Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Teilbetriebs
Leitsatz (NV)
1. Ein ,,Teilbetrieb" ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter und für sich lebensfähiger Teil eines Gesamtbetriebs.
2. Vertreibt ein Unternehmen Tabakwaren im Großhandel, in Einzelhandelsgeschäften und über Automaten, so kann der Automatenbereich nur Teilbetrieb sein, wenn er organisatorisch und personell von den anderen Vertriebswegen getrennt ist.
Normenkette
EStG §§ 16, 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf einen Veräußerungsgewinn.
1. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger betrieb im Streitjahr 1980 einen Groß- und Einzelhandel mit Tabakwaren einschließlich der Unterhaltung von Zigarettenautomaten.
Er unterhielt auf eigenem Grundstück die Verwaltung und das Lager seines Betriebs. Daneben bestanden fünf Einzelhandelsfilialen in gemieteten Räumen. Die fünf Filialen einschließlich der dort vorhandenen Automaten wurden durch einen Angestellten mit einem LKW beliefert. Der Automatenbereich unterstand einem Verkaufsleiter und wurde von drei Außendienstmitarbeitern mit drei betriebseigenen PKW bedient. Die drei Außendienstmitarbeiter belieferten auf ihren Fahrten auch Großhandelskunden und nahmen Aufträge dieses Bereichs an. Außerdem war ein Mechaniker in einer Automatenwerkstatt tätig, der mit der Reparatur und dem Austausch von Automaten betraut war. Die Buchführung war für alle Geschäftsbereiche einheitlich eingerichtet. Es bestanden getrennte Konten für Automaten-, Einzelhandels- und Großhandelserlöse sowie besondere Aufwandskonten für jedes Betriebsfahrzeug, für Automatenprovision und für Automatenreparaturen.
Zu Beginn des Streitjahres 1980 gehörten zum Unternehmen des Klägers insgesamt rd. 440 Zigarettenautomaten. Davon veräußerte er im November 1980 56 an die Firma X und erzielte dabei einen Veräußerungsgewinn von . . . DM. Im Oktober 1981 veräußerte er weitere 360 Automaten an die Frima Y. Danach verblieben ihm noch fünf Automaten in den Filialen und 17 Automaten an anderen Standplätzen.
2. Die Kläger beantragten in der Einkommensteuererklärung 1980, den im Veranlagungszeitraum 1980 erzielten Veräußerungsgewinn nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern, da eine Teilbetriebsaufgabe i. S. des § 16 EStG vorliege.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verneinte die Voraussetzungen einer Teilbetriebsaufgabe und veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid vom 4. Februar 1982 nach der tariflichen Einkommensteuer.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage. Während des Klageverfahrens erging ein gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderter Einkommensteuerbescheid 1980, in dem eine Teilbetriebsaufgabe wiederum verneint wurde. Die Kläger machten den Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Die Kläger stützen ihre Revision auf Verfahrensmängel und auf Verletzung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 16 Abs. 1 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
A. Die verfahrensrechtlichen Rügen der Kläger sind unbegründet. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung seiner Entscheidung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 3. Dezember 1987, BGBl I 1987, 2442).
B. Der im Streitjahr beim Verkauf von Zigarettenautomaten erzielte Veräußerungsgewinn ist nicht nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern. Der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist u. a. auf außerordentliche Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG anzuwenden. Dazu gehören Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung eines Teilbetriebs.
Der Kläger veräußerte im Streitjahr keinen Teilbetrieb.
1. Zwar sind die beiden Verkaufsvorgänge der Jahre 1980 und 1981 entsprechend den Feststellungen des FG als einheitlicher Veräußerungsvorgang i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen. Das FG hat festgestellt, daß beide Verkaufsvorgänge auf einem einheitlichen Veräußerungsentschluß beruhten und in zeitlichem Zusammenhang verwirklicht wurden. An diese Feststellungen, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben wurden, ist der erkennende Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Auch der als einheitlicher Vorgang zu beurteilende Verkauf von insgesamt rd. 420 Automaten erfüllte jedoch nicht die Voraussetzungen einer Teilbetriebsveräußerung.
a) Ein Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der - für sich betrachtet - alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist. Die veräußerten Wirtschaftsgüter müssen eine Untereinheit nach Art eines selbständigen Zweigbetriebs in dem Sinne bilden, daß sie als eigenes Unternehmen fortgeführt werden könnten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Oktober 1984 I R 119/81, BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245, m. w. N.).
