Entscheidungsstichwort (Thema)
Sammeln der Einnahmebelege als Entscheidungsäußerung zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG; Zufluß von Provisionsvorschüssen; "Behaltendürfen" ist kein Zuflußmerkmal
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung eines Steuerpflichtigen, seinen Gewinn durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG zu ermitteln, muß sich nach außen dokumentiert haben. Das Sammeln z.B. der maßgebenden Einnahmenbelege reicht hierfür aus (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 30.September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301).
2. Ermittelt ein Handelsvertreter den Gewinn durch Überschußrechnung, so muß er die erhaltenen Provisionsvorschüsse gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 EStG im Jahr des Zuflusses als Einnahmen ansetzen.
3. Provisionsvorschüsse sind auch dann zugeflossen, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, daß sie teilweise zurückzuzahlen sind. Das "Behaltendürfen" ist nicht Merkmal des Zuflusses i.S. des § 11 Abs.1 EStG (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
Orientierungssatz
1. Die Wahl zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und nach § 4 Abs. 3 EStG wird in der Regel durch schlüssiges Verhalten ausgeübt. Erstellt der Steuerpflichtige eine Eröffnungsbilanz und richtet er eine Buchführung ein, so hat er sich für eine Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 29.4.1982 IV R 95/79); hat er dagegen nur Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er aufgrund der von ihm getroffenen Gestaltung die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gewählt. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts gehört nicht die Kenntnis der steuerlichen Folgen der einmal getroffenen Wahl.
2. Provisionsvorschüsse eines Handelsvertreters als Darlehen: Die Annahme eines "echten" Darlehens setzt eine klare Vereinbarung voraus, aus der zu entnehmen ist, daß der als Darlehen gewährte Betrag in keinerlei Zusammenhang mit den originären Ansprüchen aus dem Handelsvertretervertrag steht. Im Streitfall fehlte es an einer solchen (zusätzlichen) Vereinbarung. Es wurde auch keine Abrede über eine Verzinsung getroffen; auch zur Rückzahlung war in dem Vertrag lediglich für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens des Handelsvertreters etwas gesagt.
3. Gibt ein Gewerbetreibender, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, seinen Betrieb auf, ist der Wert des Betriebsvermögens für den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Das hat zur Folge, daß zunächst der laufende Gewinn des Jahres der Betriebsaufgabe durch Zuschläge und Abschläge zu korrigieren ist (vgl. BFH-Urteil vom 1.7.1981 I R 134/78).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 11 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in der Zeit von Mai 1980 bis Januar 1981 als Immobilienverkäufer für eine Immobilien und Finanzierungs Vermittlungs Gesellschaft mbH (A-GmbH) tätig. Er hatte mit dieser am 19.Mai 1980 einen "Vertrag über freie Mitarbeit" geschlossen. In der Vertragsurkunde war u.a. bestimmt worden:
"1. ...
b) Der Mitarbeiter ist Handelsvertreter entsprechend HGB § 84/3 und selbständiger Gewerbetreibender. ... Ebenso hat er zur Umsatzsteuer zu optieren. ...
4. Zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche aus seiner Tätigkeit erhält der Mitarbeiter nach erfolgreicher Vermittlung folgende Provisionen inclusive MWSt: ...
5. Die vorstehenden Provisionssätze kommen zum Tragen, wenn ...
Die Provisionszahlungen werden fällig und abgerechnet zum letzten Werktage eines Kalendervierteljahres, vorausgesetzt, daß die Provision zugunsten A bis zum 15. des letzten Quartalsmonates eingegangen ist. Der Mitarbeiter erhält jeweils zum 1. eines Monats eine Vorschußzahlung in Höhe von DM 3 000 (i.W. Dreitausend), die in der jeweils folgenden Gesamtabrechnung gegen fällige Provisionen aufgerechnet wird. Vor der Aufrechnung gelten diese Vorschußzahlungen als Darlehen der A zugunsten des Mitarbeiters. Bei vorzeitigem Ausscheiden sind die aufgelaufenen Summen zur sofortigen Rückzahlung fällig, sofern sich keine Aufrechnungsmöglichkeit ergibt. ..."
Der Kläger kündigte diesen Vertrag bereits zu Beginn des Jahres 1981 fristlos. Die A-GmbH verlangte daraufhin von ihm die Rückzahlung des größten Teils der monatlich geleisteten Vorschüsse. Sie erwirkte am 19.Mai 1981 einen entsprechenden Mahnbescheid gegen den Kläger. Dieser leistete im Jahre 1981 jedoch keine Rückzahlungen mehr.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1980 und 1981 machte der Kläger keinerlei Angaben zu seiner Vermittlungstätigkeit. Dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) war jedoch eine Kontrollmitteilung zugegangen, wonach die A-GmbH an den Kläger im Jahre 1980 32 000 DM und im Jahre 1981 3 000 DM gezahlt hat. Das FA rechnete dem Kläger daher bei der Einkommensteuerveranlagung 1980 gewerbliche Einkünfte in Höhe von 32 000 DM zu. Für 1981 erließ es einen Änderungsbescheid nach § 173 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977), in dem es u.a. 3 000 DM gewerbliche Einkünfte des Klägers ansetzte.
