Leitsatz (amtlich)
Als niedrigerer Teilwert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG kann bei einem Fabrikgebäude nicht der unter Zugrundelegung einer nachhaltig erzielbaren Fremdmiete errechnete Verkehrswert angesetzt werden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1956, ob die Revisionsklägerin (KG) eine Teilwertabschreibung auf ihre Fabrikgebäude vornehmen kann.
Die KG erwarb im Jahr 1950 ein Fabrikgrundstück zum Preis von 100 000 DM. Hiervon entfielen auf das Gebäude 80 000 DM. Nach Aktivierung von Um- und Anbaukosten der Jahre 1950 bis 1956 von weit über 800 000 DM hatten die auf dem Fabrikgrundstück stehenden Fabrikgebäude und Gebäudeteile am 31. Dezember 1956 nach Vornahme anerkannter Absetzung für Abnutzung (AfA) einen Buchwert von 569 792 DM. In den AfA waren 276 377 DM Sonderabschreibungen, davon 214 880,50 DM Sonderabsetzungen nach § 131 AO und erhöhte Absetzungen nach §§ 7b und 7e EStG enthalten. Wegen angeblicher Fehlmaßnahmen beim Erwerb des Fabrikgrundstücks im Jahr 1950 sowie bei der Durchführung der An- und Umbauten, die wegen unorganischer Verschachtelung der Fabrikgebäude erforderlich geworden und teilweise nur behelfsmäßig durchgeführt seien, und wegen teilweiser wirtschaftlicher Überalterung und ungünstiger Verkehrslage begehrte die KG eine Teilwertabschreibung in Höhe von 320 728 DM auf einen Buchwert der Gebäude von 249 064 DM. Die KG stützt sich auf ein Gutachten des vereidigten Grundstückssachverständigen X. Hierin sei der Gutachter über einen Ertragswert der bebauten Grundstücke von 422 353 DM nach Abschlägen wegen Verschachtelung, abgelegener Verkehrslage und eines Überangebots von Fabrikgrundstücken auf dem Grundstücksmarkt zu einem Verkehrswert der bebauten Grundstücke von 274 529 DM gelangt, wozu noch der Verkehrswert der unbebauten Grundstücke von 57 443 DM komme. Der Verkehrs- und Verkaufswert der einheitlich zu beurteilenden Grundstücke betrage daher 332 000 DM.
Der gegen den ablehnenden Bescheid des FA eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Auch die Berufung der KG blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der KG, mit der sie noch eine Teilwertabschreibung von 288 020 DM begehrt, ist nicht begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob alle von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen zutreffen. Denn die Ablehnung der begehrten Teilwertabschreibung durch die Vorinstanz ist schon aus anderen, von dieser dargelegten Gründen zutreffend.
Nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des angefochtenen Urteils, wonach bei Bemessung des Teilwerts von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten auszugehen ist. Was ein Erwerber im Rahmen des Gesamtbetriebs zum Erwerb des einzelnen Wirtschaftsguts anlegt, läßt sich vernünftigerweise entscheidend in erster Linie danach beurteilen, was der Veräußerer selbst hierfür aufwendete. Denn unter dem für den Teilwert maßgebenden Gedanken, daß der Erwerber den Betrieb fortführt, muß davon ausgegangen werden, daß er die Aufwendungen in gleicher Weise wie der Veräußerer gemacht hätte und sie diesem daher auch ersetzt (vgl. hierzu vor allem Urteil des BFH I 239/54 U vom 14. Februar 1956, BFH 62, 274, BStBl III 1956, 102).
Nicht berechtigt hingegen ist das Verlangen der KG, den Teilwert in Höhe des von dem Sachverständigen ermittelten Verkehrswertes von 332 000 DM für das gesamte Fabrikareal anzusetzen. Denn dieser Verkehrswert beruht auf einem dem Wesen und der Nutzung eines Fabrikgebäudes nicht gerecht werdenden Ertragswert der bebauten Grundstücke von 422 353 DM zuzüglich 57 443 DM für die unbebauten Grundstücke abzüglich Abschlägen von 147 824 DM, wenn dieser vom Sachverständigen nach Maßgabe einer nachhaltig erzielbaren Miete bemessen wird. Eine solche Ertragsberechnung berücksichtigt nicht, daß ein auf den Betrieb baulich und technisch zugeschnittenes Fabrikgebäude keine Nutzungen in Gestalt von Erträgen aus Fremdvermietung abwirft, sondern seine Nutzungen darin hat, daß der Unternehmer seine fabrikatorischen Ziele und sein Gewinnstreben in ihm verwirklichen kann. Deshalb entspricht der Ertragswert eines Fabrikgebäudes in der Regel den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Denn diese Kosten wendet der Unternehmer auf, um das Fabrikgebäude als einen von vielen anderen dem Unternehmen dienenden Faktoren zu erlangen. Dann muß es auch seine Anschaffungs- oder Herstellungskosten wert sein.
