Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine sachliche Unbilligkeit bei Festhalten am Stichtagsprinzip trotz Silberspekulation
Leitsatz (NV)
1. Ist der Wert der Bereicherung des Zuwendungsempfängers, dem im Februar 1980 der Anteil an einer mit der Schmuckherstellung befaßten KG zugewendet worden ist, zu ermitteln, widerspricht der Ansatz des betriebsnotwendigen Silbervorrats mit dem Kurswert vom Zeitpunkt der Steuerentstehung trotz spekulativ in die Höhe getriebenen Kurses nicht den Wertungen des Gesetzgebers.
2. Jedoch wären bereits bei der Steuerfestsetzung zutreffend gebildete Rückstellungen wegen drohender Verluste zu berücksichtigen. Bei der dafür erforderlichen Ermittlung der Selbstkosten konnte der Silbervorrat nach der damaligen Rechtslage mit dem Kurswert vom maßgeblichen Stichtag angesetzt werden.
Normenkette
AO 1977 § 163 (Abs. 1) S. 1, § 163 S. 1; ErbStG 1974 § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 S. 1, §§ 11, 12 Abs. 5; BewG i.d.F. vor dem StÄndG 1992 § 10; BewG i.d.F. vor dem StÄndG 1992 § 109 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Durch Schenkungsvertrag vom 4. Februar 1980 übertrug die Mutter des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ihre Kommanditbeteiligung an der X-KG (KG) zu 25 v. H. auf den Kläger und zu 75 v. H. auf seinen Bruder. Die Rechte und Pflichten aus der Beteiligung sollten zum 1. Januar 1980 auf die Beschenkten übergehen. Die KG stellte Schmuck her. Zu diesem Zweck betrug ihr Silbervorrat zum Zeitpunkt der Schenkung 1032,357 kg. Infolge spekulativer Silberaufkäufe der Gebr. Hunt aus Texas war der Silberpreis ab September 1979 stark angestiegen und ab März 1980 mit dem Zusammenbruch der Spekulation wieder gefallen. Dabei sanken die Preise allerdings zunächst nicht auf ihr altes Niveau. So lag der Degussa-Silberpreis am 30. November 1979 bei 1030 DM/kg, zur Jahreswende 1979/1980 bei 1600 DM/kg, am 4. Februar 1980 bei 2030 DM/kg und am 28. November 1980 bei 1138 DM/kg.
Nach einer Außenprüfung übernahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) u. a. den in den Einheitswert für das Betriebsvermögen der KG zum 1. Januar 1980 eingegangenen Wert von 1600 DM/kg Silber und setzte die Schenkungsteuer durch den gemäß §164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid vom 18. April 1986 auf ... DM fest. Dagegen legte der Kläger wegen des Silbers und einer Reihe weiterer Punkte Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens beantragte er, beim Silber aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß §163 AO 1977 einen Abschlag von (1600 DM ./. 624 DM =) 975 DM/kg vorzunehmen. Zur Begründung trug er vor, die vor Dezember 1979 bereits bestellten und vorausbezahlten Schmuckwaren hätten noch zu alten Silberpreisen ausgeliefert werden müssen. Von Dezember 1979 bis 1980 seien zu den hohen Silberpreisen keine Bestellungen eingegangen; vielmehr habe zu den ursprünglich niedrigeren Preisen angeboten werden müssen. Durch nochmals -- diesmal gemäß den §§172, 177 AO1977 -- geänderten Bescheid vom 30. Juli 1987 setzte das FA die Steuer im Wege der Teilabhilfe auf ... DM herab. Dem lag nunmehr der Degussa-Silberpreis für den 4. Februar 1980 von 2030 DM/kg zugrunde. Die Höherbewertung wurde im Ergebnis dadurch mehr als ausgeglichen, daß das FA in den übrigen Punkten nachgab. Hinsichtlich des Silberwerts wies es darauf hin, daß der Einspruch noch nicht erledigt sei.