Die gegen beide Bescheide erhobenen Einsprüche und Klagen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging in seinen Urteilen davon aus, daß der Kläger von der A-GmbH in den Streitjahren zu versteuernde Provisionsvorauszahlungen erhalten habe. Er selbst habe zwar im Hinblick auf Satz 3 der Tz.5 des Vertrages mit der A-GmbH von einem Darlehen und damit nicht steuerbaren Zuflüssen ausgehen können; bei objektiver und richtiger Wertung der getroffenen Feststellungen liege aber kein Darlehen vor. Die von der A-GmbH vorschußweise geleisteten Zahlungen seien beim Kläger vielmehr nach § 4 Abs.3 und § 11 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in den Streitjahren als steuerpflichtige Einnahmen zu erfassen. Eventuelle Rückzahlungen könnten erst in späteren Jahren beim tatsächlichen Abfluß berücksichtigt werden.
Mit den gegen beide Urteile eingelegten Revisionen, die der erkennende Senat zugelassen hat, rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Er beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide in der Weise zu ändern, daß die Einkünfte aus Gewerbebetrieb jeweils nach § 4 Abs.1 EStG ermittelt werden und dabei zum 31.Dezember 1980 eine Verbindlichkeit in Höhe von 32 000 DM und zum 31.Dezember 1981 eine solche in Höhe von 35 000 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Verfahren III R 30/85 und III R 31/85 werden gemäß §§ 121, 73 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Revisionen des Klägers führen zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Streitsachen an das FG.
Die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen tragen nicht deren Entscheidung, daß der Gewinn des Klägers aus dessen Vermittlungstätigkeit für die A-GmbH in den Streitjahren nach § 4 Abs.3 EStG zu ermitteln sei. Weiter hat das FG nicht berücksichtigt, daß der Kläger gleichzeitig mit der Kündigung des Vertrages mit der A-GmbH im Streitjahr 1981 --nach Aktenlage-- auch seine gewerbliche Tätigkeit insgesamt einstellte.
a) Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (§ 4 Abs.1 EStG). Ein gewisser Personenkreis kann allerdings anstelle des durch Bestandsvergleich ermittelten Gewinns auch den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (§ 4 Abs.3 Satz 1 EStG). Zu dieser Wahl ist berechtigt, wer nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen (vgl. § 4 Abs.3 Satz 1 EStG).
Auch der Kläger gehörte zu dem Personenkreis, der eine solche Wahl treffen konnte. Er war gemäß § 1 Abs.1 und Abs.2 Nr.7 i.V.m. § 84 des Handelsgesetzbuches (HGB) zwar Kaufmann. Doch erforderte seine Tätigkeit nicht einen eigenen, in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, da ihm die A-GmbH einen voll eingerichteten "Arbeitsplatz" zur Verfügung gestellt hatte (s. Tz.2 a des Handelsvertretervertrages). Der Kläger war demnach Minderkaufmann, für den nach § 4 HGB keine Pflicht zur Buchführung gemäß § 38 HGB a.F. bestand. Damit kommt auch eine entsprechende Verpflichtung nach § 140 AO 1977 nicht in Betracht; für eine Buchführungspflicht nach § 141 AO 1977 ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Die --sonach auch dem Kläger zustehende-- Wahl zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG und nach § 4 Abs.3 EStG wird in der Regel durch schlüssiges Verhalten ausgeübt. Erstellt der Steuerpflichtige eine Eröffnungsbilanz und richtet er eine Buchführung ein, so hat er sich für eine Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs.1 EStG) entschieden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.April 1982 IV R 95/79, BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593); hat er dagegen nur Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er aufgrund der von ihm getroffenen Gestaltung die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG gewählt. An die Dokumentation der zugunsten der Überschußrechnung getroffenen Wahl sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen. Das Erstellen und Sammeln der Einnahmen- und Ausgabenbelege reicht aus; denn diese Belege können bei Erfüllung nur geringer zusätzlicher Voraussetzungen (insbesondere bei vollständiger und zeitlich fortlaufender Ablage verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung) die Funktion von Grundaufzeichnungen übernehmen. Fehlt es allerdings auch an derartigen Aufzeichnungen und am Sammeln von Belegen, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Steuerpflichtige eine Wahl zugunsten der Überschußrechnung getroffen hat (so im Ergebnis auch Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Rdnr.D 32). In diesem Fall bleibt es bei der Grundregel des § 4 Abs.1 EStG, daß der Gewinn nach § 4 Abs.1 EStG durch Bestandsvergleich zu ermitteln ist (BFH-Urteil vom 30.September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301).
