Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbevollmächtigtenprüfung - Ablauf der Antragsfrist
Leitsatz (NV)
1. Fällt bei einer Feststellungsklage das Feststellungsinteresse während des Revisionsverfahrens weg, so wird die Klage unzulässig; die Zulässigkeit der Revision wird davon nicht berührt.
2. Das Feststellungsinteresse für einen Antrag des Klägers, festzustellen, daß eine (nicht bestandene) Steuerbevollmächtigtenprüfung als nicht abgelegt zu gelten habe, entfällt mit dem Ablauf der Antragsfrist für eine erneute Zulassung zu dieser Prüfung gemäß § 156 Abs. 5 StBerG.
Normenkette
FGO § 41 Abs. 1; StBerG § 156 Abs. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat die Steuerbevollmächtigtenprüfung 1978 nicht bestanden. Von der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1980 ist er zurückgetreten. Auf seinen Antrag vom 4. August 1980 hin wurde er zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 zugelassen. Mit der Ladung zur schriftlichen Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 teilte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Oberfinanzdirektion - OFD -) dem Kläger u.a. mit, daß es für die Teilnahme an einer späteren Prüfung einer erneuten Zulassung bedürfe, daß aber Anträge auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung nach § 156 Abs. 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537) - abgesehen von bestimmten Wehrdienstleistenden - nur noch von Bewerbern gestellt werden könnten, die nach dem 1. Januar 1979 eine Prüfung nicht bestanden oder aus einem von ihnen nicht zu vertretenden Grunde an der Prüfung nicht teilgenommen hätten. Der Kläger gab während der Aufsichtsarbeiten zu der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 die schriftliche Erklärung ab, daß er an der Prüfung nur unter Vorbehalt teilnähme, da ihm nach Mitteilung der OFD ohne die Teilnahme an der Prüfung 1981 im Falle des Nichtbestehens die Teilnahme an einer späteren Prüfung nicht mehr möglich sei. Mit Entscheidung vom 16. September 1981 erklärte der Prüfungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD die Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 des Klägers für nicht bestanden.
Der Kläger vertrat mit der von ihm erhobenen Klage die Auffassung, er werde durch die Stichtagsregelung in § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG willkürlich gegenüber den Bewerbern benachteiligt, die nach dem 1. Januar 1979 die Prüfung nicht bestanden hätten. Diese würden auch ohne Teilnahme an der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 in den Genuß der dreijährigen Verlängerungsfrist für den Zulassungsantrag kommen. Dagegen habe er sich der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 unterziehen müssen, um später erneut einen Zulassungsantrag stellen zu können. Im Zeitpunkt des Ablaufs der Antragsfrist nach der bisherigen Gesetzeslage (12. August 1980) sei die Gesetzesänderung vom 18. August 1980 noch nicht in Kraft getreten. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er, der vor dem 1. Januar 1979 einmal die Steuerbevollmächtigtenprüfung nicht bestanden habe, nicht damit rechnen müssen, daß er 1981 unbedingt an der Prüfung teilnehmen müsse, wenn er sein gesetzliches Recht auf zweimalige Wiederholung der Prüfung habe wahren wollen. Der Kläger beantragte festzustellen, daß seine Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 als nicht abgelegt zu gelten habe, hilfsweise festzustellen, daß er mit seinem Antrag vom 4. August 1980 auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 die Voraussetzungen des § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG erfüllt habe und seine im Jahre 1978 nicht bestandene Prüfung nicht auf die gemäß § 156 Abs. 1 Satz 2 StBerG vorgesehene zweimalige Wiederholbarkeit der Prüfung anzurechnen sei.
