Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Für ein verbrauchsteuerbares Erzeugnis des freien Verkehrs, für das eine Nachsteuerschuld entstanden und das zu deren Sicherung in einem Steuerlager eingelagert ist, ist bei der Auslagerung nur die Nachsteuer in unveränderter Höhe zu entrichten.
Die Haftung nachsteuerbarer Erzeugnisse für die Nachsteuer entsteht nach § 121 Absatz 2 AO gleichzeitig mit der Nachsteuerschuld.
Dazu KRG Nr 27 (Branntweinsteuer) vom 10. Mai 1946, Amtsblatt des KR S. 149, Artikel I Teil 1 und Artikel IV Teil 1 und 3; Gesetz des Wirtschaftsrats zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948, WiGBl. S. 103, § 1, Abschnitt I, Teil 1 .
Normenkette
AO § 121 Abs. 2
Tatbestand
Artikel I Teil 1 des am 17. Mai 1946 in Kraft getretenen Kontrollratgesetzes (KRG) Nr 27 (Branntweinsteuer) vom 10. Mai 1946, Amtsblatt des Kontrollrats S. 149, hat "die Steuersätze auf Branntwein für das Hektoliter (Hektolitereinnahme)" bei Trinkbranntwein auf 11.470 RM / 1 hl festgesetzt. Nach Artikel IV Teil 1 fallen "unter die neue Steuer ... alle Bestände an gereinigtem Branntwein, die sich zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Handel oder in Industrie-Unternehmungen befinden und nach den neuen Steuersätzen besteuert werden würden, wenn sie sich in Raffinerien befänden". Nach Artikel IV Teil 3 KRG Nr 27 war "der Unterschied zwischen dem neuen und dem alten Steuerbetrag ... von dem Inhaber der Vorräte innerhalb eines Monats an das zuständige Steueramt als eine Sondersteuer zu zahlen", d. h. er wurde am 17. Juni 1946 fällig. Zu dieser Zeit war Trinkbranntwein aber zwangsbewirtschaftet und wegen dieser Verfügungsbeschränkung nicht frei absetzbar. Die Sondersteuerschuldner waren daher in den meisten Fällen nicht in der Lage, die Sondersteuer ohne Gefährdung ihrer Existenz zu entrichten und haben deshalb ihre sondersteuerbaren Bestände in vorhandene oder in neu errichtete Lager unter amtlichem Mitverschluß aufnehmen lassen. So hat auch der Beschwerdeführer (Bf.), der auf seinem Branntweineigenlager durch Mischen ausländischen puren Rums mit Monopolsprit gewerbsmäßig Rumverschnitt herstellt, seinen puren Rum, für den die Hektoliter-Einnahme mit 475 RM für 1 hl entrichtet war und der sich daher im freien Verkehr befand, auf sein Branntweineigenlager genommen. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes des Wirtschaftsrates zur änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948, Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (WiGBl.) S. 103, am 23. Oktober 1948, nach dessen § 1 Abschnitt I Teil 1 die Steuer für 1 hl Weingeist für Trinkbranntwein auf 1.000 DM herabgesetzt wurde, hat der Bf. vom 25. Oktober 1948 ab den Rumverschnitt, in dem ja der mit der Sondersteuer belastete pure Rum enthalten war, in Teilmengen "zur überführung in den freien Verkehr" angemeldet. Dieser Rumverschnitt ist auf Grund des Gesetzes vom 21. Oktober 1948 zum Steuersatz von 1.000 DM für 1 hl tatsächlich zum freien Verkehr abgefertigt worden.
Gegen diese Abfertigungen hat der Bf., soweit sie den sondersteuerbaren puren Rum betrafen, mit Schriftsatz vom 22. Dezember 1948 "Einspruch" erhoben mit dem Antrag, zur Kostenersparnis zunächst nur über die "Anfechtung" gegen den Steuerbescheid vom 6. Dezember 1948 über 157 Flaschen Rumverschnitt mit 44 Liter Weingeist (Branntweinlagerbuch Abt. 3 Nr. 22), die kleinste Menge der verschiedenen angefochtenen Abfertigungen, zu entscheiden, durch den für die 44 Liter Weingeist 440 DM Abgaben gefordert worden sind. Diese sind entrichtet worden. Der Steuerbescheid trägt den nachträglich zugesetzten amtlichen Vermerk vom 6. Februar 1950: "Es handelt sich nach den Geschäftsbüchern der Firma H. H. Pott Nachf. (der Beschwerdeführerin) um Rumverschnitt. Zur Herstellung der 157 Flaschen wurde purer Rum in einer Menge von 2,5 Liter Weingeist gebraucht. Der pure Rum stammt aus den Beständen, die mit der Sondersteuer von 10.995 RM belastet sind."