Im Streitfall besteht die naheliegende Möglichkeit, daß der Kläger --entsprechend Tz.5 des von ihm geschlossenen Vertrags-- jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahres gegenüber der A-GmbH abgerechnet und die betreffenden Belege gesammelt hat; dies würde für die Annahme ausreichen, daß sich der Kläger für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG entschieden hat. Das FG hat hierzu allerdings keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Die Streitsachen müssen deshalb zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
Sollte das FG feststellen, daß der Kläger über Aufzeichnungen oder eine Belegsammlung verfügte, die als Grundlage für eine Überschußrechnung ausreichen, so kann er demgegenüber allerdings nicht mit Erfolg einwenden, er sei sich nicht bewußt gewesen, steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen, so daß er gar keine Wahl zur Art der Gewinnermittlung habe treffen können.
Der Kläger hat vor Aufnahme seiner Tätigkeit eine Vereinbarung mit der A-GmbH unterzeichnet, die ihn ausdrücklich als selbständigen Gewerbetreibenden auswies. Weiter hatte sich der Kläger in derselben Vereinbarung verpflichtet, "zur Umsatzsteuer zu optieren". Ihm mußte demnach die steuerliche Relevanz seines Tuns bekannt sein.
Wenn sich der Kläger möglicherweise über die einzelnen Folgen seines Verhaltens im Unklaren war, so ist das unerheblich. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des nach § 4 Abs.3 Satz 1 EStG eingeräumten Wahlrechts gehört nicht die Kenntnis der steuerlichen Folgen der einmal getroffenen Wahl.
b) Kommt das FG erneut zu dem Ergebnis, daß der Gewinn des Klägers nach § 4 Abs.3 EStG zu ermitteln sei, dann mußten die ihm zugeflossenen Provisionsvorschüsse gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 EStG auch in den Streitjahren als Einnahmen erfaßt werden.
aa) Die vom Kläger in Empfang genommenen Vorschüsse hatten ihre Grundlage in dem mit der A-GmbH geschlossenen Handelsvertretervertrag. Sie sollten nach Tz.5 Satz 2 dieses Vertrages später auf die fälligen Provisionen angerechnet werden. Es handelte sich mithin um Vorauszahlungen auf noch zu bewirkende Leistungen. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die Vorschußzahlungen nach Tz.5 Satz 3 des Vertrages "als Darlehen gelten" sollten. Weder die A-GmbH noch der Kläger konnten dadurch eine von der Anrechnungsverpflichtung unabhängige, zusätzliche Schuld begründen. Die Annahme eines "echten" Darlehens würde eine klare Vereinbarung voraussetzen, aus der zu entnehmen ist, daß der als Darlehen gewährte Betrag in keinerlei Zusammenhang mit den originären Ansprüchen aus dem Handelsvertretervertrag steht (vgl. hierzu schon das Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 30.April 1935 VI A 1015/34, RStBl 1935, 1173, zur Vorauszahlung auf eine Tantieme, und das BFH-Urteil vom 11.Oktober 1983 VIII R 61/81, BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267, zur Pachtvorauszahlung; ebenso für Provisionsvorschüsse an Handelsvertreter Deon, Besteuerung der Handelsvertreter, 7.Aufl., Nr.6 a, S.11).
An einer solchen (zusätzlichen) Vereinbarung fehlt es im Streitfall. Ungeachtet dessen wurde auch keine Abrede über eine Verzinsung getroffen; auch zur Rückzahlung ist in dem Vertrag lediglich für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers etwas ausgesagt (vgl. zu diesen Erfordernissen auch die BFH-Entscheidungen in BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593, und vom 25.April 1985 IV S 10/84, BFH/NV 1986, 665, zu vorschußweise erhaltenen Rechtsanwaltshonoraren).
