Leitsatz (amtlich)
Die Zerlegung einer gestundeten Kaufpreisforderung in einen Kapital- und einen Zinsanteil mit der Folge, daß der Zinsanteil als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu besteuern ist, kommt nicht in Betracht, wenn die Vertragsparteien den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung weitgehend offengelassen haben.
Normenkette
EStG 1971 § 20 Abs. 1 Nr. 4; BewG 1965 § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu 1. und 2. sind Gesamtrechtsnachfolger (Erben) ihres während des finanzgerichtlichen Verfahrens verstorbenen Vaters (Erblasser). Der Erblasser hielt Anteile von 149 000 sfr an der X-GmbH in der Schweiz (Stammkapital 150 000 sfr).
Mit notariellem Vertrag vom 22. Dezember 1965 veräußerte der Erblasser einen Anteil von 148 000 sfr an der GmbH an den damals studierenden Kläger zu 1. mit der Auflage, die Hälfte davon an den Kläger zu 2. abzutreten, sobald dieser volljährig werde. Diese Auflage wurde Ende 1966 vollzogen, nachdem der Kläger zu 2. im Oktober 1966 volljährig geworden war. Die Parteien unterstellten den Vertrag dem schweizerischen Recht.
Als Kaufpreis wurden 4 Mio. sfr vereinbart, deren DM-Wert bei einem Umrechnungskurs von 0,9275 zum 1. Januar 1966 3 710 000 DM betrug. Der Feststellung des Kaufpreises lag ein Wertgutachten zugrunde, das den Wert der Anteile mit ca. 4,5 Mio. sfr ermittelt hatte. Der Abtretungsvertrag enthielt keine Regelungen über Fälligkeit und Verzinsung des Kaufpreises. Jedoch bestand bei Vertragsabschluß zwischen den Parteien Einigkeit, daß der Kaufpreis erst gezahlt werden sollte, wenn die Erwerber (die Kläger zu 1. und 2.) über die erforderlichen Mittel verfügten.
Ende 1971 traten die Kläger ihre Anteile zum Gesamtpreis von 5,5 Mio. DM an einen Dritten ab, wovon der Erblasser 3 532 763 DM als Kaufpreis erhielt. Den inzwischen eingetretenen Kursverlust des Schweizer Franken trugen der Erblasser und seine Söhne je zur Hälfte. Zinsen erhielt der Erblasser nicht.
Im Anschluß an eine bei ihm durchgeführte Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Kaufpreisforderung sei nach Hilfstafel 1 zum Bewertungsgesetz 1965 (BewG 1965) unter Berücksichtigung einer Laufzeit von sechs Jahren abzuzinsen und somit in einen Kapital- und Zinsanteil zu zerlegen. Die Differenz zwischen abgezinstem Wert und erhaltenem Betrag sei zu versteuern.
Der gegen den berichtigten Einkommensteuerbescheid 1971 eingelegte Einspruch blieb in diesem Punkt erfolglos. Das FA berechnete in seiner Einspruchsentscheidung den nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfaßten Zinsanteil unter Berücksichtigung des gegenüber 1965 eingetretenen Kursverlustes abweichend vom Steuerbescheid auf 970 676 DM.
Zuvor hatte das für die Schenkungsteuer zuständige FA in der zinslosen Stundung des Kaufpreises eine schenkungsteuerpflichtige unentgeltliche Zuwendung erblickt, deren Wert es wie folgt ermittelte:
Kaufpreisforderung 3 710 000 DM
Zinssatz nach dem
BewG 1965 5,5 %
Jahreswert der Zinsen 204 050 DM
Vervielfältiger 5,996
abzüglich 1 = 4,996
Kapitalwert (abgerundet) 1 019 400 DM
Der Kläger zu 1. wurde für die Hälfte dieses Betrages zur Schenkungsteuer herangezogen. Seine Klage blieb erfolglos. Das in der Schenkungsteuersache ergangene Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde rechtskräftig.
Im vorliegenden Fall hatte die Klage Erfolg. Das FG folgte zwar in seinem Urteil, das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 352 veröffentlicht ist, der Beurteilung des FA, daß der vom Erblasser als Kaufpreis erhaltene Betrag einkommensteuerrechtlich in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil zu zerlegen sei und bei ihm zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe.
Jedoch stände eine derart durchgeführte Einkommensteuerveranlagung beim Verkäufer in Widerstreit zur schenkungsteuerlichen Heranziehung der zinslosen Stundung des Kaufpreises bei den Käufern (§ 174 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Lägen widerstreitende Steuerfestsetzungen vor, die im finanzgerichtlichen Verfahren anhängig seien, so gebühre gemäß § 110 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der zuerst rechtskräftig entschiedenen Steuerfestsetzung der Vorrang.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Die Annahme von Einkünften aus Kapitalvermögen bedeute, daß der Verkäufer insoweit keine Tilgung seiner Kaufpreisforderung erhalte. Daraus ergebe sich, daß weder eine Objektkollision noch eine Wertungskollision i. S. des § 174 Abs. 1 AO 1977 mit der schenkungsteuerlichen Erfassung der Nutzungsüberlassung gegeben sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Es kann offenbleiben, ob der Auffassung des FG zu folgen ist, daß eine widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 1 AO 1977 vorliegt und nach den Grundsätzen des § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO der rechtskräftigen Heranziehung der Kaufpreisstundung zur Schenkungsteuer Bindungswirkung für den Streitfall zukommt.