Insbesondere bei Fabrikgrundstücken ist zu berücksichtigen, daß es sich um langlebige Anlagegüter handelt, für die es in der Regel keine echten Marktpreise gibt und deren Charakter als wesentliche Grundlage des Betriebes (vgl. Urteil des BFH I 57/61 S vom 16. Januar 1962, BFH 74, 275, BStBl III 1962, 104) es ganz allgemein verbietet, den Teilwert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in einem unter dem Sachwert liegenden fiktiven Ertragswert auf der Grundlage von Mieterträgen zu suchen.
Eine Teilwertabschreibung auf Fabrikgrundstücke kommt aber in Betracht, wenn zwischen dem Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt und dem Bilanzstichtag Umstände eintreten, die es gerechtfertigt erscheinen lassen davon auszugehen, daß am Bilanzstichtag die Wiederbeschaffungskosten des Wirtschaftsgutes unter den historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Unternehmers liegen, oder wenn von einer Fehlmaßnahme gesprochen werden kann. In beiden Fällen muß der Steuerpflichtige das Vorliegen der die begehrte Teilwertabschreibung rechtfertigenden Umstände und ihre kostenmäßige Auswirkung nachweisen. Er muß die tatsächlichen Umstände so substantiiert unter gleichzeitiger Angabe des hierdurch verursachten Aufwands vortragen, daß sich die Finanzverwaltung und die Steuergerichte konkrete Vorstellungen über die Wertminderungen machen können.
Nach diesen Grundsätzen kann die Revision der KG keinen Erfolg haben.
FA und FG gingen vom Vorliegen von Fehlmaßnahmen aus. Das ist bedenklich. Denn die KG hielt offensichtlich alle von ihr gemachten Aufwendungen, auch für den Grundstückskauf im Jahr 1950, für dringend erforderlich, um sich unter Inkaufnahme von Mehrkosten Fabrikationsanlagen zu schaffen, in denen sie ihren, wie sie nicht in Abrede stellte, gut rentierenden Betrieb ausüben konnte. Die KG wußte auch beim Kauf des Grundstücks im Jahre 1950 zu einem damals vielleicht recht hohen Preis, was sie tat. Unter diesen Umständen würde es der Senat nicht beanstandet haben, wenn FA und Vorinstanz das Vorliegen einer Fehlmaßnahme schon dem Grunde nach abgelehnt hätten (vgl. Urteil des BFH I 22/61 U vom 4. Januar 1962, BFH 74, 496, BStBl III 1962, 186). Das entsprechend der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung erforderliche ständige Abreißen und Umbauen von Gebäudeteilen, wie es die KG vorträgt, stellt keine Fehlmaßnahme dar. Es könnte hier lediglich in Betracht kommen, für die Bemessung der laufenden AfA eine entsprechend geringere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Gebäudeteile anzunehmen.
Aber auch wenn man dem FG darin folgt, daß die KG das Vorliegen von Fehlmaßnahmen dem Grunde nach hinreichend dargetan hat, so kann dies zu keiner anderen Entscheidung führen. Die tatsächlichen Anschaffungs- sowie Um- und Anbaukosten der KG für die Fabrikationsgebäude betrugen in der Zeit von 1950 bis Ende 1956 rund mindestens 920 000 DM. Der Unterschied zum Buchwert vor Berücksichtigung der begehrten Teilwertabschreibung von rund 570 000 DM beträgt 350 000 DM. Berücksichtigt man im wesentlichen die vom Sachverständigen in seinem Gutachten vorgenommenen Abschläge wegen Verschachtelung, unübersichtlicher Anlage und teilweise wirtschaftlicher Überalterung der Betriebsgebäude sowie wegen ungünstiger Verkehrslage ohne den Abschlag wegen der Marktlage für Fabrikgebäude von zusammen 25 % auf die tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungspreise der Um- und Anbauten von rund 920 000 DM, so beträgt der Abschlag 230 000 DM. Unter Berücksichtigung einer Verschleißabschreibung für sechs Jahre, bemessen nach einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Gebäude von 33 1/3 Jahren = insgesamt 18 %, würde sich bei Zugrundelegung der vollen Anschaffungs-, Um- und Anbaukosten von 920 000 DM, jedoch unter Berücksichtigung der laufenden Zubauten nur für die halbe Absetzungsperiode eine Verschleißabschreibung von rund 83 000 DM ergeben. Der sich hiernach errechnende Buchwert ohne die Sonderabschreibungen würde rund 607 000 DM (920 000 DM ./. 230 000 DM ./. 83 000 DM) betragen. Niedriger kann der Teilwert der Gebäude zum 31. Dezember 1956 unter keinen Umständen sein. Da der tatsächliche Buchwert aber nur 569 792 DM betrug, lehnte die Vorinstanz das Begehren der KG auf Teilwertabschreibung mit Recht ab.
Fundstellen
Haufe-Index 412678 |
BStBl II 1968, 11 |
BFHE 1968, 125 |