Durch Verfügung vom 14. Dezember 1987 lehnte das FA den Billigkeitsantrag ab. Die Beschwerde dagegen wies die Oberfinanzdirektion (OFD) am 15. März 1988 zurück. Auch die daraufhin erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verneinte einen Ermessensfehler. Gründe, die eine Billigkeitsmaßnahme erforderten, lägen nicht vor. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei vielmehr am Stichtagsprinzip festzuhalten. Damit verbundene Härten habe der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen. Im übrigen könnten allenfalls Wertverluste unmittelbar nach dem Stichtag berücksichtigt werden. Innerhalb der ersten sieben Wochen nach der Schenkung seien jedoch keine wesentlichen Wertveränderungen eingetreten. Abgesehen davon habe der Silberpreis neun Monate nach der Schenkung und sieben Monate nach dem Zusammenbruch der Spekulation immer noch über 1000 DM/kg betragen und damit erheblich über dem von dem Kläger angestrebten Wertansatz gelegen. Davon abgesehen sei kaum denkbar, daß sich die höheren Silberpreise nicht in den Preisabsprachen und der Kalkulation der KG niedergeschlagen hätten.
Mit der Revision rügt der Kläger zunächst, daß das FG ihn entgegen §76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht aufgefordert habe, zu belegen, daß die KG die erhöhten Silberpreise nicht an die Kunden habe weitergeben können. Da das FG statt dessen ausgeführt habe, die dahingehende Behauptung sei unsubstantiiert, habe es eine Überraschungsentscheidung getroffen. Materiell-rechtlich macht er geltend, das FG habe verkannt, daß die Erbschaftsteuer eine Bereicherungssteuer sei. Laufe dem im extremen Ausnahmefall das Stichtagsprinzip zuwider, müsse im Billigkeitswege dem Bereicherungsgrundsatz Vorrang eingeräumt werden. Darüber hinaus habe das FG gegen die §§9 und 10 des Bewertungsgesetzes (BewG) verstoßen. Die Silberspekulation der Gebr. Hunt sei durchaus als ungewöhnlicher Umstand i. S. des §9 Abs. 2 Satz 3 BewG zu werten. Jedoch sei die Vorschrift des §9 BewG nicht einschlägig. Maßgeblich seien vielmehr gemäß §10 BewG die Teilwerte. Ein Erwerber des Unternehmens der KG hätte aber den Silberbestand nicht zum Kurswert übernommen, sondern nur zu dem Durchschnittswert des Jahres 1979, der auch der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der KG auf den 1. Januar 1980 und dem ursprünglichen Feststellungsbescheid zugrunde gelegen habe. Dies sei der angestrebte Wert von 624 DM/kg gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Ablehnungsverfügung vom 14. Dezember 1987 sowie der Beschwerdeentscheidung vom 15. März 1988 das FA zu verpflichten, einen Bescheid über eine Billigkeitsmaßnahme des Inhalts zu erlassen, daß der Schenkungsteuerveranlagung wegen der Zuwendung vom 4. Februar 1980 lediglich ein Silberwert von 624 DM/kg zugrunde zu legen ist.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung erweist sich trotz der gerügten Verfahrensmängel aus anderen Gründen als zutreffend. Die Revision war daher gemäß §126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen.
A. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch, weil es auf das Vermögen, den Preisanstieg des Silbers weiterzugeben, rechtlich nicht ankommt und sich die Vorentscheidung damit aus anderen Gründen als richtig darstellt.
B. Gemäß §163 (Abs. 1) Satz 1 AO 1977 können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Die Entscheidung darf gemäß §102 FGO gerichtlich (nur) daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Sofern sich die Unbilligkeit wie im Streitfall aus sachlichen Gründen ergeben soll, muß die Steuererhebung zwar dem Gesetz entsprechen, aber den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderlaufen, daß sie unbillig erscheint (so Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833, m. w. N.). Dies ist anzunehmen, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers davon ausgegangen werden kann, daß er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage -- hätte er sie geregelt -- im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (so Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BStBl II 1978, 441). Einen derartigen Gesetzesüberhang hat das FG im Streitfall im Ergebnis zutreffend verneint.
1. Die Abtretung eines Teils des Gesellschaftsanteils der Mutter auf den Kläger stellte gemäß §7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der am streitigen Stichtag geltenden Fassung eine freigebige Zuwendung unter Lebenden dar. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt dabei nach §10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes die Bereicherung des Klägers, deren Wert nach §12 Abs. 5 i. V. m. den §§11 und 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unter entsprechender Anwendung der §§95 bis 100, 103 bis 105, 108 und 109 Abs. 1 und 4 BewG nach den Verhältnissen zu diesem Stichtag zu ermitteln war. Gemäß §109 Abs. 1 BewG waren dabei die zum Betrieb der KG gehörenden und im Gesellschaftsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert i. S. des §10 BewG zu bewerten. Gemäß §10 Satz 2 BewG ist Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei ist nach Satz 3 der Vorschrift davon auszugehen, daß der Erwerber das Unternehmen fortführt. Für Rohstoffe, die sich im Betriebsvermögen befinden und betriebsnotwendig sind, wird vermutet, daß ihr Teilwert regelmäßig den Wiederbeschaffungskosten, und damit -- so vorhanden -- dem Börsen- und Marktpreis, am Bewertungsstichtag entspricht (Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, §10 BewG, vor 1993 Anm. 46; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, §6 EStG Anm. 1004; BFH-Urteil vom 13. März 1964 IV 236/63 S, BFHE 79, 529, BStBl III 1964, 426). Denn dies wäre der Preis, zu dem sich der gedachte Erwerber den betriebsnotwendigen Rohstoff am Markt beschaffen müßte, wenn er sich nicht im Betriebsvermögen befände.