Die Anfechtung ist durch den Schriftsatz vom 3. Januar 1949 begründet worden. Durch Schriftsatz vom 26. Januar 1950 hat der Bf. gegen den Steuerbescheid vom 6. Dezember 1948 Berufung eingelegt mit dem Antrag, den Steuerbescheid Nr 3/22 vom 6. Dezember 1948 aufzuheben und "die für 2,5 Liter Weingeist puren Rum geforderte Sondersteuer von 25 DM hilfsweise 11,85 DM an ihn zurückzuzahlen". Auf die Begründung dieses Antrages wird Bezug genommen.
Das Urteil des Finanzgerichts hat auf die Berufung den Steuerbescheid dahin "geändert, daß die Steuerschuld für den zur Herstellung des Rumverschnitts verwendeten puren Rum in einer Menge von 2,5 Liter reinen Alkohol 23,80 DM beträgt".
Das Urteil meint, durch die Aufnahme des mit der Sondersteuer belasteten Rumverschnitts in das Branntweineigenlager sei die Sondersteuerschuld in eine Branntweinsteuerschuld gewöhnlicher Art übergegangen, deshalb sei nach § 91 des Branntweinmonopolgesetzes (BrMonG) bei Auslagerung die Hektoliter-Einnahme nach den dabei geltenden Sätzen zu erheben gewesen, d. h. nach dem Satz von 1.000 DM für 1 hl des Gesetzes vom 21. Oktober 1948. Von diesen hat das Urteil den früheren Steuersatz von 475 RM / 1 hl, umgestellt auf 47,50 DM/1 hl, abgezogen und hat die Sondersteuer für die 2,5 Liter puren Rum auf 2,5 X 952,50 : 100 = 23,80 DM berechnet.
Gegen dieses Urteil des Finanzgerichts hat das Hauptzollamt Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt mit dem Antrag, "unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage kostenpflichtig abzuweisen".
Der Bf. hat durch den Schriftsatz vom 11. Juli 1950 ebenfalls Rb. eingelegt und hat beantragt,
"1. unter Abänderung des Urteils des Finanzgerichts und unter Aufhebung des Steuerbescheids des Hauptzollamts wird das Hauptzollamt verurteilt, an die Berufungsklägerin die für 2,5 Liter Weingeist purer Rum geforderte Sondersteuer von 25 DM zurückzuzahlen;
hilfsweise
den Rechtsstreit zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen,
Zahlung von 11,85 DM für 2,5 Liter Weingeist puren Rum".
Der Bf. hat Anberaumung der mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Rechtsbeschwerden sind durch den Schriftsatz des Hauptzollamts und durch den des Bf. begründet worden. Auf den Inhalt dieser Begründung wird ebenfalls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Bf. rügt zunächst Mangel an rechtlichem Gehör, weil ihm die Berufungsbeantwortung des Hauptzollamts nicht zugänglich gemacht worden sei. Eine solche ist aber nicht abgegeben worden. Das Hauptzollamt hat in seinem Bericht vom 25. Februar 1950 lediglich auf die einschlägigen Erlasse und Aufsätze in der Fachpresse Bezug genommen, hat "von einer weiteren sachlichen Stellungnahme" aber abgesehen. Unter diesen Umständen sind § 269 Absatz 2 und § 256 Absatz 1 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht verletzt (ß 288 Teil 2 AO).
