Leitsatz (amtlich)
Das Wahlrecht nach § 10 Abs. 4 EStG 1969 wird zugunsten der Sparprämie mit Eingang das Prämienantrags beim FA rechtswirksam rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Kreditinstitut ausgeübt.
Normenkette
EStG 1969 § 10 Abs. 4; SparPG 1970 § 3 Abs. 2; WoPG 1969 § 4 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau haben in ihrer Einkommensteuererklärung 1970, die der Kläger am 10. Juni 1971 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt – FA –) abgegeben hat, Beiträge zu zwei Bausparverträgen des Klägers als Sonderausgaben geltend gemacht. Bereits zuvor hatten der Kläger und seine Ehefrau auf einem von beiden unterschriebenen Antrag, der nach dem Eingangsstempel des Kreditinstituts am 28. Mai 1971 dort eingegangen war, Sparprämie für einen im Jahre 1970 von der Ehefrau abgeschlossenen Ratensparvertrag beantragt. Das Kreditinstitut hat unter dem 8. Juni 1971 die Richtigkeit der Angaben unter I des Vordrucks bestätigt. Wann der Vordruck beim FA eingegangen ist, läßt sich mangels eines Eingangsstempels oder eines Eingangsvermerks des FA nicht aus dem Vordruck entnehmen. Das FA hat die Prämie mit Verfügung vom 4. November 1971 gewährt.
Bei der Veranlagung der Eheleute zur Einkommensteuer versagte das FA den Sonderausgabenabzug für die Bausparbeiträge mit der Begründung, daß vor Abgabe der Einkommensteuererklärung eine Sparprämie beantragt worden sei.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) nahm entgegen dem Urteil des Senats vom 18. August 1972 VI R 154/68 (BFHE 107, 332, BStBl II 1973, 99) an, daß die Wahl zwischen der Sparprämie und dem Sonderausgabenabzug frühstens in dem Zeitpunkt getroffen werde, in dem der Sparprämien-Antrag infolge seiner Weiterleitung an das FA durch das Kreditinstitut aus dessen Verfügungsbereich in den des FA übergewechselt sei. Es verwies auf das Urteil des Senats vom 26. März 1965 VI 260/64 U (BFHE 82, 522, BStBl III 1965, 435), nach dem das Kreditinstitut nicht Hilfsstelle des FA, sondern lediglich Erfüllungsgehilfe des Sparers sei. Der erst mit dem Eingang des Antrags beim FA getroffenen Wahl könne deshalb entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil VI R 154/68 keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs beim Kreditinstitut beigemessen werden. Die Nichtfeststellbarkeit des Eingangstages des Sparprämien-Antrages beim FA gehe zu dessen Lasten. Deshalb sei der beantragte Sonderausgabenabzug zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Der Senat hat im Urteil VI R 154/68 zur Auslegung des § 8 Abs. 1 WoPG 1960 entschieden, daß das Wahlrecht zugunsten der Wohnungsbau-Prämie mit Eingang des Prämienantrags beim FA rechtswirksam rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei dem Kreditinstitut oder der Bausparkasse ausgeübt wird. Im Urteil vom 25. Mai 1973 VI R 59/72 (BFHE 109, 249, BStBl II 1973, 585) hat der Senat des weiteren dargelegt, daß bei der Anwendung des § 10 Abs. 4 EStG 1967 (sogenanntes großes Kumulierungsverbot) hinsichtlich der Ausübung, der Wirksamkeit und des Zeitpunkts der Wahl sowie hinsichtlich der bei Höchstbetragsgemeinschaften zwischen Ehegatten zu beachtenden Besonderheiten von den Grundsätzen auszugehen ist, die der Senat zur Auslegung des § 8 WoPG 1960 herausgestellt hat. Hieran ist auch für die Auslegung des im Streitfall maßgeblichen § 10 Abs. 4 EStG 1969 festzuhalten.