2. Der Ansatz des Silberbestandes mit dem solchermaßen ermittelten Teilwert widerspricht nicht den Wertungen des Erbschaftsteuergesetzgebers. Gemäß §11 ErbStG ist der Wert der Bereicherung, sofern -- wie hier -- nichts anderes vorgeschrieben ist, nach den Verhältnissen in einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich dem der Steuerentstehung, zu ermitteln. Bei Schenkungen unter Lebenden ist dies gemäß §9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Damit stellt die Wertermittlung eine Momentaufnahme dar (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1978 III R 126/75, BFHE 124, 548, BStBl II 1978, 366) und nicht das Ergebnis einer dynamischen Betrachtung, mit der sich auch die weitere wertmäßige Entwicklung des Erwerbs erfassen ließe (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1951 III 43/50 S, BFHE 56, 91, BStBl III 1952, 37). Ermittelt wird die Bereicherung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zwar schließt das Stichtagsprinzip nicht grundsätzlich jeden Blick auf vorhergehende oder nachfolgende Ereignisse aus, insbesondere können später eingetretene Umstände zur Beurteilung der am Stichtag gegebenen Verhältnisse unterstützend im Sinne einer retrospektiven Betrachtung herangezogen werden; eine Rückprojezierung nachträglich eingetretener Ereignisse ist dagegen nicht erlaubt (BFH-Urteil vom 26. Juli 1957 III 161/54 S, BFHE 65, 206, BStBl III 1957, 314, 319). Dabei war dem Gesetzgeber durchaus bekannt, daß sich die Wertverhältnisse im Anschluß an den Bewertungsstichtag mehr oder weniger gravierend verändern können, und zwar nach beiden Richtungen im Sinne eines Wertverlustes oder Wertzuwachses. Beides sollte bewußt außer Betracht bleiben. Deshalb kann es nicht den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, den Wochen nach dem Stichtag eingetretenen und sich über Monate hinziehenden Kursverfall des Silbers -- im November 1989 betrug der Kurs immer noch bzw. wieder 1138 DM/kg -- außer acht zu lassen.
Es widerspräche im Gegenteil den Wertungen des Gesetzgebers, eine -- für welchen Zeitraum auch immer -- dauerhafte Bereicherung zu verlangen. Gerade weil dem Gesetzgeber bewußt war, daß Vermögenswerte den Regeln des Marktes unterliegen, kam es ihm darauf an, aus der Abfolge wechselnder Werte einen bestimmten als den maßgeblichen Wert herauszugreifen. Dafür bot sich als einzig sachgerecht nur der Wert im Zeitpunkt der Steuerentstehung an. Jeder andere Wert wäre willkürlich gegriffen. Dies gilt auch im Streitfall für den vom Kläger als zutreffend angesehenen Silber-Durchschnittswert des Jahres 1979. Ungeachtet dessen, daß nicht festgestellt ist, ob es sich bei dem angestrebten Wert von 624 DM/kg tatsächlich um den Durchschnittswert des Jahres 1979 handelt, fragt sich sogleich, weshalb nicht -- wenn schon ein Durchschnittswert befürwortet wird -- der offensichtlich höhere Durchschnittswert des Jahres 1980 maßgeblich sein soll. Immerhin war der Kläger nicht 1979, sondern während eines Großteils des Jahres 1980 an der KG beteiligt.