A. Der Bf. ist der Ansicht, die Sondersteuer des Artikel IV KRG Nr. 27 sei nicht auf gereinigten Branntwein anzuwenden, der verarbeitet ist, jedenfalls aber nicht auf gereinigten verarbeiteten Branntwein, der wie der pure Rum erst ein Halbfabrikat darstelle. Diese Annahme findet in dem KRG Nr 27 keine Stütze. Artikel IV spricht nur von gereinigtem Branntwein (rectified alcohol, alcohols rectifies) schlechthin und macht zwischen bearbeitetem und nicht bearbeitetem und zwischen Halb- und Fertigerzeugnissen keinen Unterschied. Dafür würde auch ein verständlicher Grund fehlen, wo die Sondersteuer ungerechtfertigte Konjunkturgewinne an Beständen verhindern soll, die zu dem niedrigeren bisherigen Steuersatz versteuert worden sind, Gewinne, die mit verarbeiteten ebenso wie mit unverarbeiteten und mit Halb- ebenso wie mit Fertigfabrikaten erzielt werden können.
Die Sondersteuer (special tax, impot exceptionnel) auf Branntwein des freien Verkehrs ist nach dem Sprachgebrauch der deutschen Verbrauchsteuergesetze nichts anderes als eine Nachsteuer, eine einmalige Abgabe, eine Verbrauchsteuer wie jede andere, die rechtlich nur die Bedeutung hat, daß der Verpflichtung zur Entrichtung der erhöhten Steuer rückwirkende Kraft beigelegt ist.
- Urteil des Reichsfinanzhofs III a A 36/20 S vom 2. Juli 1920, Bd. 3 S. 156; Entscheidung des Reichsgerichts V 260/10 vom 28. Juni 1910, RGSt Bd. 44 S. 33 - -.
Solche Nachsteuern hat es im deutschen Verbrauchsteuerrecht bei Erhöhungen von Steuersätzen von jeher gegeben. So haben z. B. der Nachsteuer des § 145 des Branntweinsteuergesetzes (BrStG) vom 15. Juli 1909, Reichsgesetzblatt (RGBl.) S. 661, auch "Branntwein aller Art und Branntweinfabrikate ... (unterlegen), sofern sie sich beim Inkrafttreten des Gesetzes im freien Verkehr befanden ... nach näherer Bestimmung des Bundesrats" in der Branntweinnachsteuerordnung vom 9. September 1909, RGBl 1909 S. 1255. "Branntwein aller Art" war sowohl trinkbarer wie nicht trinkbarer äthylalkohol in reinem Zustand wie vermischt mit Wasser oder anderen Stoffen (Trautvetter bei Stenglein, Anm. 1 - 3 zu § 145 i. V. mit Anm. 4 zu § 9 BrStG vom 15. Juli 1909).
Der pure Rum als solcher wie der zu Rumverschnitt verarbeitete fällt danach unter die Sondersteuer. In dieser Hinsicht wird den Ausführungen auf S. 10 - 12 des Urteils beigetreten, die im Ergebnis mit dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen III V 7150 - 13/49 vom 5. Dezember 1949 übereinstimmen.
B. Der die Nachsteuerschuld begründende Tatbestand im Sinn von § 3 Absatz 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), "an den das Gesetz die Steuer knüpft", ist hier nach Artikel IV Teil 1 i. V. mit Teil 2 KRG Nr 27 das Vorhandensein von gereinigtem Trinkbranntwein des freien Verkehrs am 17. Mai 1946 (dem Tag des Inkrafttretens des KRG Nr 27) im Großhandel und in Industrieunternehmungen. Für diese Bestände entstand die Nachsteuerschuld kraft Gesetzes in Höhe des Unterschieds zwischen dem Steuersatz von 11.470 RM (in Artikel I Teil 1 KRG Nr 27) und dem bisherigen von 475 RM (in § 11 der Kriegswirtschaftsverordnung vom 4. September 1939, RGBl. I S. 1609, i. d. F. von § 8 Teil 2 der Verordnung über die Lenkung von Kaufkraft vom 30. Oktober 1941, RGBl. I S. 664), d. h. also in Höhe von 10.995 RM / 1 hl Weingeist endgültig und unveränderlich (vgl. Hepp in "Die Alkoholindustrie" 1949 S. 408).
