Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Bei den Ansprüchen des weichenden Erben aus § 30 RErbhG handelt es sich um erbrechtliche Ansprüche, die ihrer Art nach verschieden sind und einzeln bewertet werden müssen.
Die Rechte auf Unterhalt, Erziehung und Ausbildung sind solche auf wiederkehrende Leistungen.
Normenkette
LAG § 24 Ziff. 5; RErbhG § 30
Tatbestand
Bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe hat die Mutter des Bg., die die Verwaltung und Nutznießung an einem Erbhof des Anerben (Bruder des Bg.) hat, unter anderem die Versorgungsverpflichtung des Anerben nach § 30 des Reichserbhofgesetzes (RErbhG) gegenüber dem Bg. geltend gemacht. Sie hat für die Verpflichtung zur Gewährung angemessenen Unterhalts, angemessener Erziehung und dem Stande des Hofes entsprechender Berufsausbildung einen durchschnittlichen Jahreswert von 1.500 DM zugrunde gelegt. Der am 30. März 1942 geborene Bruder des Anerben könne entsprechend der Größe des Hofes und dem Lebensstande ihres Ehemannes, der in Ausübung ihres Verwaltungs- und Nutznießungsrechtes den Hof bewirtschafte, eine Schulausbildung mindestens bis zur mittleren Reife und im Anschluß daran eine mindestens dreijährige Berufsausbildung verlangen.
Das Finanzamt hat sich der Berechnungsweise der Mutter angeschlossen und den Kapitalwert der Belastung zu Beginn des 21. Juni 1948 nach der Hilfstafel 1 zum Bewertungsgesetz (BewG) auf 13.431 DM errechnet. Auf Grund dessen hat es die Mutter von der Vermögensabgabe freigestellt. Gleichzeitig hat es den Bruder des Anerben mit dem Werte dieses Anspruches zur Vermögensabgabe herangezogen.
Demgegenüber hat der Abgabepflichtige vorgetragen, der zur Vermögensabgabe herangezogene Kapitalwert seines Anspruches auf Unterhalt, Erziehung und Ausbildung sei bei der Ermittlung seines der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens außer Ansatz zu lassen, weil der Jahresbetrag dieses auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen im Sinne des § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG gerichteten Anspruches unter 2.400 DM verbleibe (ß 24 Ziff. 5 LAG).
Der Einspruch blieb ohne Erfolg, die Berufung führte dagegen zur Freistellung des Abgabepflichtigen. Das Finanzgericht führt aus, der Bundesfinanzhof habe "Verpflichtungen" des Anerben "aus § 30 RErbhG gegenüber seinen Geschwistern" zum Abzug von dem der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögen zugelassen, weil es sich bei ihnen nicht um Verbindlichkeiten auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht (ß 24 Ziff. 6 LAG), sondern "um einen erbrechtlichen Ausgleich für die rechtlich privilegierte Stellung des Anerben zugunsten seiner Geschwister" handele. Bei der Bewertung des Anspruches des weichenden Erben aus § 30 RErbhG müsse ebenso wie bei der Bewertung der Bereicherung des bürgerlich-rechtlichen Erben zwischen den einzelnen dem Berechtigten tatsächlich zugefallenen Wirtschaftsgütern unterschieden werden. Deshalb seien die auf wiederkehrende Leistungen seines Bruders gerichteten Ansprüche des Abgabepflichtigen auf Unterhalt, Erziehung und Ausbildung nach § 24 Ziff. 5 LAG hier außer Ansatz zu lassen, weil ihr Jahreswert unter 2.400 DM verbleibe. Die dem Abgabepflichtigen in seiner Eigenschaft als weichendem Erben weiter zustehenden Ansprüche auf Ausstattung und auf Heimatzuflucht seien am Währungsstichtage nicht soviel wert, daß eine Abgabepflicht entstehe.
