Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Bauunternehmen müssen die auf Anzahlungen für nicht vollendete Bauten entrichtete Umsatzsteuer grundsätzlich aktivieren.
Normenkette
EStG §§ 5, 6/1/2; AktG §§ 131, 133
Tatbestand
Die Steuerpflichtige betreibt in der Form einer GmbH ein Baugeschäft und zahlt die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten. Die auf Anzahlungen für nicht vollendete Bauten entrichtete Umsatzsteuer buchte sie als laufende Betriebsausgabe des Wirtschaftsjahres der Zahlung oder der Entstehung der Steuerschuld. Das Finanzamt aktivierte die Steuerzahlungen als Rechnungsabgrenzungsposten, deren Höhe und Verhältnis zu den von dem Finanzamt festgestellten Einkommen der mit den Wirtschaftsjahren übereinstimmenden Veranlagungszeiträume II/1948-1953 sich aus der folgenden Gegenüberstellung ergibt:
Veranlagungs = zeiträume II/1948-1949 - 1950 - - 1951 - - 1952 - - 1953 Einkommen 19.600 22.200 12.600 42.000 132.00 Rechnungs = abgrenzungs = posten 11.600 5.200 22.900 60.000 80.000Die GmbH ist der Auffassung, daß die auf Anzahlungen zu entrichtende Umsatzsteuer nicht zu den aktivierungspflichtigen Herstellungskosten der nicht vollendeten Bauten, sondern zu den Vertriebskosten gehöre und daß das Verbot der Aktivierung von Vertriebskosten als Herstellungskosten auch der Bildung aktiver Rechnungsabgrenzungsposten entgegenstehe. Es handle sich sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich um einen Aufwand des Wirtschaftsjahres der Entstehung der Steuerschuld, der auf einem Leistungsaustausch dieses Wirtschaftsjahrs beruhe und mit der künftigen Abrechnung der noch nicht vollendeten Bauten auch deshalb nicht in Verbindung gebracht werden dürfe, weil die Erzielung eines Gewinns noch ungewiß sei. Eine Aktivierung verstoße deshalb auch gegen das Gebot vorsichtiger Bilanzierung.
Das Finanzamt legt dagegen entscheidendes Gewicht auf den Charakter der Umsatzsteuer als Erlösschmälerung und auf das aus der dynamischen Bilanzbetrachtung sich ergebende Verursachungsprinzip. Danach stehe die Umsatzsteuer mit dem in künftigen Wirtschaftsjahren realisierten Erlös in wirtschaftlichem Zusammenhang und müsse deshalb als Schmälerung des Ertrags dieser Wirtschaftsjahre behandelt werden. Eine andere Auffassung würde zu einer nicht verständlichen unterschiedlichen Auswirkung der Umsatzsteuer in den Fällen der Soll- und Ist-Besteuerung führen.
Das Finanzgericht gab der GmbH recht. Die Umsatzsteuer sei sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich als Belastung des Wirtschaftsjahrs der Anzahlung anzusehen, weil der Unternehmer mit der Herstellung der halbfertigen Bauten und der Bauherr mit der Anzahlung einen Teil ihrer vertraglichen Leistungen erfüllt hätten und damit ein gewisser Abschluß erreicht worden sei. Bei der Bilanzierung von Rechnungsabgrenzungsposten sei Zurückhaltung geboten. Eine Pflicht zur Abgrenzung bestehe nur dort, wo bei objektiver Betrachtung ein erkennbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Aufwand und dem späteren Ertrag bestehe. Das sei hier nicht der Fall.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und hat sich der Auffassung des Finanzamts angeschlossen. Im Interesse einer zutreffenden Erfolgsabgrenzung müßten, so führt er aus, grundsätzlich alle Aufwendungen aktiviert werden, die wirtschaftlich einwandfrei Belastungen eines Ertrags darstellten, der erst in späteren Wirtschaftsjahren ausgewiesen werde. Das müsse insbesondere dann gelten, wenn die Aufwendungen so hoch seien, daß ihre Abgrenzung für die richtige Periodengewinnbesteuerung erhebliche Bedeutung gewinne, und wenn die Belastung der späteren Erträge klar abgrenzbar und zuverlässig bestimmbar sei. Er bezieht sich hierbei insbesondere auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 255/53 U vom 28. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 516, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 109), IV 510/53 U vom 25. August 1955 (Slg. Bd. 61 S. 284, BStBl 1955 III S. 307) und I 46/57 U vom 13. August 1957 (Slg. Bd. 65 S. 307, BStBl 1957 III S. 350). Für die Bewertung seien die Grundsätze der dynamischen Bilanzauffassung von wesentlicher Bedeutung. Die Rechtsprechung sei immer mehr dazu übergegangen, diese Bilanzauffassung als Grundlage für die Bewertung anzuerkennen (siehe im einzelnen: Steuerberater-Jahrbuch 1954/1955 S. 19 ff). Besonders deutlich komme dies auch in der Entscheidung IV 510/53 U vom 25. August 1955 bei der Frage der Bilanzierung der noch nicht abgewickelten Geschäfte des Handelsvertreters zum Ausdruck. In diesem Streitfall sei die richtige Periodenabgrenzung in vollem Umfange dadurch erreicht worden, daß in Höhe der Aufwendungen des Handelsvertreters ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut angenommen worden sei. Nach der Rechtsprechung seien bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter nicht nur Sachen, sondern auch rechtliche und tatsächliche Zustände, die im wirtschaftlichen Verkehr nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbar seien. Zur Frage des Wirtschaftsgutes verweist der Bundesminister der Finanzen im einzelnen auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 46/57 U vom 13. August 1957. Des weiteren führt er folgendes aus:
"Ich bin der Auffassung, daß im Interesse einer zutreffenden Periodengewinnbesteuerung über die von der Entscheidung I 46/57 U erfaßten Fälle hinaus Aufwendungen auch dann abgegrenzt werden müssen, wenn diese Aufwendungen wirtschaftlich einwandfrei Belastungen eines Ertrages darstellen, der erst in einem späteren Wirtschaftsjahr ausgewiesen werden kann. Das muß insbesondere dann gelten, wenn die fraglichen Aufwendungen so hoch sind, daß ihre Abgrenzung für die richtige Periodengewinnbesteuerung von wesentlicher Bedeutung ist. Voraussetzung für die Abgrenzung muß allerdings auch hier mit Rücksicht auf den für den Kaufmann bei der Bilanzierung zu beachtenden Grundsatz der Vorsicht sein, daß diese Aufwendungen im Hinblick auf die Belastung des späteren Ertrages klar abgrenzbar und zuverlässig bestimmbar sind.
Eine hiervon abweichende Behandlung wird nur dann Platz greifen können, wenn bereits nach den am Bilanzstichtag gegebenen Verhältnissen damit zu rechnen ist, daß das Geschäft unter Einbeziehung der gewinnunabhängigen Umsatzsteuer zu einem Verlust führen wird (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 118/55 U vom 3. Juli 1956, BStBl III S. 248)".
"Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen gezahlter Umsatzsteuer und dem ggf. erst später auszuweisenden Ertrag ergibt sich auch aus der Kalkulation des Unternehmers. Es bedarf keines Beweises, daß der Unternehmer stets bestrebt ist, für seine Leistung ein Entgelt zu erhalten, das auch die zu entrichtende Umsatzsteuer deckt. Hieraus ergibt sich, daß auch der Unternehmer selbst die Umsatzsteuerbelastung in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Gesamterfolg des zugrunde liegenden Geschäfts sieht".
