Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Investitionszulageantrags wegen formeller Mängel
Leitsatz (NV)
Hat das FA von Anfang an auf formelle Mängel eines Investitionszulageantrags hingewiesen, so verstößt es nicht gegen Treu und Glauben, wenn es die Vorlage der ebenfalls erforderlichen Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft abwartet, um danach gleichwohl den Antrag wegen der zuerst gerügten Mängel abzulehnen.
Normenkette
InvZulG 1979 i.d.F. des HStruktG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1 523; InvZulG 1979 i.d.F. des HStruktG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1BStBl I 1982 S. 235) § 5 Abs. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die seit 1977 ein Verarbeitungsunternehmen betreibt. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist ihr Bilanzstichtag der 31. August.
Am 27. September 1982 beantragte die Klägerin für ihre im Wirtschaftsjahr 1980/1981 vorgenommenen Investitionen eine Zulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) auf dem dafür vorgesehenen Formular. Die erste Seite des Antrags war ebenso wie die dritte und vierte Seite vollständig ausgefüllt; die Seite 2 des Formblattes enthielt jedoch statt der Angaben über das begünstigte Vorhaben, die genaue Bezeichnung des Wirtschaftsguts und der anderen damit zusammenhängende Tatsachen nur den Vermerk, daß die Angaben kurzfristig nachgereicht würden; im übrigen war auf dieser Seite lediglich die Summe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit 260 206,48 DM aufgeführt.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1982 wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Klägerin darauf hin, daß der Antrag unvollständig sei, weil er keine Angaben über die durchgeführten Investitionen enthalte, für die die Zulage beantragt worden sei; diese Angaben seien aber erforderlich. Das Schreiben endete mit den Sätzen: ,,Ich beabsichtige daher, den Antrag abzulehnen. Für eine eventuelle Stellungnahme gewähre ich Ihnen eine Frist bis zum 30. Januar 1983."
Unter Bezugnahme auf sein vorangegangenes Schreiben lehnte das FA am 25. April 1983 den Antrag der Klägerin vom 27. September 1982 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage seien nicht gegeben; der Antrag erfülle die Formvorschriften nicht, da er keinerlei Angaben über die getätigten Investitionen enthalte.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und bat darum, die Bearbeitung auszusetzen, bis die erforderlichen Unterlagen eingereicht worden seien. Nach Eingang dieser Unterlagen - es handelte sich um zwei Ablichtungen der ausgefüllten Seite 2 des Formulars IZR (78) - teilte das FA der Klägerin mit, daß noch nicht alle Punkte abgeklärt seien, man schlage daher vor, die Bearbeitung des Einspruchs vorläufig zurückzustellen, bis geklärt sei, ob die Klägerin die erforderliche aber noch fehlende Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft erhalte. Nach weiterem Schriftwechsel und Vorlage der Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft ließ das FA die Klägerin mit Schreiben vom 26. Januar 1984 wissen, daß der Einspruch deshalb keinen Erfolg haben könne, weil die Neunmonatsfrist des § 5 InvZulG nicht eingehalten worden sei.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid vom 25. April 1983 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. April 1984 abzuändern und eine Investitionszulage nach § 1 InvZulG nach einer Bemessungsgrundlage von 224 683,48 DM zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht erkannt, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Investitionszulage für die im Wirtschaftsjahr 1980/1981 angeschafften oder hergestellten Anlagegüter hatte.
1. Nach § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 3 InvZulG 1979 i. d. F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1 523, BStBl I 1982, 235) kann der Antrag auf eine Investitionszulage nur innerhalb von neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, in dem das Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung oder der Anzahlung oder Teilherstellung endet. In dem Antrag sind die begünstigten Investitionen so genau zu bezeichnen, daß ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist (§ 5 Abs. 3 Satz 4 InvZulG 1979). Diese Frist ist, wie der Senat zu dem insoweit gleichlautenden § 3 Abs. 3 InvZulG 1969 entschieden hat, eine Ausschlußfrist (Urteil vom 7. November 1975 III R 164/73, BFHE 117, 518, BStBl II 1976, 225). Daraus folgt, daß nach Ablauf dieser Frist Wirtschaftsgüter nicht mehr ,,nachgeschoben" werden können, es sei denn, die Voraussetzungen des auch im Investitionszulagerecht anwendbaren § 110 der Abgabenordnung - AO 1977 - (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - in BFHE 117, 518, BStBl II 1976, 225) lägen vor.