Der Vorsteher des Finanzamts hat Rb. eingelegt. Nach seiner Meinung ist dem Abgabepflichtigen die Vergünstigungsvorschrift des § 24 Ziff. 5 LAG zu Unrecht zugebilligt worden. Der Versorgungsanspruch des weichenden Erben sei ein einheitlicher, nicht in seine Teile zerlegbarer Anspruch, der mit dem Tode des Erblassers entstehe und die jeweils zu seiner Festsetzung erforderlichen Einzelansprüche hervorbringe. Es sei auch nicht richtig, wenn das Finanzgericht annehme, daß die Versorgungslast nach § 74 Abs. 1 Ziff. 2 BewG bei dem Verpflichteten abzugsfähig sei und infolgedessen der Versorgungsanspruch des Berechtigten unter die Vorschrift des § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG falle, weil die Gesetzesbestimmung des § 74 Abs. 1 Ziff. 2 BewG das Gegenstück zu § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG sei. Das gelte nur für die Fälle, in denen es sich tatsächlich um Nießbrauchsrechte und Rechte auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen handele, die unter § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG fallen. Daran fehle es bei dem einheitlichen Versorgungsanspruch des Abgabepflichtigen nach § 30 RErbhG. Die Versorgungslast sei bei dem Verpflichteten nach § 74 Abs. 1 Ziff. 1 BewG absetzbar, während der Versorgungsanspruch bei dem Bg. nach § 67 Abs. 1 Ziff. 1 BewG steuerlich zu erfassen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Dem Vorsteher des Finanzamts (Bf.) kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, daß es sich bei den Ansprüchen des weichenden Erben aus § 30 RErbhG um einen einheitlichen Anspruch handele. § 30 RErbhG zählt die Ansprüche des weichenden Erben (Unterhalt und Erziehung, Ausbildung und Ausstattung, Heimatzuflucht) in drei verschiedenen Absätzen auf, die z. T. nebeneinander, z. T. nacheinander geltend gemacht werden können. Richtig ist, daß es sich bei allen um erbrechtliche Ansprüche handelt, die grundsätzlich mit dem Erbfalle entstehen. Handelt es sich aber um den Ansatz und die Bewertung der Ansprüche - sei es beim Verpflichteten, sei es beim Berechtigten -, so kann in Anbetracht des Stichtagsprinzips und der Verschiedenheit der einzelnen Ansprüche keine einheitliche Bewertung vorgenommen werden; die einzelnen Ansprüche müssen vielmehr auf ihren Charakter und ihren Wert untersucht werden, soweit sie am Stichtage tatsächlich und wirtschaftlich bestanden haben.
Der Bf. kann sich für seine Ansicht nicht auf das Urteil des erkennenden Senates III 98/56 S vom 6. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 271, Slg. Bd. 63 S. 192, berufen, da hier nur über die Frage entschieden worden ist, ob die Verpflichtung des Anerben bei der Vermögensabgabe abzugsfähig ist. Das Urteil spricht aus, daß der Abzug nicht wegen § 24 Ziff. 6 LAG versagt werden könne, da es sich bei der Verpflichtung zum Unterhalt aus § 30 RErbhG nicht um eine familienrechtliche Verbindlichkeit auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht im Sinne des § 24 Ziff. 6 LAG handele, sondern um einen erbrechtlichen Anspruch. Davon, daß alle Ansprüche aus § 30 RErbhG einen einheitlichen Anspruch darstellen, ist in dem Urteil nicht die Rede. Infolgedessen stellen die äußerungen im Schrifttum (Die Information über Steuer und Wirtschaft L 1955 S. 344, 1956 S. 294; Rundschau für den Lastenausgleich 1957 S. 5) und der Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom Dezember 1956 in LA-Kartei, § 21 Karte 34, die aus dem obenbezeichneten Urteil III 98/56 S a. a. O. den auch vom Bf. vertretenen Schluß gezogen haben, eine nicht zutreffende Auslegung dar.
Betrachtet man die hier in Rede stehenden Ansprüche auf Unterhalt, Erziehung und Ausbildung für sich, so stellen sie Rechte auf wiederkehrende Leistungen dar, bei denen nach § 24 Ziff. 5 LAG der Teilbetrag außer Ansatz zu lassen ist, der einem Jahreswert von 2.400 DM entspricht. Das Finanzgericht hat zutreffend festgestellt, daß der dem Bg. zustehende Jahreswert unter 2.400 DM bleibt und daher außer Ansatz zu lassen ist. Auch im übrigen sind die Ausführungen des Finanzgerichts frei von Rechtsirrtum, so daß die Vorentscheidung bestätigt werden muß.
Fundstellen
Haufe-Index 409652 |
BStBl III 1960, 223 |
BFHE 1960, 603 |
BFHE 70, 603 |