Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Ehegatte wesentlich an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, so sind gemäß § 8 Ziff. 6 GewStG die Bezüge, die der andere Ehegatte als Geschäftsführer von der Kapitalgesellschaft erhält, für die Ermittlung des Gewerbeertrags der Kapitalgesellschaft dem Gewinn wieder zuzurechnen.
2. Die Bestimmung des § 8 Ziff. 6 GewStG verletzt kein durch das GG garantiertes Grundrecht.
3. Die Zurechnung nach § 8 Ziff. 6 GewStG umfaßt auch die Rückstellungen, die die Kapitalgesellschaft für eine Pensionsanwartschaft eines solchen Geschäftsführers zu Lasten ihres Gewinnes bildet.
Normenkette
GG Art. 3, 6, 20; GewStG § 8 Ziff. 6
Tatbestand
An der beschwerdeführenden GmbH ist die Ehefrau des Geschäftsführers K. zu mehr als 25 v. H., also wesentlich beteiligt. Der Geschäftsführer hatte 1951 ein Gehalt von 21 800 DM und 1952 von 17 142 DM, das die Beschwerdeführerin (Bfin.) als Betriebsausgabe absetzte. Sie bildete ferner zu Lasten des Gewinns bilanzmäßige Rückstellungen wegen einer Pensionszusage, die sie dem Geschäftsführer gegeben hatte, und zwar 1951 von 3500 DM und 1952 von 3556 DM. Das Finanzamt rechnete unter Berufung auf § 8 Ziff. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zur Ermittlung des Gewerbeertrags Gehalt und Rückstellungen dem Gewinn der Bfin. wieder zu. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Entgegen der Auffassung der Bfin. sei die Vorschrift des § 8 Ziff. 6 GewStG nicht verfassungswidrig. Auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 betreffend die Nichtigkeit des § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alter Fassung (Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1957 I S. 193) könne die Bfin. ihre Auffassung nicht stützen. Das Bundesverfassungsgericht habe die Zusammenveranlagung von Ehegatten nur wegen der Progression des Einkommensteuertarifs für verfassungswidrig erklärt. Der Gewerbesteuertarif für Kapitalgesellschaften sei aber nicht progressiv. Zudem gehe es im Streitfall nicht um die Besteuerung der Ehegatten, sondern um die Gewerbesteuer einer Kapitalgesellschaft. Die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), auf die das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung gestützt habe, greife also nicht ein. § 8 Ziff. 6 GewStG verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau gemäß Art. 3 Abs. 2 GG; denn die Zurechnung hänge nicht davon ab, wer von den beiden Ehegatten Gesellschafter oder Angestellter der Kapitalgesellschaft sei. § 8 Ziff. 6 GewStG bedeute ferner keine ungerechtfertigte Benachteiligung der Kapitalgesellschaften, da für Einzelunternehmen und Personengesellschaften in § 8 Ziff. 5 GewStG eine ähnliche Zurechnung vorgeschrieben sei. Schließlich sei nicht zu erkennen, inwiefern die Regelung in § 8 Ziff. 6 GewStG gegen Art. 2 Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 3 Abs. 3 GG (allgemeiner Gleichheitsgrundsatz) verstoße. Nach allem sei die Bestimmung des § 8 Ziff. 6 GewStG rechtswirksam und von den Steuergerichten anzuwenden. Das Finanzamt sei auch richtig verfahren, wenn es im Anschluß an die Rechtsprechung nicht nur das gezahlte Gehalt, sondern auch die Pensionsrückstellungen dem Gewinn der Bfin. wieder zugerechnet habe (Urteil des Reichsfinanzhofs I 125/41 vom 21. Oktober 1941 -- Reichssteuerblatt 1941 S. 867 --, Urteil des Bundesfinanzhofs I 41/54 U vom 17. August 1954 -- Slg. Bd. 64 S. 138, BStBl 1957 III S. 53 --).
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) vertritt die Bfin. weiterhin die Auffassung, daß die Zurechnung nach § 8 Ziff. 6 GewStG ebenso wie die nach § 8 Ziff. 5 GewStG verfassungswidrig und deshalb unzulässig sei. Sie beantragt, die Entscheidung auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht über die Rechtsgültigkeit des § 8 Ziff. 5 GewStG entschieden habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zutreffend hat das Finanzgericht den vom Finanzamt angewandten § 8 Ziff. 6 GewStG als dem GG nicht widersprechende rechtsgültige Bestimmung behandelt. Der Senat hat in der Entscheidung I 71/57 U vom 28. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 112) die § 8 Ziff. 6 GewStG ähnliche Vorschrift des § Ziff. 5 GewStG als rechtswirksam angesehen. Aus den in der Entscheidung angeführten Erwägungen sind auch gegen § 8 Ziff. 6 GewStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 kann weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinn dafür maßgebend sein, wie für die Zwecke der Gewerbesteuer der Gewerbeertrag einer Kapitalgesellschaft bemessen werden soll. Es handelt sich dabei um eine steuerpolitische Entscheidung, die die Gesetzgebung zu treffen hat. Die von der Bfin. behauptete Verletzung von Grundrechten hat das Finanzgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint. Die Einwendungen der Bfin. richten sich im wesentlichen gegen die Zweckmäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Zu einer Prüfung der Zweckmäßigkeit eines Gesetzes sind aber die Steuergerichte entsprechend dem in Art. 20 GG festgelegten Grundsatz der Dreiteilung der Staatsgewalt nicht befugt. Wegen der Abgrenzung der Aufgaben von Gesetzgebung und Rechtsprechung wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 20/58 U vom 28. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 196) hingewiesen. Mit der Frage der einkommensteuerlichen Behandlung von Ehegatten, die Gegenstand des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts war, hat die Streitfrage jedenfalls nichts zu tun.
Da der Senat gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Ziff. 6 GewStG keine Bedenken hat, besteht kein Anlaß, die Entscheidung auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Ziff. 5 GewStG entschieden hat.
Zutreffend hat auch das Finanzgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs die zu Lasten des Gewinns gebildeten Pensionsrückstellungen für den Ehemann-Geschäftsführer dem Gewinn der Bfin. wieder zugerechnet. Der Reichsfinanzhof hat zu dieser Frage auch noch im Urteil I 83/43 vom 7. Dezember 1943 (Reichssteuerblatt 1944 S. 148) im gleichen Sinn Stellung genommen. Der Senat hat diese Rechtsauffassung außer in der vom Finanzgericht angeführten Entscheidung I 41/54 U auch in den Urteilen I 188/53 U vom 12. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 389, BStBl 1954 III S. 60) und I 194/56 U vom 11. Dezember 156 (Slg. Bd. 64 S. 275, BStBl 1957 III S. 105) bestätigt. Die Ausführungen der Bfin. geben keine Veranlassung, die bisherige Rechtsauslegung zu ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 409103 |
BStBl III 1958, 315 |
BFHE 1959, 113 |