b) Im Streitfall fehlt es an einem organisch geschlossenen Teil eines Gesamtbetriebs. Der Betrieb des Klägers umfaßte drei Verkaufsbereiche für ein Produkt. Er vertrieb Tabakwaren im Großhandel und über zwei Vertriebswege des Einzelhandels (Filialen und Automaten).
aa) Entgegen der Auffassung der Kläger bestand keine räumliche Trennung des Automatenbereichs vom Gesamtunternehmen. Dabei kann dahinstehen, ob die räumlich von Verwaltung und Lager getrennten Einzelhandelsfilialen die Voraussetzung eines Teilbetriebs erfüllten. Der Automatenbereich weist jedenfalls keine derartigen räumlich getrennten festen Unterzentren auf. Sieht man einmal von den an zahlreichen Orten aufgestellten Automaten ab, so konzentrierte sich die Geschäftstätigkeit für den Automatenbereich auf Einkäufe, Geschäftsführung, Lagerhaltung und Reparaturwerkstätte in der Zentrale einerseits und auf die Beschickung der Automaten durch die mobilen Außendienstmitarbeiter andererseits. Damit bestand keine räumliche Trennung vom Großhandelsbereich. Auch von der Lagerhaltung und Geschäftsführung des Einzelhandelbereichs war der Automatensektor nicht räumlich getrennt.
bb) Ohne Rechtsirrtum hat das FG entscheidendes Gewicht auf die personelle Verbindung der verschiedenen Verkaufsbereiche des klägerischen Unternehmens gelegt (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1979 IV R 119/76, BFHE 128, 54, BStBl II 1979, 557; vom 24. November 1982 I R 123/78, BFHE 137, 59, BStBl II 1983, 113). Im Streitfall wurden einerseits die in den Einzelhandelsgeschäften aufgestellten Zigarettenautomaten von einem LKW der Zentrale beliefert und von Angestellten der Filialen gefüllt. Diese Automaten wurden somit vom Personal des Vertriebsbereichs Filialgeschäfte betreut. Andererseits haben die Außendienstmitarbeiter des Automatenbereichs Aufgaben des Großhandels übernommen, indem sie Lieferungen an Großhandelskunden ausführten und deren Aufträge entgegennahmen. Diese - wirtschaftlich sinnvolle - Verbindung zeigt eine enge Verklammerung der verschiedenen Vertriebswege im Unternehmen des Klägers und schließt organisch geschlossene Teilunternehmen aus.
cc) Eine ähnliche Überlagerung der einzelnen Bereiche bestand auch bei den Betriebsmitteln. Die betriebseigenen PKW des Automatenbereichs wurden auch zur Belieferung der Großhandelskunden und damit ebenfalls für verschiedene Vertriebswege eingesetzt.
dd) Demgegenüber fällt nicht entscheidend ins Gewicht, daß auch ein nur auf Automaten gestützter Tabakwarenhandel für sich lebensfähig sein könnte. Es reicht für die Annahme eines Teilbetriebs nicht aus, daß die veräußerten Wirtschaftsgüter in der Hand eines Erwerbers eine ausreichende Grundlage für ein Unternehmen bilden können. Maßgebend ist vielmehr die Funktion der veräußerten Wirtschaftsgüter im Rahmen des veräußernden Unternehmens (BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 26/76, BFHE 125, 538, BStBl II 1978, 672). Im Unternehmen des Klägers waren Wirtschaftsgüter der Verwaltung, des Lagers, der Buchführung und des Automatenbereichs übergreifend für mehrere Vertriebswege eingesetzt. Gleiches gilt auch für die Arbeitskraft der Angestellten des Automatenbereichs. Damit war die gesamte Unternehmensorganisation auf ein in gegenseitiger Unterstützung zu erzielendes Gesamtergebnis ausgerichtet.
ee) Entgegen der Auffassung der Kläger hat der erkennende Senat den Begriff des Teilbetriebs im Urteil vom 3. Oktober 1984 I R 119/81 (BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245) nicht ausschließlich tätigkeitsbezogen ausgelegt. Vielmehr hat der Senat entschieden, daß Voraussetzung einer Teilbetriebsveräußerung die Aufgabe einer gewerblichen Tätigkeit ist. Unabhängig davon ist jedoch auch nach diesem Urteil für die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG zu prüfen, ob ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter und für sich allein lebensfähiger Teil des Gesamtbetriebs veräußert wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 416337 |
BFH/NV 1991, 291 |