Soweit Zollstellen von der Einziehung dieser am 17. Juni 1946 fällig gewordenen Nachsteuer abgesehen haben, haben sie Vollstreckungsaufschub im Sinn von § 57 Absatz 1 der Beitreibungsordnung (ß 99 AO) gewährt und haben dadurch die Fälligkeit der Nachsteuerschuld auf zunächst unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Da der Branntwein für die Nachsteuer als Verbrauchsteuer nach § 121 Absatz 1 Satz 1 AO haftete und diese Haftung mit der Nachsteuerschuld am 17. Mai 1946 entstand (vgl. § 121 Absatz 2 AO), ist der Branntwein zur Sicherung dieser Haftung mit seiner Einlagerung unter amtlichem Mitverschluß durch die Zollverwaltung in Besitz genommen, d. h. mit Beschlag belegt worden (vgl. Riewald Anm. 3 zu § 121 AO). Dem Branntwein sollte dadurch nicht der Charakter eines unversteuerten Erzeugnisses mit der Wirkung beigelegt werden, daß sich der Nachsteuersatz nach der Zeit der Auslagerung richtete, also mit einer Senkung fallen und mit einer Erhöhung steigen mußte; und diese Wirkung konnte die Einlagerung deshalb überhaupt nicht zeitigen, weil die Nachsteuer ja am 17. Mai 1946 endgültig und unveränderbar entstanden und so mit dem 17. Juni 1946 fällig geworden war. Daran konnte auch das Verfahren bei der Einlagerung und Auslagerung (vgl. Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1950 S. 146 Teil 2) nichts ändern. Hätte die Einlagerung als Beschlagnahme zur Sicherung der Haftung aus § 121 AO den mit der Nachsteuer belasteten Branntwein des freien Verkehrs zu einem unversteuerten Erzeugnis des gebundenen Verkehrs gemacht, so müßte für ihn bei der Auslagerung neben der Nachsteuer die allgemeine Branntweinsteuer nach deren Satz zur Zeit der Auslagerung entrichtet werden, wie es Hepp in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1950 S. 205 dargelegt hat. Daß die Nachsteuerschuld aber gar in "eine Branntweinsteuerschuld gewöhnlicher Art" übergegangen sei, wie es die Vorinstanz angenommen hat, läßt sich rechtlich nicht begründen. Zur Sicherung der Haftung aus § 121 AO hätte der Branntwein auch in irgend einem anderen Raum, der nicht Branntweinlager war, unter amtlichem Mitverschluß aufbewahrt, ja sogar einfach mit einem Verfügungsverbot mit den strafrechtlichen Folgen seiner Verletzung aus § 137 StGB nach § 121 Absatz 1 Satz 3 AO belegt werden können. Bei diesem Sicherungscharakter der Lagerung war weder eine formelle Abfertigung zum noch eine ebensolche vom Lager erforderlich und geboten und konnte die sonst solchen Abfertigungen eigene Wirkung nicht hervorrufen.
Unter diesen Umständen war bei der Aufhebung der Sicherung unter Entfernung des Branntweins aus dem Lager nur die Nachsteuer unverändert zum Satz von 10.995 RM / 1 hl = 1.099,50 DM/1 hl Weingeist unter Abzug der auf Empfehlung der Verwaltung für Finanzen in III V 7150 - 16/48 vom 23. September 1949 erlassenen 99,95 DM/1 hl, d. h. also zum Satz von 1.000 DM/1 hl zu entrichten. Artikel IV des KRG Nr 27 i. V. mit dem Erlaß der 99,95 DM ist danach die Grundlage für die Abgabeforderung und nicht, wie das Urteil meint, das Gesetz des Wirtschaftsrates vom 21. Oktober 1948. Da in den 10.995 RM / 1 hl die vordem zu zahlenden und gezahlten 475 RM / 1 hl durch Abzug von den 11.470 RM / 1 hl des KRG Nr 27 berücksichtigt sind, waren sie nicht mehr abzusetzen. Diese Rechtslage hat das Urteil vom 16. Juni 1950 verkannt. Es war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Für die 2,5 Liter puren Rum waren nach dem Gesagten 2,5 X 1000 : 100 = 25 DM zu entrichten) für die übrigen 44 - 2,5 Liter = 41,5 Liter Weingeist des Steuerbescheides vom 6. Dezember 1948 war die Branntweinsteuer zum Satz des Gesetzes vom 21. Oktober 1948 und zwar ebenfalls mit 1.000 DM/1 hl zu bezahlen). Danach war, wie geschehen, zu erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 407168 |
BStBl III 1951, 29 |
BFHE 1952, 72 |
BFHE 55, 72 |