bb) Dem Kläger sind die Vorschüsse in den Streitjahren gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 EStG zugeflossen. Daß er seine Leistungen --jedenfalls teilweise-- noch nicht erbracht hatte, ist demgegenüber unerheblich; darin unterscheidet sich die Gewinnermittlung durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG von jener durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs.1 EStG (s. hierzu auch das Urteil in BFH/NV 1986, 665, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
cc) Ebensowenig könnte bei einer Überschußrechnung in den Streitjahren schon berücksichtigt werden, daß der Kläger die empfangenen Vorschüsse in späteren Jahren zum großen Teil wieder zurückzahlen mußte; dieser Vorgang wirkt sich bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG --gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 EStG-- erst in den späteren Veranlagungszeiträumen einkünfte- oder einkommensmindernd aus (so die weitaus überwiegende Auffassung; s. insbesondere Urteil in BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593, mit zahlreichen Hinweisen; ebenso Deon, a.a.O., Nr.6 b, S.11; von Gamm, Die Besteuerung der Handelsvertreter, 1988, Rdnr.240; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 11 Anm.2 g; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 11 EStG Rdnrn.100 ff.; a.A. Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 11 Rdnr.B 70 ff.). Der erkennende Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Das "Behaltendürfen" des Zugeflossenen ist nicht Merkmal des Zuflusses i.S. des § 11 EStG. Die Verfügungsmacht muß nicht endgültig erlangt sein. Auch beim Vermögensvergleich würde wegen einer drohenden Rückforderung der Zufluß als solcher nicht annulliert; es würde nur ein Gegenposten gebildet (Wolff-Diepenbrock, a.a.O., § 11 EStG Rdnr.102). Schließlich können die Folgen des § 11 EStG ggf. durch § 10d EStG abgemildert werden. Das gilt auch für den Kläger. Denn für den Verlustabzug (einschließlich eines evtl. Verlustrücktrages) ist ab dem Veranlagungszeitraum 1975 (rückwirkend) nicht mehr Voraussetzung, daß der Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wurde.
dd) Andererseits müßte das FG jedoch bereits in den Streitjahren angefallene Betriebsausgaben berücksichtigen. Die A-GmbH hatte mit Ausnahme der Provisionszahlung und der Zurverfügungstellung des Arbeitsplatzes keine weiteren Leistungsverpflichtungen übernommen (s. insbesondere Tz.4 des Handelsvertretervertrages). Vor allem im Hinblick darauf liegt es nahe, daß dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit Aufwendungen (z.B. für Fahrten) entstanden sind, die nach § 4 Abs.4 EStG als Betriebsausgaben abziehbar sind. Es ist dem Kläger unbenommen, entsprechende Aufwendungen geltend zu machen und nachzuweisen.
c) Weiter hat das FG nicht festgestellt, ob der Kläger --wovon nach Aktenlage allerdings auszugehen sein dürfte-- anläßlich der fristlosen Kündigung des Vertrages mit der A-GmbH im Jahre 1981 seine gewerbliche Vermittlungstätigkeit insgesamt eingestellt hatte.
War dies der Fall, ist auch zu prüfen, ob im Jahre 1981 ein Aufgabegewinn oder -verlust entstanden ist. Dies setzt u.a. die Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens des Klägers für den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nach § 4 Abs.1 EStG voraus (§ 16 Abs.2 Satz 2 und Abs.3 Satz 1 EStG). Das wiederum hat zur Folge, daß zunächst der laufende Gewinn des Jahres 1981 durch Zu- und Abschläge zu korrigieren ist (siehe hierzu u.a. das BFH-Urteil vom 1.Juli 1981 I R 134/78, BFHE 134, 20, BStBl II 1981, 780, mit zahlreichen Hinweisen).
d) Kann das FG hingegen nicht feststellen, daß der Kläger sein Wahlrecht zugunsten der Überschußrechnung ausgeübt hat, ist der laufende Gewinn in beiden Streitjahren gemäß § 4 Abs.1 EStG das durch Vermögensvergleich ermittelte Betriebsergebnis. Hierfür ist dann insbesondere zu prüfen, ob und inwieweit der Kläger die von der A-GmbH erhaltenen Beträge (wieder) als Anzahlungen hätte passivieren müssen (siehe hierzu insbesondere die BFH-Urteile vom 4.August 1976 I R 145/74, BFHE 119, 468, BStBl II 1976, 675, unter Nr.4 der Entscheidungsgründe, und vom 3.Juli 1980 IV R 138/76, BFHE 131, 57, BStBl II 1980, 648, unter Buchst.a der Entscheidungsgründe). Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, daß der Kläger aufgrund des bestandskräftig gewordenen Mahnbescheids vom 19.Mai 1981 in späteren Jahren einen Großteil der erhaltenen Vorschüsse wieder zurückzahlen mußte.
Fundstellen
Haufe-Index 62932 |
BFH/NV 1990, 18 |
BStBl II 1990, 287 |
BFHE 159, 123 |
BFHE 1990, 123 |
BB 1990, 484 (L) |
DB 1990, 664-665 (ST) |
DStR 1990, 209 (KT) |
HFR 1990, 238 (LT) |
StE 1990, 86 (K) |