Eine andersartige Auffassung führe hinsichtlich der Aufwandsverteilung zu ungerechtfertigten Unterschieden dort, wo der Umsatz nach den Ist- und nach den Soll-Einnahmen versteuert werde. Auch § 133 Abs. 1 Ziff. 3 letzter Halbsatz des Aktiengesetzes führe zu keinem anderen Ergebnis. Er habe die Bemessung der Anschaffungs- und Herstellungskosten bei den in § 131 Abs. 1 A II Nr. 1 - 4 und A III genannten Wirtschaftsgütern zum Gegenstand. Im vorliegenden Fall handle es sich um Rechnungsabgrenzungsposten im Sinne des § 131 Abs. 1 A IV des Aktiengesetzes. Wenn auch die Umsatzsteuer zu den Vertriebskosten zu rechnen sei, so ergebe sich doch aus dem Verbot sie zu den Herstellungskosten zu rechnen, nicht, daß sie in keinem Fall aktiviert werden dürfe. Das zeige die Aktivierung von Reklamekosten. Mit der Bilanzierung von Vertriebskosten unter dem Gesichtspunkt der Rechnungsabgrenzung habe das Verbot der Aktivierung als Herstellungskosten nichts zu tun.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Die Umsatzsteuer auf Anzahlungen von Bauten, die am Bilanzstichtag von dem Bauherrn noch nicht abgenommen sind, stellen Aufwendungen dar, die mit einem gegenseitigen Vertrag im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, der am Bilanzstichtag von keiner Seite voll erfüllt ist. Da der Gewinn aus einem solchen gegenseitigen Vertrag erst in einem späteren Wirtschaftsjahr verwirklicht wird, müssen zu einer betriebswirtschaftlich richtigen Erfolgsabgrenzung die von der Rechtsprechung für die Bilanzierung schwebender Verträge allgemein aufgestellten Grundsätze beachtet werden. Es müssen insbesondere die aus diesem Vertrag sich ergebenden Anzahlungen des Bauherrn passiviert und die Aufwendungen auf die noch nicht abgenommenen Bauten aktiviert werden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 84/56 U vom 18. Dezember 1956, Slg. Bd. 64 S. 70, BStBl 1957 III S. 27). Zu den aktivierungspflichtigen Aufwendungen gehören die Herstellungskosten der noch nicht abgenommenen Bauten, die nach § 133 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes die Vertriebskosten nicht umfassen dürfen. Die Umsatzsteuer gehört zu den Vertriebskosten (Urteil des Reichsfinanzhofs I 67/39 vom 5. März 1940, Reichssteuerblatt 1940 S. 683), die auch nach Nr. 30 der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten vom 24. November 1953 als aus dem Gewinn zu deckende Sonderkosten nicht unter den Selbstkosten ausgewiesen werden soll.
Das Verbot der Aktivierung der Umsatzsteuer unter den Herstellungskosten beantwortet aber nicht die Frage, ob durch ihre Zahlung ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geschaffen wird, das in Höhe seiner Anschaffungs- oder Herstellungskosten in einem aktivierten Rechnungsabgrenzungsposten in Erscheinung tritt (Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/57 U vom 13. August 1957).
Denn diese Aufwendung ist tatsächlich für ein bestimmtes noch nicht abgewickeltes Geschäft vor der Gewinnrealisierung entstanden, so daß die den Ausweis der Vertriebskosten als Herstellungskosten verbietenden Gründe dem Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens nicht im Wege stehen.
Wie in den Urteilen I 46/57 U vom 13. August 1957 und IV 510/53 U vom 25. August 1955, betreffend die Bilanzierung von Provisionsforderungen der Handelsvertreter im einzelnen ausgeführt ist, entspricht es feststehender, aus den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts und der dynamischen Bilanzbetrachtung hergeleiteter Rechtsprechung, daß Aufwendungen grundsätzlich dem Jahr zugerechnet werden, zu dem sie wirtschaftlich gehören und mit dessen Ertrag sie wirtschaftlich zusammenhängen. Das geschieht durch Rechnungsabgrenzungsposten.
Prüft man die Aktivierungspflicht der Umsatzsteuer auf Anzahlungen unter diesem Gesichtspunkt, so handelt es sich um Aufwendungen, die unabhängig von ihrer aus dem Umsatzsteuerrecht folgenden Entstehung wirtschaftlich mit dem Erfolg des Wirtschaftsjahrs in Verbindung stehen, in dem der vollendete Bau abgenommen und der Gewinn aus dem Bauauftrag verwirklicht wird. Daß die Umsatzsteuer durch einen Geschäftsvorfall des Jahres der Entstehung der Steuerschuld ausgelöst wird, hat nichts mit der Frage zu tun, ob und in welchem Umfang dieser Geschäftsvorfall zu einer Betriebsausgabe führt, die nicht das Jahr der Verausgabung, sondern andere Wirtschaftsjahre belasten muß. Hinsichtlich der eindeutigen Abgrenzbarkeit und Bestimmbarkeit des Aktivierungspostens können keine Bedenken bestehen. Dafür, daß die bei der Bilanzierung von Aktivposten gebotene kaufmännische Vorsicht, die bei beiderseits noch nicht erfüllten Verträgen unter bestimmten Voraussetzungen den Ausweis drohender Verluste erfordert (Urteil des Bundesfinanzhofs I 118/55 U vom 3. Juli 1956), die Unterlassung rechtfertigen könnte, ist von der GmbH nichts vorgetragen. Es besteht deshalb keine Veranlassung zu der Annahme, daß die bei der Anzahlung noch nicht vollendeten Bauten ein Verlustgeschäft werden würden.