Das Finanzgericht (FG) sah die Klage als - zulässige - Feststellungsklage an, mit der der Kläger erreichen wolle, so gestellt zu werden, als hätte er an der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 nicht teilgenommen, um sich so sein Recht auf zwei Wiederholungsprüfungen zu erhalten. Es hielt die Klage aber für unbegründet. Es komme nicht darauf an, ob die Mitteilungen der OFD über den Ablauf der Antragsfrist stets zutreffend oder widersprüchlich gewesen seien. Ebenso sei unerheblich, ob der Kläger darauf vertraut habe, die generelle Ausschlußfrist bis zum 12. August 1980 gelte nicht für Wiederholer. Maßgeblich sei, daß er einen Antrag auf Zulassung zur Prüfung 1981 gestellt und an dieser teilgenommen habe. Die Teilnahme an der Prüfung könne als eine Tatsache nachträglich nicht ungeschehen gemacht werden. Daran ändere auch der vom Kläger während der Prüfung gemachte Vorbehalt nichts, denn dieser sei rechtlich unbeachtlich.
Mit der Revision vertritt der Kläger die Ansicht, die Stichtagsregelung (1. Januar 1979) für die Antragsfrist für bestimmte Prüfungswiederholer in § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG sei grundgesetzwidrig. Durch das Änderungsgesetz vom 18. August 1980, das am 29. August 1980 in Kraft getreten sei, sei rückwirkend sein Recht hinfällig geworden, mittels Rücktrittserklärung gemäß § 33 Abs. 5 i.V.m. § 21 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) die Prüfung als nicht abgelegt anerkannt zu bekommen. Denn im Falle der Wahrnehmung des Rücktrittsrechts hätte er sein Recht auf zweimalige Wiederholung der Prüfung, das ihm ohne die Stichtagsbestimmung erhalten geblieben wäre, verloren. Die Stichtagsregelung des § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG benachteilige rückwirkend alle Prüfungsbewerber, die vor dem 1. Januar 1979 ein - oder zweimal die Prüfung nicht bestanden hätten. Sie verstoße damit gegen das Gebot der Rechtssicherheit und das Rechtsstaatsprinzip. Ferner verletze sie ihn auch in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Anknüpfung der Verlängerung der Antragsfrist an eine nach dem 1. Januar 1979 nicht bestandene Prüfung sei nicht plausibel. Sachgerecht sei es dagegen, die Stichtagsbestimmung aufzugeben und die dreijährige Verlängerungsfrist für alle Wiederholer gelten zu lassen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung festzustellen, daß die in § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG enthaltene Stichtagsbestimmung vom 1. Januar 1979 grundrechtswidrig sei und seine Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 als nicht abgelegt zu gelten habe.
Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach den Mitteilungen der OFD hat der Kläger während des gerichtlichen Verfahrens seine Zulassungen zu den Steuerbevollmächtigtenprüfungen 1982, 1983 und 1984 beantragt, aber an keiner dieser Prüfungen teilgenommen. Er ist durch den Berichterstatter im vorliegenden Revisionsverfahren darauf hingewiesen worden, daß inzwischen auch die um drei Jahre verlängerte Antragsfrist für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter nach § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG abgelaufen sei und deshalb Zweifel an dem Rechtsschutzinteresse für seine Feststellungsklage bestünden. Der Kläger hat erklärt, er halte seine Revision aufrecht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil der Vorinstanz ist im Ergebnis mit der Maßgabe richtig, daß die Klage, die das FG zu Recht als Feststellungsklage angesehen hat, als unzulässig abzuweisen ist, weil das Feststellungsinteresse während des Revisionsverfahrens entfallen ist (§ 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Senat folgt nicht der von Gräber (Finanzgerichtsordnung, § 124 Anm. 4) unter Hinweis auf den Beschluß des III. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Oktober 1968 III 142/65 (BFHE 94, 302, BStBl II 1969, 167) vertretenen Auffassung, wonach der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses erst während des Revisionsverfahrens (im Entscheidungsfall durch Erledigung der Hauptsache) die Revision unzulässig mache. Vielmehr handelt es sich bei dem Rechtsschutzbedürfnis und ebenso bei dem in § 41 Abs. 1 FGO für die Feststellungsklage vorgeschriebenen ,,berechtigten Interesse an der baldigen Feststellung" um Sachurteilsvoraussetzungen für das Klageverfahren, deren Fehlen die Klage unzulässig machen, die aber die Zulässigkeit der Revision, soweit für diese eine (formelle oder materielle) Beschwer gegeben ist, nicht berühren. Würde nach Wegfall des Rechtsschutzinteresses die Revision unzulässig werden, so dürfte der BFH die angefochtene Vorentscheidung nicht mehr überprüfen. Für eine materiell-rechtliche Überprüfung des angefochtenen FG-Urteils mit der Möglichkeit seiner Aufhebung oder Abänderung durch den BFH besteht aber bei Wegfall des Rechtsschutzinteresses deshalb ein sachliches Bedürfnis, weil sonst eine fehlerhafte Entscheidung in Rechtskraft erwachsen könnte, sei es, daß das FG der Klage stattgegeben hatte, sei es, daß es sie als unbegründet abgewiesen hatte, während sich nunmehr ergibt, daß sie mangels Rechtsschutzinteresses durch Prozeßurteil als unzulässig abzuweisen wäre.