Bei der Feststellung des Zeitpunkts der Wahlausübung im Zusammenhang mit dem großen Kumulierungsverbot (§ 10 Abs. 4 EStG 1969) können die Sonderregelungen, die in § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Spar-Prämiengesetzes 1970 – SparPG 1970 – (entsprechend § 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 WoPG 1969) über die Antragsfrist und den Adressaten eines Sparprämien-Antrags (bzw. Wohnungsbau-Prämien-Antrags) getroffen worden sind, nicht unberücksichtigt bleiben. Dort ist vorgeschrieben, daß die Antragsfrist am 30. September des jeweiligen Kalenderjahres endet und daß der Antrag an das Kreditinstitut zu richten ist, an das die Sparbeiträge usw. geleistet worden sind. Diese Bestimmungen werden zutreffend dahin aufgefaßt, daß maßgebend für die Einhaltung der Antragsfrist der Zeitpunkt des Eingangs beim Kreditinstitut usw. ist (z. B. Kommentar zum Wohnungsbau-Prämiengesetz von Stäuber/Walter, 5. Aufl., § 4 Anm. 419). Die Regelung bedeutet, daß der Sparer von seinem Standpunkt aus mit der rechtzeitigen Abgabe seines Antrags beim Kreditinstitut usw. alles getan hat, was zu einer wirksamen Antragstellung erforderlich ist. Die weitere Entwicklung, insbesondere der Zeitpunkt der Weitergabe des Antrags an das FA, hängt dann in erster Linie nicht von einem Tätigwerden seinerseits, sondern vom Tätigwerden des Kreditinstituts ab. Von diesen Überlegungen muß auch bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Wahlausübung ausgegangen werden. Würde als maßgebender Zeitpunkt für die Wahlausübung der Eingang des Antrags beim FA angesehen, so würde ein Zeitpunkt zugrunde gelegt, der weniger auf einer Entscheidung des Sparers als in erster Linie auf Maßnahmen des Kreditinstituts usw. beruhen würde. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß es der Systematik der Prämiengesetze und dem darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers entspricht, als maßgebenden Zeitpunkt der Wahlausübung den Eingang des Antrags beim Kreditinstitut – vorbehaltlich der späteren Weiterleitung an das FA – anzusehen.
In der vom FG angeführten Entscheidung VI 260/64 U hat der Senat das Kreditinstitut nicht als Hilfsstelle des FA, sondern als Erfüllungsgehilfen des Sparers angesehen und daraus gefolgert, daß der Sparer sich Maßnahmen des Kreditinstituts zurechnen lassen muß. Hieraus kann indessen zur Entscheidung der Frage, welcher Zeitpunkt für die Ausübung der Wahl maßgebend ist, nichts Entscheidendes hergeleitet werden. Wenn das Kreditinstitut lediglich Erfüllungsgehilfe des Antragstellers ist, so hat dies Bedeutung lediglich in dem Sinne, daß nicht allein schon mit dem Zugang des Antrags beim Kreditinstitut usw. ein wirksamer Antrag im Rechtssinne angenommen werden kann. Es können hieraus aber keine Bedenken gegen die in der Entscheidung VI R 154/68 ausgesprochene Auffassung hergeleitet werden, daß die Wirksamkeit mit dem Eingang beim FA, aber rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs beim Kreditinstitut usw. angenommen wird.
Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war hiernach aufzuheben. Der Sparprämien-Antrag ist am 28. Mai 1971 beim Kreditinstitut eingegangen, also vor der am 10. Juni 1971 beim FA abgegebenen Einkommensteuererklärung 1970. Der Antrag ist durch den Zugang beim FA auch wirksam geworden; auf den Zeitpunkt dieses Zugangs kommt es entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht an. Schließlich hat sich der Antrag auch ausgewirkt, da das FA aufgrund des Antrags eine Prämie gewährt hat. Damit haben die Eheleute das Wahlrecht wirksam zugunsten einer Sparprämie ausgeübt, so daß ihnen für ihre Bausparbeiträge der Sonderausgabenabzug nicht mehr gewährt werden kann. Die Klage war daher nach Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514844 |
BFHE 1976, 158 |