Würde man in der Bilanz den Anzahlungen einen gleichhohen Passivposten gegenüberstellen und über diesen Passivposten hinaus die Umsatzsteuer zu Lasten des Ergebnisses buchen, so würde ein schwebender Vertrag, der voraussichtlich mit Gewinn abschließt, in Höhe der Umsatzsteuer mit Verlust ausgewiesen. Dies ist mit § 6 EStG nicht vereinbar. Der schwebende Vertrag muß einschließlich der Umsatzsteuerzahlungen bilanzmäßig erfolgsneutral ausgewiesen werden. Dies ist um so mehr gerechtfertigt, als die Anzahlungen auf die halbfertigen Bauten die Wahrscheinlichkeit der Gewinnrealisierung erhöhen. Der erfolgsneutrale Ausweis geschieht in der Weise, daß die Anzahlung um die Umsatzsteuer gekürzt unter die Passiven oder die Umsatzsteuer aktiviert unter den Aktiven ausgewiesen wird.
Die Grundsätze der richtigen Periodenabgrenzung dürfen allerdings nicht übertrieben werden. Es kann von dem Kaufmann nicht verlangt werden, daß er jede laufende Ausgabe darauf hin untersucht, ob und mit welchem Anteil sie sich möglicherweise auf den Ertrag der folgenden Wirtschaftsjahre auswirken werde, um dementsprechende Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Es entspricht der Rechtsprechung, daß eine Pflicht zu einer solchen Abgrenzung nur dann besteht, wenn die Zurechnung zu dem Ertrag eines anderen Wirtschaftsjahrs eindeutig abgrenzbar und mit dem verursachten Buchungsaufwand unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Betriebs in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 255/53 U vom 28. Januar 1954 - Slg. Bd. 58 S. 516, BStBl 1954 III S. 109 -, IV 510/53 U vom 25. August 1955 - Slg. Bd. 61 S. 284, BStBl 1955 III S. 307 -, I 118/55 U vom 3. Juli 1956 - Slg. Bd. 63 S. 133, BStBl 1956 III S. 248 -). Bei regelmäßig wiederkehrenden und laufenden Ausgaben kann aus diesem Erwägungen eine Pflicht zur Rechnungsabgrenzung dann entfallen, wenn sich die Ausgaben auf die Höhe des Erfolgs und auf das Bilanzbild nur in ganz unbedeutendem Umfang auswirken und die Unterlassung der Abgrenzung sich in den einzelnen Wirtschaftsjahren ausgleicht.
Auch der Gesichtspunkt der Vereinfachung der Buchführung und der Bilanzierung kann die Auffassung des Finanzgerichts nicht rechtfertigen, da der Aktivposten leicht zu ermitteln ist. Seine Nichtaktivierung würde zu einer wesentlichen Veränderung der in den Veranlagungszeiträumen II/1948 bis 1953 auszuweisenden Gewinne führen und die Bilanzbilder in einer mit den Grundsätzen dynamischer Bilanzbetrachtung nicht zu vereinbarenden Weise verzerren. Das ergibt sich einwandfrei aus dem Verhältnis der von dem Finanzamt festgestellten Gewinne und der Höhe der Rechnungsabgrenzungsposten.
Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundesministers der Finanzen und des Finanzamts an.
Fundstellen
Haufe-Index 409102 |
BStBl III 1958, 331 |
BFHE 1959, 154 |
BFHE 67, 154 |
BB 1958, 798 |
DB 1958, 884 |