Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält daran fest, daß die Frist für den Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV vom FA nicht verlängert werden kann. Die für die Abgabe der Einkommensteuererklärung allgemein den Angehörigen der steuerberatenden Berufe gewährte Fristverlängerung ist hier unbeachtlich.
Normenkette
JAV § 4 Abs. 5 S. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (steuerpflichtige Eheleute) sind Arbeitnehmer. Sie ließen für das Jahr 1965 durch die Steuerbevollmächtigte M. einen Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich stellen. Der Antrag ging am 4. August 1966 beim FA ein. Dieses wies ihn mit der Begründung zurück, daß die Frist für den Antrag am 31. Mai 1966 abgelaufen sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG stellte fest, das FA sei verpflichtet, den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1965 durchzuführen. Zur Begründung führte es aus: Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 JAV sei der Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beim FA in der Regel "spätestens am 30.4. des dem Ausgleichsjahr folgenden Kalenderjahres einzureichen". Im Falle des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs bei Ehegatten, der hier vorliege, verlängere sich die Frist "bis zum Ablauf der Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Ausgleichsjahr" (§ 4 Abs. 5 Satz 2 JAV). Es falle auf, daß die Vorschrift im Gegensatz zum WoPG und SparPG - in diesen Gesetzen heiße es, daß "der Antrag spätestens zu dem Zeitpunkt zu stellen sei, an dem die allgemeine Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr ende, in dem die prämien-begünstigten Aufwendungen gemacht worden seien" (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG, § 3 Abs. 2 Satz 1 SparPG) - nicht von der allgemeinen Frist, sondern nur von der Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung schlechthin spräche. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift sei mithin die für die Abgabe der Einkommensteuererklärung im Einzelfall in Betracht kommende Frist auch für den Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich maßgebend. In der Mehrzahl der Fälle werde dies die für die Abgabe der Einkommensteuererklärungen allgemein gesetzte Frist sein, die für die Steuererklärungen 1965 bis zum 31. Mai 1966 gelaufen habe. Sei diese Frist jedoch verlängert, wie dies für die Abgabe der von den Angehörigen der steuerberatenden Berufe aufzustellenden Steuererklärungen der Fall sei, die bis zum 31. Oktober 1966 einzureichen gewesen seien, so gelte diese Fristverlängerung ohne weiteres auch für den Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich. Nur diese Auslegung werde dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV gerecht. Sinn und Zweck der Vorschrift erforderten gerade diese Auslegung. Die Fristverlängerung in § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV sei deshalb gewährt worden, weil Arbeitnehmerehegatten statt des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs bis zum Ende der Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung die getrennte Veranlagung nach §§ 26, 26a EStG beantragen könnten (vgl. hierzu § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG) und ihnen das Wahlrecht zwischen gemeinsamem Lohnsteuer-Jahresausgleich und getrennter Veranlagung bis zum Ende der Steuererklärungsfrist ungeschmälert erhalten werden solle. Die gleichen Erwägungen träfen aber auch für die im Einzelfall verlängerte Steuererklärungsfrist zu. Eine andere Auffassung würde das gesetzliche Wahlrecht entwerten. Dieser Auffassung stehe das vom FA angeführte Urteil des BFH VI 299/60 vom 24. April 1961 (HFR 1962, 111, DB 1961, 1183 -) nicht entgegen. Zwar habe der BFH, ohne sich mit dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV im einzelnen auseinanderzusetzen, in diesem Urteil unter dem Begriff "Ablauf der Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung" die allgemein gesetzte Steuererklärungsfrist verstanden. Er habe es aber ausdrücklich dahingestellt gelassen, "ob das anders wäre, wenn ein Steuerberater vor Ablauf der allgemeinen Frist mit der Bearbeitung der Einkommensteuersache - Gleiches müsse für die Bearbeitung des Antrags auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich gelten, um den es in jenem Fall gegangen sei - betraut worden wäre". Dieser Sonderfall liege aber hier gerade vor.
Gegen das Urteil des FG legte das FA Revision ein. Zur Begründung führte es aus: Im Urteil VI R 255/66 vom 19. Januar 1968 (BFH 91, 391, BStBl II 1968, 397) habe der BFH entschieden, daß die im WoPG und SparPG genannte allgemeine Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung die Frist sei, die die obersten Finanzbehörden gemäß § 167 Abs. 3 Satz 1 AO - § 56 EStDV - bestimmten. Das müsse folgerichtig dann auch im Fall des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs für Ehegatten gelten. Die Frage, ob die in einem Einzelfall verlängerte Frist dann maßgebend sei, wenn ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe vor Ablauf der allgemeinen Frist mit der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung beauftragt worden sei, stelle sich im vorliegenden Fall nicht. Die für diesen Personenkreis eintretende zeitliche Begünstigung führe zu einer erheblichen Besserstellung im Vergleich zu den übrigen Steuerpflichtigen, die ihren Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 JAV spätestens bis zum 30. April des dem Ausgleichsjahr folgenden Kalenderjahrs stellen müßten, auch wenn sie von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten würden. Darüber hinaus bestehe kein sachliches Bedürfnis zu einer der Ansicht des FG gemäßen Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV. Es könne den Steuerpflichtigen - insbesondere bei Inanspruchnahme eines Steuerberaters - durchaus zugemutet werden, bis zum Ende der allgemeinen Steuererklärungsfrist zu entscheiden, welche der beiden Möglichkeiten (Lohnsteuer-Jahresausgleich oder getrennte Veranlagung) sie wählen wollten; dies gelte um so mehr, als der Lohnsteuer-Jahresausgleich keine Bindung für das Veranlagungsverfahren schaffe und die Steuerpflichtigen selbst dann noch innerhalb der verlängerten Frist für steuerberatende Berufe zur getrennten Veranlagung übergehen könnten, wenn bereits ein Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt worden sei (BFH-Urteil VI 24/62 U vom 20. September 1963, BFH 77, 716, BStBl III 1963, 583).