2. Das FG hat danach zutreffend in der Einreichung des Formulars am 27. September 1982 keinen wirksamen Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage gesehen, denn die Klägerin hat anstelle der genauen Bezeichnung der Wirtschaftsgüter und der übrigen in dem Formular dem Gesetz entsprechend geforderten weiteren Erläuterungen lediglich vermerkt, die Angaben würden kurzfristig nachgereicht. Unstreitig sind diese Angaben erst mit Schreiben vom 3. Juni 1983, also verspätet eingereicht worden, nachdem das FA den Antrag auf Investitionszulage abgelehnt und die Klägerin dagegen Einspruch erhoben hatte. Auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Klägerin nicht gestellt. Gründe, die einen solchen Antrag rechtfertigen könnten, hätten im übrigen innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses, d. h. nach Empfang der Mitteilung des FA vom 17. Dezember 1982, dargelegt werden müssen (§ 110 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 1977).
3. a) Allerdings hat sich die Klägerin auf das Urteil des Senats vom 12. November 1976 III R 13/76 (BFHE 121, 273) berufen und geltend gemacht, das FA sei durch die Anforderung der weiteren Unterlagen in die sachliche Prüfung des Investitionszulageantrags eingetreten und habe damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, den es sich entgegenhalten lassen müsse. In dieser Entscheidung hat der Senat einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gesehen, wenn das FA einen Investitionszulageantrag ablehnt, nachdem es bereits eine sachliche Prüfung des Antrags durchgeführt hat.
b) Dieser Auffassung kann der erkennende Senat im Streitfall nicht folgen; dabei bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der erkennende Senat seiner Entscheidung in BFHE 121, 273 auch heute noch folgen könnte. Zwar hat das FA während des Vorverfahrens mit Schreiben vom 1. Juli 1983 der Klägerin vorgeschlagen, die Bearbeitung des Einspruchs vorläufig zurückzustellen, bis geklärt sei, ob eine Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft erteilt werden würde. Die Entscheidung der Frage, ob ein solches Verhalten - wie die Klägerin meint - widersprüchlich ist oder ob es sich dabei - wie das FA ausgeführt hat - lediglich um eine verfahrensökonomische Maßnahme zur Vermeidung einer förmlichen Entscheidung über den Einspruch der Klägerin gehandelt hat, kann dahinstehen; denn die Klägerin hat nicht dargelegt, welcher Vertrauenstatbestand durch dieses Verhalten gesetzt und zu welchen Dispositionen sie dadurch veranlaßt worden ist.
c) Der nach einhelliger Auffassung auch im öffentlichen Recht anwendbare Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, daß im Rechtsverkehr jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen Verhalten, auf das der andere vertraut hat, nicht in Widerspruch setzt (BFH-Urteil vom 10. November 1987 VII R 171/84, BFHE 151, 123, BStBl II 1988, 41). Der Steuerpflichtige kann sich auf diesen Grundsatz jedoch nur berufen, wenn er im Hinblick auf den von der Behörde gesetzten Vertrauenstatbestand Dispositionen getroffen hat (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 12. Mai 1970 VII R 54/67, BFHE 99, 293, BStBl II 1970, 634).
d) Im Streitfall fehlt es schon an einem Vertrauenstatbestand, den das Verhalten des FA veranlaßt haben könnte. Denn einmal hatte die Klägerin das Schreiben des FA vom 17. Dezember 1982 erhalten, worin dieses auf den formellen Mangel des Antrags hinwies und keinen Zweifel an der beabsichtigten Ablehnung des Antrags ließ; zum anderen aber hatte die Klägerin selbst in ihrem Einspruchsschreiben vom 5. Mai 1983 darum gebeten, die Bearbeitung auszusetzen, bis die erforderlichen Unterlagen eingereicht worden seien. Wenn das FA dieser Bitte, aus welchen Gründen auch immer, nachgekommen ist, kann ihm die Klägerin jedenfalls nicht widersprüchliches Verhalten entgegenhalten. Das FA hat im übrigen zu keiner Zeit - weder ausdrücklich noch konkludent - seinen im Schreiben vom 17. Dezember 1982 dargelegten Rechtsstandpunkt aufgegeben, wonach es die formellen Mängel des Antrags zum Anlaß nehme, diesen abzulehnen. Darin unterscheidet sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil in BFHE 121, 273 zugrunde lag.
Fundstellen
Haufe-Index 416540 |
BFH/NV 1990, 194 |