabdingbare Voraussetzung für eine positive Entscheidung" gehabt habe. Die Begründung dieser Einzelfallentscheidung läßt erkennen, daß auch die Bezirksregierung die Übertragung der Konzessionen zusammen mit einem Betrieb grundsätzlich für möglich hält.
Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich sein Urteil auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend darstellt, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die spruchreife Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417689 |
BFH/NV 1991, 529 |