Die Rechtsauffassung des Senats, daß bei Wegfall des Rechtsschutzinteresses zwar die Klage, nicht aber die Revision unzulässig wird, zwingt nicht, wegen beabsichtigter Abweichung von der angeführten Entscheidung des III. Senats gemäß § 11 Abs. 3 FGO den Großen Senat des BFH anzurufen. Die Entscheidung des III. Senats in BFHE 94, 302, BStBl II 1969, 167 ist zu einer vom Streitfall abweichenden Sach- und Rechtslage, nämlich zur Frage der Kostenentscheidung im Falle der Erledigung der Hauptsache, ergangen. Zudem ist die Entscheidung des III. Senats inzwischen überholt durch die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH zu den Verfahrensfragen bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in den Fällen der einseitigen Erledigungserklärung durch das FA und der Aufrechterhaltung des Sachantrags durch den Kläger.
Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 5. März 1979 GrS 3/78 (BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378; vgl. auch Beschluß vom selben Tage GrS 4/78, BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375) hat der BFH, wenn im Revisionsverfahren der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, die beklagte Behörde als Revisionskläger die Erledigung erklärt und der Kläger seinen Sachantrag aufrechterhält, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen und die Kosten des gesamten Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Der VIII. Senat des BFH hat in Fortführung dessen entschieden, daß die Überlegungen des Großen Senats über die Notwendigkeit einer Sachentscheidung durch das Revisionsgericht bei Aufrechterhaltung des Sachantrags durch den Kläger sinngemäß für den Fall gelten, daß die Behörde nicht Revisionskläger, sondern Revisionsbeklagter ist. Danach hat der BFH ein klageabweisendes Urteil - wie im Streitfall - unter Zurückweisung der Revision im Ergebnis zu bestätigen, wenn der Kläger als Revisionskläger auf einer Sachentscheidung besteht, obwohl während des Revisionsverfahrens durch Erledigung der Hauptsache das Rechtsschutzinteresse für die Klage weggefallen ist. Es bedarf dann lediglich der Klarstellung in den Gründen des Revisionsurteils, daß die Klage unzulässig geworden ist (BFH-Urteil vom 27. April 1982 VIII R 36/70, BFHE 135, 264, BStBl II 1982, 407).
Daraus folgte für die im Streitfall gegebene Feststellungsklage, daß die Revision nicht unzulässig, sondern unbegründet wird, wenn das für die Klage notwendige Feststellungsinteresse (§ 41 Abs. 1 FGO), das eine besondere Form des allgemeinen Rechtsschutzinteresses darstellt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 41 FGO Tz. 6), während des Revisionsverfahrens wegfällt, der Kläger aber daraus für seinen Sachantrag keine Folgerungen zieht. Da auch der Wegfall des Feststellungsinteresses (hierzu siehe unter 2.) die Klage unzulässig macht (vgl. Gräber, FGO, § 41 Anm. 4), war deshalb - ebenso wie in dem vom VIII. Senat entschiedenen Fall - in den Gründen des vorliegenden Urteils auszusprechen, daß die Feststellungsklage des Klägers im Gegensatz zur Vorentscheidung nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen ist.
