Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Beteiligung des Abkömmlings am Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist auch steuerlich anzuerkennen. Die Vorschrift des § 28 EStG, nach der die in das Gesamtgut fallenden Einkünfte als solche des überlebenden Ehegatten gelten, ist eine Ausnahmevorschrift.
Gehört zum Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft ein Betriebsvermögen, so liegt in der übertragung eines Betriebsgrundstücks (Grundstücksanteils) vom überlebenden Ehegatten auf den Abkömmling keine Entnahme. Die Entscheidung des Senats VI 337/62 S vom 31. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 240, Slg. Bd. 79 S. 19) gilt auch für diesen Fall.
Normenkette
EStG §§ 28, 4 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ein Textilgeschäft betreibt. Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für das Jahr 1959 sah das Finanzamt (FA) Frau St. und ihren Schwiegersohn als Gesellschafter an. Frau St. hatte mit ihrem Ehemann in allgemeiner Gütergemeinschaft gelebt. Nach seinem Tode im Jahre 1947 setzte Frau St. die Gütergemeinschaft mit ihrer Tochter, der Ehefrau des Schwiegersohnes, fort. Das Textilwarengeschäft hatte zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehört und wurde nach dem Tode des Mannes von Frau St. weitergeführt. Ab 1. Oktober 1948 beteiligte sie ihren Schwiegersohn mit 50 v. H. am Betriebsergebnis. Zum Gesamtgut gehörte auch ein Hausgrundstück, in dem das Geschäft betrieben wurde. Das Grundstück wurde zur Hälfte als Betriebsvermögen behandelt.
Am 14. Oktober 1959 schlossen Frau St. und ihre Tochter einen notariellen Vertrag, in dem eingangs auf die fortgesetzte Gütergemeinschaft hingewiesen war. Sodann hieß es:
"Die Erschienenen baten sodann um die Beurkundung des nachstehenden
Auseinandersetzungsvertrages:
§ 1 -
Die zwischen den Erschienenen bestehende fortgesetzte Gütergemeinschaft wird aufgehoben. Das Gesamtgut der Gütergemeinschaft besteht im wesentlichen aus der Hausbesitzung ...
§ 2 - Die Erschienene zu 1) - Mutter - überträgt ihren Miteigentumsanteil im Wege vorweggenommener Erbfolge auf die Erschienene zu 2) - Tochter -.
Den Erschienenen ist bekannt, daß in Abteilung II des Grundbuchs eine Grunddienstbarkeit eingetragen ist. Diese wird von der Erschienenen zu 2) übernommen.
Der auf dem Hausgrundstück ruhende Lastenausgleich wird von der Erschienenen zu 2) allein übernommen.
§ 3 - Die Erschienene zu 2) nimmt die übertragung mit Dank an.
§ 4 - Die Erschienenen erklärten sodann die Auflassung wie folgt:
Wir sind darüber einig, daß das Alleineigentum an dem in § 1 benannten Hausgrundstück auf die Erschienene zu 2) übergeht.
Wir beantragen und bewilligen die Eintragung der Erschienenen zu 2) als Alleineigentümerin in das Grundbuch.
§ 5 - Die Erschienene zu 2) bestellt der Erschienenen zu 1) an dem vorstehend benannten Hausgrundstück ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht. Sie bewilligt und beantragt die Eintragung des Nießbrauchsrechts in Abteilung II des Grundbuchs. Der Wert des Nießbrauchsrechts wird mit jährlich 1.800,00 (i. W. eintausendachthundert Deutsche Mark) angegeben".
Die folgenden §§ 6 bis 8 enthalten noch die Wertangabe, einen Hinweis auf die erforderliche Genehmigung der Wohnsiedlungsbehörde und die Kostenregelung.
Das FA sah in der übertragung des dem Betrieb dienenden Grundstücksviertels der Frau St. an die Tochter eine Entnahme zugunsten der Tochter als betriebsfremder Person und errechnete einen Entnahmegewinn.
Die Stpfl. machte geltend, die Tochter sei keine betriebsfremde Person; sie sei über die Gütergemeinschaft schon am Betrieb beteiligt gewesen. Bei der Auflösung der Gütergemeinschaft am 14. Oktober 1959 sei einschließlich des Grundstücksanteils das gesamte Kapital der Frau St., das dem Kapital der fortgesetzten Gütergemeinschaft entspreche, auf die Tochter übergegangen. Diese und der Schwiegersohn seien von da ab die Gesellschafter der Stpfl. geworden. Die anderslautende Steuererklärung 1959 nebst Bilanz beruhe darauf, daß dem Steuerberater der Vertrag vom 14. Oktober 1959 erst später bekanntgeworden sei. Frau St. habe nur noch ein Einkommen aus dem Nießbrauchsrecht. Nachträglich wurde allerdings behauptet, daß Frau St. den Nießbrauch nicht in Anspruch nehme.
