Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Vertragsgegenstand: Grundstück mit Reihenhaus;
Leitsatz (NV)
Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren
1. Sind von den Erwerbern mit je unterschiedlichen Vertragspartnern Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung eines Reihenhauses abgeschlossen worden, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände. Entscheidend ist dabei letztlich, ob die Grundstückserwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags an ein von einer untereinander verbundenen Veräußererseite ausgearbeitetes und angebotenes Baukonzept gebunden sind. Dies ist stets der Fall, wenn die Erwerber sich bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrags oder spätestens zusammen mit diesem hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks gegenüber der Veräußererseite zivilrechtlich gebunden haben.
2. Ein beim BFH gestellter Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist unzulässig.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 139 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 18. November 1986 als Miteigentümer je zur Hälfte einen Bauplatz von der Stadt . . . (Stadt) zum Kaufpreis von 18000 DM. Sowohl die Stadt als auch die Kläger wurden dabei von X vertreten. Der Erste Bürgermeister der Stadt genehmigte am selben Tag den Grundstückskaufvertrag mit den Klägern, da X ohne Vollmacht aufgetreten war. Nach dem Kaufvertrag stand der Stadt u.a. ein Rücktrittsrecht zu, falls die Kläger oder die Erwerber der Nachbargrundstücke (Reihenhauszeile) ihren Zahlungsverpflichtungen aus den jeweiligen Kaufverträgen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen sollten. In diesem Fall waren zwar die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, doch hatten die Kläger gegen die Stadt keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die sie auf dem Grundstück bereits getätigt hatten.
Acht Tage vor dem Grundstückskauf hatte der Kläger der Fa.W einen Reservierungsauftrag für den Abschluß eines Baubetreuungsvertrags betreffend die Errichtung eines Reihenmittelhauses auf diesem Grundstück erteilt. Den Baubetreuungsvertrag schlossen die Kläger am 17. November 1986 mit Z, dem Alleininhaber der W, in notariell beurkundeter Form ab. Z wurde dabei von X vertreten, dem er am 12. August 1986 in notariell beurkundeter Form Vollmacht zum Abschluß von Baubetreuungsverträgen für das Baugebiet der Stadt erteilt hatte. Gegenstand des Baubetreuungsvertrags war die Errichtung eines Reihenmittelhauses. Die Baubeschreibung und ein Bauplan waren dem Vertrag als Anlage beigefügt. Mit dem Vertrag beauftragten die Kläger Z als Baubetreuer, in ihrer Vertretung alle Aufgaben wahrzunehmen, die ihnen als Bauherren oblagen, und sie in allen Angelegenheiten, so auch bei der Vorbereitung und Durchführung des Bauvorhabens entsprechend der Baubeschreibung und des Plans zu beraten, zu betreuen und zu vertreten. Insbesondere sollte Z auch in ihrem Namen den Grundstückskaufvertrag abschließen. Bei Nichtzustandekommen des Grundstückskaufvertrags konnte jede Seite vom Baubetreuungsvertrag zurücktreten. Das Betreuungshonorar des Z betrug pauschal 25000 DM und die kalkulierten Baukosten waren mit 109154 DM angegeben.
Das Finanzamt (FA), der Beklagte und Revisionsbeklagte, setzte mit Bescheiden vom 5. August 1987 gegen die Kläger Grunderwerbsteuer von jeweils 1630 DM fest, wobei es aus dem Grundstückskaufpreis von 18000 DM und voraussichtlichen Baukosten einschließlich Betreuungsvergütung von 145000 DM eine Gesamtgegenleistung von 163000 DM zugrunde legte. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger hatte insoweit Erfolg, als das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 17. März 1988 die Grunderwerbsteuer auf jeweils 1521 DM ermäßigte. Das FA ermittelte dabei die Gesamtgegenleistung aus dem Grundstückskaufpreis von 18000 DM, dem kalkulierten Bauaufwand von 109154 DM und der Baubetreuungsgebühr von 25000 DM. Weiter nahm es einen Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 der Abgabenordnung (AO 1977) bezüglich der Gegenleistung (Bauaufwand) auf.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es ist aufgrund der von ihm festgestellten Tatsachen zu dem Ergebnis gelangt, daß die gesamten von den Klägern eingegangenen Vereinbarungen unter sich verflochten seien und daß sich die Stadt in das Vertragskonzept habe einbinden lassen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die fehlerhafte Anwendung von § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 und 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer der Kaufpreis des Grundstücks einschließlich der Aufwendungen für die Bebauung ist, weil Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Kläger der Miteigentumsanteil am Grundstück mit noch zu errichtendem Reihenhaus ist.
1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983 jedes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet. Bemessungsgrundlage für die Steuer ist der Wert der Gegenleistung (§ 8 GrEStG 1983). Zur Gegenleistung gehört bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1983).
Für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, 287, BStBl II 1990, 590, sowie - zu § 11 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1940 - BFH-Urteil vom 11.März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, 231, BStBl II 1981, 537 m.w.N.); denn Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist.
Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nicht nur bestimmt durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern - ggf. - auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Vereinbarungen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, und II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, sowie in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590).
Sind, wie im Streitfall, von den Erwerbern mit je unterschiedlichen Vertragspartnern Verträge über den Erwerb des Grundstücks und über die Errichtung eines Reihenhauses abgeschlossen worden, so ist zu prüfen, ob die mehreren Verträge darauf abzielen, dem Erwerber ein Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Verträge unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; BFH-Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609, und BFH-Beschluß in BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627). Entscheidend ist dabei letztlich, ob die Grundstückserwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags an ein von einer untereinander verbundenen Veräußererseite ausgearbeitetes und angebotenes Baukonzept gebunden sind. Dies ist stets der Fall, wenn die Erwerber sich bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrags oder spätestens zusammen mit diesem hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks gegenüber der Veräußererseite zivilrechtlich gebunden haben (BFH in BFHE 158, 483, 477, BStBl II 1990, 181, 183).
2. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist im Streitfall nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit noch zu erstellendem Reihenhaus.
Zwischen dem Baubetreuungsvertrag und dem Grundstückskaufvertrag besteht ein so enger sachlicher Zusammenhang, daß die Kläger objektiv gesehen als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhalten haben. Durch den Baubetreuungsvertrag vom 17. November 1986 hatten sich die Kläger bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrags am 18. November 1986 zivilrechtlich hinsichtlich der Bebauung gebunden. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags durch die Kläger stand daher objektiv fest, daß sie dieses Grundstück, bebaut mit einem bestimmten Gebäude, zu einem im wesentlichen feststehenden Preis erhalten würden. Die Entscheidung über das ,,Ob" und ,,Wie" einer Bebauung stand danach nicht mehr in ihrem freien Belieben.
Das FG ist auch ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, daß sich die Stadt als die Grundstücksverkäuferin in das Vertragskonzept hat einbinden lassen. Es hat insoweit zutreffend das für die Kläger erkennbare abgestimmte Verhalten auf der Veräußererseite insbesondere daraus abgeleitet, daß auf der Veräußererseite allein X bei Abschluß der Verträge auftrat und die Stadt den von X mit den Klägern abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag anschließend genehmigte. Zulässige und begründete Revisionsrügen (§ 118 Abs. 2 FGO) haben die Kläger nicht vorgetragen.
3. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist unzulässig (vgl. BFH-Beschluß des Großen Senats vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).
Fundstellen
Haufe-Index 423167 |
BFH/NV 1993, 752 |