Die Revisionsbeklagten beantragen Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Der erkennende Senat hat im Urteil VI R 43/67 vom 24. Januar 1969 (BFH 94, 529, BStBl II 1969, 250) entschieden, daß die Frist für den Antrag auf den gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV vom FA nicht verlängert werden kann. Die für die Abgabe der Einkommensteuererklärung allgemein den Angehörigen der steuerberatenden Berufe gewährte Fristverlängerung ist hier unbeachtlich. Nach der Begründung des Urteils haben die Fristsetzungsbestimmungen der JAV ihre Rechtsgrundlage in § 42 Abs. 2 Nr. 3 EStG. Sie verweisen zwar, soweit es sich um die Beantragung des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs handelt, auf die für die Abgabe der Einkommensteuererklärung bestimmte Frist; diese Frist hat aber einen anderen Charakter als die Frist in der JAV. Die Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung kann nach § 167 Abs. 4 Satz 1 AO verlängert werden. Die Fristüberschreitung hat in der Regel nur geringfügige Folgen. Das FA hat die Veranlagung auf jeden Fall durchzuführen und erhebt im allgemeinen lediglich einen Verspätungszuschlag. Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich handelt es sich dagegen um einen Erstattungsfall. Anträge auf Erstattung sind bereits nach den grundlegenden Vorschriften der §§ 150 ff. AO fristgebunden mit der Folge, daß die Fristversäumnis zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs führt. Fristen dieser Art sind Ausschlußfristen. Sie können nicht verlängert werden (vgl. § 83 Abs. 1 Satz 3 AO). Für die Fristen des § 4 Abs. 5 JAV gilt nichts anderes, und zwar nicht nur, soweit es sich um die mit dem 30. April ablaufende Frist des § 4 Abs. 5 Satz 1 JAV handelt, sondern auch insoweit, als die Frist nach § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV nach der Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung bemessen ist. Daß weder diese noch jene Frist verlängert werden kann, ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, daß nach § 4 Abs. 5 Satz 3 JAV für den Fall der Fristüberschreitung die - nur bei Versäumung von Ausschlußfristen in Betracht kommende - Möglichkeit der Nachsichtgewährung vorgesehen ist (vgl. auch das Urteil VI 299/60, a. a. O.).
Das Urteil steht im Einklang mit dem zu § 3 Abs. 2 Satz 1 SparPG ergangenen Urteil VI R 255/66 (a. a. O.), mit dem eine frühere abweichende Rechtsprechung aufgegeben wurde.
Der Senat verbleibt auch nach nochmaliger Überprüfung bei dieser Entscheidung und der hierfür gegebenen Begründung. Die Auslegung des FG vermag nicht zu überzeugen. Daraus, daß in § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV nur von der "Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärung" die Rede ist, während § 4 Abs. 2 Satz 1 WoPG und § 3 Abs. 2 Satz 1 SparPG von der allgemeinen Frist für die Abgabe der Steuererklärung sprechen, kann nichts hergeleitet werden. Auch in § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV ist nur von einer Frist die Rede, und das kann bei sinngemäßer Auslegung nur die allgemeine Frist für die Abgabe der Einkommensteuererklärungen des Ausgleichsjahrs sein. Es werden von der Finanzverwaltung nicht zwei Erklärungsfristen festgesetzt, eine für diejenigen Steuerpflichtigen, die ihre Einkommensteuererklärungen selbst abgeben, und eine für die Angehörigen der steuerberatenden Berufe; für die letzteren Fälle wird vielmehr nur die allgemein geltende Frist verlängert. Diese Fristverlängerung ist aber, wie der Senat im Urteil VI R 43/67 (a. a. O.) ausgeführt hat, für die Frist des § 4 Abs. 5 Satz 2 JAV ohne Bedeutung, weil diese Frist als Ausschlußfrist nicht verlängert werden kann.
Das FA hat zutreffend darauf hingewiesen, daß nur die vom erkennenden Senat der in Betracht kommenden Vorschrift gegebene Auslegung den Interessen der Lohnsteuerpflichtigen an einem geordneten Ablauf der Lohnsteuer-Jahresausgleichsarbeiten, dem bei der allgemein praktizierten Durchführung im mechanisierten Verfahren erhöhte Bedeutung zukommt, gerecht wird.
Ob dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich bei Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Antragsfrist entsprochen werden könnte, braucht nicht geprüft zu werden. Zwar kann auch ein entschuldbarer Irrtum über Beginn oder Ablauf einer Frist ein Nachsichtgrund sein (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 86 AO Anm. 15). Ein solcher entschuldbarer Irrtum konnte bei der Vertreterin der Revisionsbeklagten aber seit der Veröffentlichung des BFH-Urteils VI R 43/67 (a. a. O.) nicht mehr bestehen.
Fundstellen
Haufe-Index 412978 |
BStBl II 1972, 41 |
BFHE 1972, 161 |