Das FA wies darauf hin, daß in keiner Steuererklärung die Tochter als Mitunternehmerin angegeben worden sei. Im übrigen betreffe die Urkunde vom 14. Oktober 1959 nur den Miteigentumsanteil am Grundstück, enthalte aber keine Vereinbarungen über andere Vermögenswerte.
Die Berufung der Stpfl. hatte keinen Erfolg. Nach der Auffassung des Finanzgerichts (FG) war die Tochter niemals Mitunternehmerin und ist als solche nicht in Erscheinung getreten. Das Unternehmen sei nach dem Tode des Ehemannes von Frau St. zunächst als Alleininhaberin weitergeführt worden und seit dem 1. Oktober 1948 in Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit dem Schwiegersohn. Auch durch den Vertrag vom 14. Oktober 1959 sei die Tochter nicht Mitunternehmerin geworden; denn diese Abmachungen bezögen sich ausschließlich auf das Grundstück. Bezüglich der übrigen Gegenstände des Gesamtguts, die in der Urkunde als Vertragsgegenstand nicht erwähnt seien, bestehe eine gesamthänderische Liquidationsgemeinschaft fort. Mithin sei der streitige Grundstücksteil an eine betriebsfremde Person übertragen worden, so daß der Vorgang als Entnahme zu behandeln sei.
Entscheidungsgründe
Die als Revision zu behandelnde Rb. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Das FG verkennt nicht, daß nach dem Tode des Ehemannes die Gütergemeinschaft zwischen Frau St. und ihrer Tochter als gemeinschaftlichem Abkömmling fortgesetzt wurde. Nach § 1483 BGB zerfällt beim Güterstand der Gütergemeinschaft das Vermögen des Erstverstorbenen in zwei Teile: Der Anteil am Gesamtgut bleibt in der fortgesetzten Gütergemeinschaft, über die eine Auseinandersetzung nicht stattfindet. Daneben besteht der übrige Nachlaß, auf den die allgemeinen Regeln des Erbrechts anzuwenden sind. Dieser Unterschied in der Rechtslage der beiden Nachlaßteile rechtfertigt aber nicht den Schluß, daß sich bei dem Gesamtgut kein Anfall an den Abkömmling vollziehe. Zwar ist der überlebende Ehegatte Alleinverwalter des Gesamtguts (§ 1487 BGB) und kann als solcher die zum Gesamtgut gehörenden Sachen in Besitz nehmen und über das Gesamtgut verfügen (§ 1487 BGB in Verbindung mit § 1422 BGB, § 1443 BGB a. F.). Das Miteigentumsrecht des Abkömmlings kommt aber bei einschneidenden Maßnahmen des überlebenden Elternteils zum Ausdruck. So bedürfen Verfügungen über das Gesamtgut als Ganzes oder über ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück sowie Schenkungen aus dem Gesamtgut der Zustimmung des Abkömmlings (§ 1487 BGB in Verbindung mit §§ 1423 bis 1425 BGB, §§ 1444 bis 1446 BGB a. F.).
Diese bürgerliche Rechtslage ist auch steuerlich anzuerkennen. Zwar gelten nach § 28 EStG bei fortgesetzter Gütergemeinschaft die in das Gesamtgut fallenden Einkünfte als solche des überlebenden Ehegatten. Dementsprechend hat die Stpfl. nur Frau St., nicht aber auch die Tochter in ihren Bilanzen und Erklärungen als Berechtigte aufgeführt. Wie aber schon der Gebrauch des Wortes "gelten" zeigt, handelt es sich bei § 28 EStG um eine Ausnahmebestimmung. An sich müßten die in das Gesamtgut fallenden Einkünfte den Anteilsberechtigten nach Bruchteilen zugerechnet werden (siehe § 11 Ziff. 5 StAnpG). Die Regelung des § 28 EStG beruht auf der weitgehenden Verwaltungsbefugnis des überlebenden Ehegatten am Gesamtgut, mit der häufig auch ein entsprechendes Nutzungsrecht verbunden ist (Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 28 Anm. b S. 1796). Aus dieser Sicht einer Ausnahmeregelung ist auch das Urteil des RFH VI A 822/36 vom 19. November 1936 (RStBl 1937 S. 96, Slg. Bd. 40 S. 210) zu verstehen. Wird die Gütergemeinschaft im Innenverhältnis nicht fortgesetzt, sondern verabreden der überlebende Ehegatte und die Kinder die Aufteilung der Einkünfte, greift nach dieser Entscheidung § 28 EStG nicht ein; die Einkünfte sind dann vielmehr wie bei anderen Beteiligungen den Beteiligten zuzurechnen. Wegen der gegen § 28 EStG als Ausnahmebestimmung bestehenden rechtlichen Bedenken und weil die fortgesetzte Gütergemeinschaft immer mehr an Bedeutung verliert - im Gegensatz zu § 1483 BGB a. F. tritt sie nach § 1483 BGB n. F. nur noch bei ausdrücklicher Vereinbarung ein -, ist übrigens in den "Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht- Bericht der Einkommensteuer-Kommission" (Heft 7 der Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Stollfuß-Verlag, Bonn) vorgeschlagen worden, die Vorschrift zu streichen.
