Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die kostenlose überlassung eines Ersatzteils an die Vertragswerkstatt zur Erfüllung der vom Kraftfahrzeughersteller dem Letztabnehmer gegenüber übernommenen Gewährleistungspflicht vor Durchführung der Reparatur oder - bei Verwendung eines Ersatzteils aus dem Lager der Vertragswerkstatt - nach erfolgter Reparatur löst beim Kraftfahrzeughersteller eine Umsatzsteuer nicht aus.
Normenkette
UStG § 1/1/1, § 5/1, § 5/2; UStDB § 2 Abs. 1; UStG § 10/1, § 10/3, § 3/1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) verkauft die von ihr hergestellten Kraftfahrzeuge unmittelbar an die Endabnehmer. Sie bedient sich hierbei in der Regel selbständiger Vertreter, die Vertragswerkstätten mit Ersatzteillagern unterhalten. Die Stpfl. garantiert dem Käufer in einem bestimmten Umfang die Fehlerfreiheit des Kaufgegenstandes. Sie erfüllt die Garantiepflicht durch Ausbau der fehlerhaften Teile und Einbau entsprechender Ersatzteile. Dies geschieht großenteils durch Einschaltung der Vertreter als Erfüllungsgehilfen.
Bei Ausführung der Garantiearbeiten durch die Vertragswerkstätten der Vertreter sind zwei Fälle zu unterscheiden:
Der Vertreter läßt das einzubauende Ersatzstück von der Stpfl. kommen, weil er es nicht auf Lager hat oder sein Lager nicht angreifen will. Bei der Auslieferung des Ersatzstückes belastet die Stpfl. ein Sonderkonto des Vertreters. Nach Durchführung der Reparatur übersendet der Vertreter das ausgebaute Stück der Stpfl. zwecks Prüfung der Garantiepflicht. Bei übernahme der Gewährleistung storniert die Stpfl. die Lastschrift auf dem Sonderkonto und erstattet dem Vertreter die Montagelöhne. Bei Nichtanerkennung bucht sie die Belastung vom Sonderkonto auf das laufende Konto des Vertreters um.
Der Vertreter entnimmt das benötigte Ersatzstück seinem Lager. Auch in diesem Falle wird das fehlerhafte Stück zwecks Prüfung der Garantiepflicht an die Stpfl. gesandt. Bei Bejahung der Gewährleistungspflicht überläßt die Stpfl. dem Vertreter zur Wiederauffüllung seines Lagers kostenlos ein neues Ersatzstück und erstattet ihm die aufgewandten Montagelöhne.
Streitig ist, ob in der überlassung des Ersatzstücks an den Vertreter unmittelbar zur Durchführung der Reparatur (Fall 1) oder nach erfolgter Reparatur zur Wiederauffüllung seines Ersatzteillagers (Fall 2) ein steuerbarer Umsatz der Stpfl. zu erblicken ist.
Das Finanzgericht (FG) hat in beiden Fällen eine Lieferung des Ersatzstücks an den Vertreter angenommen, der als Gegenleistung (Entgelt) eine Werklieferung des Vertreters gegenübersteht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Stpfl., die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. §§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat hatte sich schon wiederholt mit der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Garantieleistung zu befassen. Er hat seine Auffassung besonders in dem Grundsatzurteil V 130/63 S vom 25. November 1965 (BStBl III 1966, 160) dargelegt. Danach ist die überlassung des Ersatzstücks durch das Herstellerwerk zwecks Durchführung der Reparatur als nichtsteuerbarer Umtausch eines fehlerhaften Teils des Kaufgegenstandes gegen einen fehlerfreien anzusehen. Die Entnahme eines Ersatzteils aus dem Lager der Werkstatt und die Rückgewähr eines entsprechenden Teils durch das Herstellerwerk ist als nichtsteuerbare Hingabe und Rückgabe eines unentgeltlichen Sachdarlehens zu beurteilen. Der Sachverhalt dieses Urteils unterscheidet sich zwar von dem vorliegenden Falle dadurch, daß die Ware (Rundfunk- und Fernsehgeräte) an den die Reparatur ausführenden Vertragshändler verkauft wurde, während im Streitfalle die Kraftfahrzeuge vom Herstellerwerk unmittelbar an die Endabnehmer geliefert werden und der Inhaber der Werkstatt nur als (selbständiger) Vertreter eingeschaltet ist. Am Ergebnis ändert sich hierdurch aber nichts.