2. Mit seinem Klageantrag festzustellen, daß seine Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 nicht als abgelegt zu gelten habe, wollte der Kläger erreichen, wie bei einem wirksamen Rücktritt von der Prüfung (§§ 33 Abs. 5 Satz 4, 21 DVStB) so gestellt zu werden, als habe er die erstmalige Wiederholungsprüfung noch nicht abgelegt, um noch zweimal an Wiederholungsprüfungen teilnehmen zu können (§§ 156 Abs. 1 Satz 2, 35 Abs. 2 StBerG). Der Wegfall seines berechtigten Interesses an dieser Feststellung ergibt sich daraus, daß die Antragsfrist für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter inzwischen abgelaufen ist, so daß eine Zulassung des Klägers zur Prüfung auch dann nicht mehr möglich wäre, wenn seine Feststellungsklage Erfolg hätte. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juni 1981 VII R 3/81 (BFHE 133, 240, BStBl II 1981, 591) ist die regelmäßige Übergangszeit für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung gemäß § 156 Abs. 5 Satz 1 StBerG mit Ablauf des 12. August 1980 abgelaufen. Die durch das Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537) als Satz 2 in § 156 Abs. 5 StBerG eingefügte Verlängerung dieser Antragsfrist um drei Jahre für bestimmte Prüfungswiederholer oder diesen gleichgestellte Personen, die der Kläger entgegen dem Wortlaut der Vorschrift aus verfassungsrechtlichen Gründen auf alle Wiederholer angewendet wissen will, endete somit mit Ablauf des 12. August 1983. Seit diesem Zeitpunkt steht fest, daß Anträge des Klägers auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung wegen Fristablaufs abgelehnt werden müssen, weil für ihn die weitere Verlängerungsmöglichkeit nach § 156 Abs. 5 Satz 3 StBerG nicht in Betracht kommt. Da der Kläger das mit der Feststellungsklage verfolgte Rechtsschutzziel, sich die zweimalige Wiederholung der Prüfung offenzuhalten, nicht mehr erreichen kann, ist für ihn jedes schutzwürdige Interesse an der Beseitigung der Rechtswirkungen aus seiner Teilnahme an der Steuerbevollmächtigtenprüfung 1981 entfallen.
Da jedenfalls mit dem Ablauf der Antragsfrist nach § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG die Feststellungsklage unzulässig geworden ist, kann der Senat nicht mehr entscheiden, ob der Kläger überhaupt unter diese Verlängerung der Antragsfrist für die Zulassung der Steuerbevollmächtigtenprüfung fiel, ob die Regelung eine verfassungswidrige rückwirkende Verschlechterung seiner Rechtsposition beinhaltete und ob sie wegen ihrer Stichtagsregelung (nach dem 1. Januar 1979) als Tatbestandsmerkmal für die nicht bestandene Prüfung gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstieß. Der erstmals mit der Revision gestellte Antrag, festzustellen, daß die in § 156 Abs. 5 Satz 2 StBerG enthaltene Stichtagsbestimmung grundrechtswidrig sei, war schon deshalb unzulässig, weil mit der Feststellungsklage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts, nicht aber die Feststellung der Rechtswidrigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm begehrt werden kann (§ 41 Abs. 1 FGO). Es kann deshalb dahinstehen, ob insoweit eine im Revisionsverfahren unzulässige Änderung oder Erweiterung des Klageantrags vorliegt (vgl. § 23 FGO; Gräber, a.a.O., § 123 Anm. 2).
Fundstellen
Haufe-Index 414341 |
BFH/NV 1986, 426 |