Denn die Revision des FA scheitert schon daran, daß der gezahlte Kaufpreis nicht in einen Zins- und Tilgungsanteil zu zerlegen ist und somit keine Einkünfte des Erblassers aus Kapitalvermögen angefallen sind.
1. Die zwischen dem Erblasser und den Klägern getroffene Nebenabrede, daß der Kaufpreis erst gezahlt werden sollte, wenn die Erwerber über die erforderlichen Mittel verfügten, ist steuerrechtlich zu beachten. Sie ist allerdings nicht beurkundet worden.
Gemäß Art. 791 Abs. 4 des Schweizerischen Obligationsrechts bedürfen die Abtretung von Gesellschaftsanteilen und die Verpflichtung zur Abtretung der öffentlichen (= notariellen) Beurkundung. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Beurkundungszwang auch auf die Nebenabrede erstreckte (vgl. für § 15 Abs. 3 und 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - Winter in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Aufl., § 15 Anm. 23 und 51; Schilling/Zutt in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 15 Anm. 49).
Selbst bei Formnichtigkeit wäre die Nebenabrede steuerrechtlich zu beachten, da der Erblasser und seine Söhne ihr wirtschaftliches Ergebnis - nämlich die Stundung der Kaufpreisforderung - eintreten und bestehenließen (§ 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).
2. Die Kaufpreisschuld darf nicht nach § 12 Abs. 3 BewG 1965 unter ihrem Nennwert angesetzt werden. Nur für den Fall des § 12 Abs. 3 BewG 1965 hat der erkennende Senat bisher entschieden (Urteile vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431; vom 21. Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160), daß der dem Verkäufer zugeflossene Geldbetrag in einen Kapital- und einen Zinsanteil zu zerlegen ist. Da jedoch § 12 Abs. 3 BewG 1965 voraussetzt, daß die Forderung zu einem bestimmten Zeitpunkt fälliggestellt worden ist (s. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. November 1962 II 175/60 U, BFHE 76, 127, BStBl III 1963, 46 zu § 14 Abs. 1, 3 BewG 1934), kommt diese Vorschrift hier nicht zur Anwendung, weil die Parteien die Fälligkeit bewußt offengelassen haben.
3. Der Senat kann offenlassen, ob die zwischen dem Erblasser und seinen Söhnen getroffene Nebenabrede, daß der Kaufpreis erst bezahlt werden sollte, wenn die Erwerber über die erforderlichen Mittel verfügten, ein besonderer Umstand ist, der nach § 12 Abs. 1 BewG 1965 einen geringeren Wert der Kaufpreisforderung begründet. Diese Nebenabrede macht den Kauf der Geschäftsanteile zwar noch nicht zu einem nach § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aufschiebend bedingten Rechtsgeschäft, was zur Folge hätte, daß die Rechtswirkungen erst mit dem Verkauf der Anteile durch die Kläger eingetreten wären und somit eine Abzinsung überhaupt ausschiede. Denn es war nicht unbestimmt, ob ein Kaufpreis zu zahlen, sondern nur, wann er zu zahlen sei, d. h. es wurde nur die Fälligkeit der Kaufpreisforderung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben.
Jedoch rechtfertigt es diese Ungewißheit nicht, die Kaufpreisforderung wirtschaftlich einer Kapitalforderung gleichzustellen, deren Fälligkeit bis zu einem bestimmten oder annähernd bestimmbaren Zeitpunkt hinausgeschoben ist.
Im Streitfall war es dem Erblasser jederzeit möglich, auf die Kläger einzuwirken, sich die Geldmittel durch Verkauf der Anteile zu beschaffen; den Klägern stand es frei, die Kaufsumme z. B. durch Beleihung der Anteile oder durch ihren Verkauf zu finanzieren, wie es dann 1971 auch geschah. Durch diese Gestaltung war von vornherein nicht absehbar, ob die den Klägern eingeräumte Stundung langfristig oder von kurzer Dauer war. Die tatsächliche Laufzeit von etwa sechs Jahren war zufälliger Natur und der Forderung nicht immanent. Unter diesen Umständen ist es nicht gerechtfertigt anzunehmen, daß in dem vereinbarten Kaufpreis von 4 Mio. sfr auch ohne besondere Absprache Zinsen enthalten waren.
Fundstellen
Haufe-Index 75021 |
BStBl II 1984, 550 |
BFHE 1985, 121 |