War aber die Tochter über das Gesamtgut am Betriebsvermögen der Stpfl. beteiligt, so ist es nicht zutreffend, wenn das FG sie als betriebsfremde Person betrachtet und deshalb in der übertragung des Grundstücksteils eine Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gesehen hat. Es ist dann nicht richtig, daß sich der Eigentumsübergang nicht innerhalb der Stpfl. als Gesellschaft, sondern im Privatbereich der Frau St. vollzogen habe und dann von der Tochter wieder in das Betriebsvermögen der Stpfl. eingebracht worden sei. Einer solchen Auslegung ist der Senat in der Entscheidung VI 337/62 S vom 31. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 240, Slg. Bd. 79 S. 19) entgegengetreten. Der tatsächliche Zusammenhang des Wirtschaftsguts mit dem Betrieb, so wurde damals ausgeführt, sei in keinem Augenblick gelöst worden; das Grundstück habe vor und nach der übereignung unverändert dem Betrieb gedient. Der Senat hat daher damals eine Entnahme verneint. Vorausgesetzt wurde dabei jedoch, daß der Buchwert des übernommenen Grundstücksteils vom Erwerber unverändert fortgeführt wurde.
Das FG meint ferner, der Vertrag vom 14. Oktober 1959 behandele nur den streitigen Grundstücksanteil als Einzelgegenstand. Demgegenüber behauptete die Stpfl., die Gütergemeinschaft sei vollständig abgewickelt worden; der für Frau St. in der Bilanz ausgewiesene Kapitalanteil sei voll auf die Tochter übergegangen, die nunmehr zusammen mit ihrem Ehemann Gesellschafterin der Stpfl. sei. Betrachtet man in der Urkunde vom 14. Oktober 1959 nach den einleitenden Bemerkungen über das Entstehen der fortgesetzten Gütergemeinschaft den ersten Absatz der §§ 1 und 2 für sich, so lassen diese durchaus die Darstellung der Stpfl. zu. Zu bedenken ist, daß Frau St. im Jahre 1885 geboren war und es daher verständlich ist, wenn sie die Verwaltung des gütergemeinschaftlichen Vermögens aufgab. Die Behauptung der Stpfl. wird nicht zwingend dadurch widerlegt, daß Frau St. in der Bilanz als Berechtigte ausgewiesen war. Die Bilanz war dann eben falsch und war zu berichtigen (§ 4 Abs. 2 EStG). Auch der Umstand, daß diese Urkunde sich im übrigen ausschließlich mit dem Grundstück befaßt, läßt nicht ohne weiteres den Schluß zu, die Auseinandersetzung habe die übrigen Teile der fortgesetzten Gütergemeinschaft nicht mitumfaßt. Im Gegensatz zur Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1492 Abs. 2 BGB) war der Auseinandersetzungsvertrag über die zunächst noch weiterbestehende Gesamthandsgemeinschaft an keine Form gebunden. Eine Form bei der eigentlichen Auseinandersetzung kann allerdings notwendig werden, wenn für einzelne Auseinandersetzungsvereinbarungen ein Formzwang besteht, z. B. für die Verpflichtung, Eigentum an einem Grundstück zu übertragen (§ 313 BGB). Die ausführlichere Behandlung des Grundstücksanteils in der Urkunde vom 14. Oktober 1959 hat ihren Grund wohl in den Formvorschriften über die Auflassung (§§ 925, 873 BGB). Unter diesen Umständen hätte das FG der Behauptung der Stpfl. näher nachgehen müssen, etwa durch Anhörung der Tochter und des Schwiegersohnes, des Notars oder des im Eingang der Urkunde genannten Rechtsanwalts, der möglicherweise die Vertragsbeteiligten wegen der Beendigung der Gütergemeinschaft beraten hat.
Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es den Fall unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen nochmals prüft. Die Stpfl. ihrerseits muß neue Abschlüsse vorlegen, die der behaupteten änderung der Rechtslage ab 14. Oktober 1959 Rechnung tragen. Dabei ist auch zu klären, was es mit dem der Frau St. eingeräumten Nießbrauch auf sich hat; nach einer Darstellung vor dem FG wird er von Frau St. nicht beansprucht. Dieser Verzicht könnte vielleicht ein Anzeichen dafür sein, daß die ganze Auseinandersetzung, von dem Grundstück abgesehen, nicht vollzogen und in den Abreden steckengeblieben ist.
Fundstellen
BStBl III 1966, 505 |
BFHE 1966, 357 |
BFHE 86, 357 |
StRK, EStG:28 R 1 |