3. Soweit aus den am Bewertungsstichtag schon bestehenden einzelnen Verträgen wegen der Wertsteigerung des Silberbestandes Verluste drohten, konnten diese im übrigen bereits im Rahmen der Steuerfestsetzung geltend gemacht werden. Gesichtspunkte aber, die bereits im Steuerfestsetzungsverfahren vorzubringen waren oder noch sind, können im Billigkeitsverfahren regelmäßig nicht mehr berücksichtigt werden. Drohende Verluste aus schwebenden Geschäften waren auch bei der Bewertung des Betriebsvermögens (BFH-Urteile vom 8. März 1995 II R 10/92, BFHE 177, 132, sowie vom 15. Oktober 1997 II R 56/94, BFHE 184, 111, BStBl II 1997, 796), und damit auch im Rahmen des §12 Abs. 5 ErbStG wertmindernd zu berücksichtigen (vgl. Abschn. 35 der Vermögensteuer-Richtlinien 1980). Bei der Berechnung, ob die Sachleistungsverpflichtung aus dem einzelnen schwebenden Geschäft den Anspruch auf die Gegenleistung übersteigt, war dabei abweichend vom Bilanzsteuerrecht, für das insoweit gemäß §6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) das Niederstwertprinzip gilt, das noch zu verarbeitende, aber bereits vorhandene Silber mit dem höheren Teilwert vom Bewertungsstichtag in die Selbstkosten einzubeziehen.
Hätte die KG bei den einzelnen schon abgeschlossenen, aber noch nicht erfüllten Verträgen die Schmuckpreise mit einer solch hohen Gewinnspanne kalkuliert, daß auch die Bewertung der Selbstkosten für das zur Vertragserfüllung erforderliche und im Betrieb bereits vorhandene Silber mit dem Kurswert vom 4. Februar 1980 nicht zu einem Verlust aus dem jeweiligen Geschäft führte, spräche dies für eine Ertragskraft des Unternehmens der KG, die ein gedachter Erwerber zwar als Geschäftswert besonders vergütet hätte, die aber bei einer Bewertung nach §10 BewG zugunsten des Steuerpflichtigen unberücksichtigt geblieben wäre. Bei dieser Bewertung bleiben nämlich Gewinnchancen, die sich im Falle einer tatsächlichen Veräußerung des ganzen Unternehmens im Geschäftswert niederschlagen würden, außer Ansatz (vgl. BFH- Urteil vom 29. April 1970 III 217/63, BFHE 99, 215, BStBl II 1970, 614, 618). Einwendungen gegen das Ergebnis der Teilwertermittlung, die die Gewinnchancen des Unternehmens betreffen, wären dann aus einem weiteren Grund systemfremd.
4. Ein anderweitiger Ermessensfehlgebrauch der Steuerbehörden läßt sich nicht feststellen. Sie haben weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Die Ablehnung der begehrten Billigkeitsmaßnahme eines Teilwertabschlages beim Silber verletzt den Kläger auch nicht in seinen Grundrechten. Insbesondere ist nicht gegen Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Soweit das BVerfG in seinem Beschluß vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671) die auf Verfassungswidrigkeit der Stichtagsregelung des §9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gestützte Verfassungsbeschwerde deshalb für unzulässig gehalten hat, weil noch kein Billigkeitsverfahren stattgefunden hatte, ist dem nicht zu entnehmen, daß bei Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme ein Grundrechtsverstoß vorläge. Dieser soll vielmehr ausdrücklich nur dann in Betracht kommen, wenn die Steuer über die sachliche Unbilligkeit hinaus erdrosselnd wirkt. Damit knüpft der Beschluß an die ständige Rechtsprechung des BVerfG zur Bedeutung des Art. 14 Abs. 1 GG als Schutz gegen den staatlichen Steuerzugriff an. Diese Rechtsprechung hat das BVerfG im nachfolgenden Beschluß vom 8. April 1997 1 BvR 48/94 (BVerfGE 95, 267, 300, m. w. N.) noch einmal dahin zusammengefaßt, daß unter den Schutz der Eigentumsgarantie alle vermögenswerten Rechte fallen, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf. Der Eigentumsschutz erstreckte sich dabei auch auf nicht dingliche vermögenswerte Rechtspositionen, bleibe aber immer an Rechtspositionen gebunden. Das Vermögen als solches stelle keine derartige Rechtsposition dar, sondern nur den Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person. Es sei daher nicht Eigentum i. S. des Art. 14 Abs. 1 GG, solange sie nicht den Betroffenen übermäßig belaste und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtige, daß ihr erdrosselnde Wirkung zukomme. Von einer erdrosselnden Wirkung kann im Streitfall aber keine Rede sein.
Fundstellen
Haufe-Index 67457 |
BFH/NV 1998, 1376 |
DStRE 1998, 721 |
HFR 1998, 892 |