Es ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, daß der Endabnehmer (Kunde) an dem Ersatzteil durch den Einbau in das Kraftfahrzeug das Eigentum und damit die Verfügungsmacht erwirbt. In den Fällen, in denen der Kunde eine Gewährleistungspflicht der Stpfl. als gegeben ansieht, sind sich jedoch alle Beteiligten (Stpfl., Vertreter und Kunde) darüber einig, daß die Frage, ob der Vertreter das Ersatzstück im Namen der Stpfl. oder im eigenen Namen liefert, mit anderen Worten, ob Lieferer des Ersatzteils die Stpfl. oder der Vertreter ist, bis zur Klärung der Garantiefrage offenbleiben soll. In den Fällen der Bejahung der Gewährleistungspflicht, die allein Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, ergibt sich, daß Lieferer der Ersatzteile nicht der Vertreter, sondern das Herstellerwerk ist. Denn Vertragspartner des Kunden beim Kauf des Kraftfahrzeugs, bei dem die Gewährleistungspflicht des Verkäufers vereinbart wurde, war nicht der Vertreter, sondern das Herstellerwerk, also die Stpfl. Wird aber in den Garantiefällen das Ersatzstück zwecks Umtausches des fehlerhaften Teils unmittelbar von der Stpfl. an den Kunden geliefert, so ist für eine Werklieferung des Vertreters kein Raum. Der Vertreter bewirkt vielmehr unter Verwendung eines von der Stpfl. zur Verfügung gestellten Ersatzteils dieser gegenüber eine Werkleistung. Dies zeigt sich deutlich im Falle 1, in dem das gesondert angeforderte Ersatzstück vom Vertreter, ohne dessen Lager zu berühren, in das Kraftfahrzeug des Kunden eingebaut wird. Es widerspricht dem tatsächlichen Ablauf der Dinge, wenn das FG annimmt, der Vertreter liefere auch in den Garantiefällen das Ersatzstück an den Kunden auf Grund eines mit dem Kunden abgeschlossenen Werklieferungsvertrages und diese Lieferung sei die Gegenleistung (das Entgelt) für die vorangegangene Lieferung des Ersatzstücks durch die Stpfl. an den Vertreter. Tatsächlich findet in den Garantiefällen nur eine Lieferung statt, nämlich seitens der Stpfl. an ihren Kunden, die, weil sie unentgeltlich erfolgt, eine Umsatzsteuer nicht auslöst.
Das gilt auch im Falle 2. Die in gegenseitigem Einverständnis erfolgte Entnahme des Ersatzstücks durch den Vertreter aus seinen Lagerbeständen und die unentgeltliche überlassung eines entsprechenden Stücks durch die Stpfl. zur Wiederauffüllung des Werkstattlagers im Garantiefalle stellen sich - ebenso wie im Falle des Urteils V 130/63 S vom 25. November 1965 (a. a. O.) - als nichtsteuerbare Hingabe und Rückgabe eines unentgeltlichen Sachdarlehens dar.
Das FG würde - wie aus den Gründen der Vorentscheidung zu entnehmen ist - mindestens im Falle 1 ebenfalls zu einer Lieferung des Ersatzstücks durch die Stpfl. an den Kunden kommen, wenn die Gewährleistungspflicht der Stpfl. vor Durchführung der Reparatur feststünde. Es übersieht, daß es nichts Außergewöhnliches ist, wenn die Person des Lieferers im Augenblick der übertragung der Verfügungsmacht auf den Erwerber noch nicht feststeht. Die Entscheidung darüber, ob ein Gewährleistungsfall vorliegt, klärt sich bloß - wie das FG meint -, wer der Werkstatt die Reparatur zu bezahlen hat, sondern beseitigt auch die Ungewißheit, wer als Lieferer des Ersatzteils in Betracht kommt. Da alle Beteiligten diese Ungewißheit kennen und in Kauf nehmen, ist es auch unzutreffend, wenn das FG ein Handeln der Vertreter in eigenem Namen damit begründet, daß die Vertreter weitaus überwiegend normale Reparaturen ausführen, bei denen Rechtsbeziehungen zwischen dem Werk und dem Kunden nicht hergestellt werden. Schließlich wäre es ein sehr unbefriedigendes Ergebnis, wollte man lediglich deswegen eine Umsatzsteuerpflicht des Werkes annehmen, weil zur Beschleunigung des Wirtschaftsablaufs die Reparatur des Kraftfahrzeugs vor der Anerkennung der Garantiepflicht ausgeführt wird.
Unter Aufhebung der Vorentscheidung und änderung des Steuerbescheides war daher die Umsatzsteuerschuld der Stpfl. um die auf die Ersatzteillieferungen entfallende Umsatzsteuer zu kürzen.
Fundstellen
Haufe-Index 424107 |
BStBl III 1966, 615 |
BFHE 1966, 616 |
BFHE 86, 616 |