Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur steuerlichen Behandlung von Scheinrenditen aus einem Schneeballsystem; Maßgeblichkeit der Sicht des Kapitalanlegers bei objektiver Betrachtungsweise
Leitsatz (amtlich)
1. Beteiligt sich ein Kapitalanleger an einem sog. Schneeballsystem, mit dem ihm vorgetäuscht wird, in seinem Auftrag und für seine Rechnung würden Geschäfte auf dem Kapitalmarkt getätigt, so ist der vom Kapitalanleger angenommene Sachverhalt der Besteuerung zugrunde zu legen.
2. Bei der Entscheidung, ob einer der in § 20 EStG oder § 23 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, kommt es entscheidend darauf an, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers als des Leistungsempfängers bei objektiver Betrachtungsweise darstellt.
Normenkette
EStG 1989 § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm im Jahr 1987 geschäftliche Verbindung zur X GmbH (X) auf, die sich auf ihren Briefbögen als Tochtergesellschaft der X Corporation, USA, bezeichnete. Die X bot durch Telefonverkäufer Kapitalanlagen auf dem amerikanischen Markt an, und zwar u.a. Differenzgeschäfte mit Treasury-Bills und Treasury-Bonds. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat sie jedoch keine Börsengeschäfte getätigt oder vermittelt, sondern ihre Hintermänner haben die an sie überwiesenen Gelder der Anleger unterschlagen und veruntreut. Falls die Auszahlung angeblich erzielter Gewinne von den Anlegern gewünscht wurde, wurde die Auszahlung mit den Einzahlungen anderer Kunden (sog. Schneeballsystem) bewirkt. Anfang 1990 brach das Firmengeflecht der X zusammen.
Bei dem Kläger wurden anlässlich einer Prüfung der Steuerfahndung acht schriftliche "Sondervereinbarungen" aus dem Jahre 1989 zwischen ihm und der X gefunden. Diese Sondervereinbarungen bezogen sich auf "eine Kapitalanlage" (15. März 1989), "Treasury-Bond-Optionen" (13. Juli 1989, 17. Juli 1989, 18. August 1989, 31. August 1989, 20. September 1989), "Treasury-Bond-Optionen --Differenzgeschäft--" (20. Oktober 1989) und "Treasury-Bills" (24. Juli 1989). Die Sondervereinbarungen hatten im Wesentlichen den folgenden gleich lautenden Text:
"Sie erhalten Treasury-Bond Optionen, Einschuss … US $. Den bereits angelaufenen Gewinn in Höhe von … US $ sichern wir durch Stop-Setzung ab und garantieren Ihnen hiermit die Rückzahlung am … in Höhe von mindestens … US $."
Zwischen den Daten der Sondervereinbarungen und den Rückzahlungsterminen lagen zwischen sieben Tagen bis zu ca. viereinhalb Monaten.
Zu jeder dieser Sondervereinbarungen wurde beim Kläger eine von der X erteilte Abrechnung gefunden. Die in den Abrechnungen ausgewiesenen Gewinne waren ausnahmslos höher als die in den Sondervereinbarungen bezeichneten und durch sog. Stopp-Setzung abgesicherten Beträge. Am Ende der jeweiligen Abrechnung wurde das jeweilige Guthaben ausgewiesen, das sich aus dem sog. Einschuss zuzüglich des Gewinns und --mit einer Ausnahme-- abzüglich einer 10 %igen Gewinnbeteiligung errechnete.
Ferner liegen zwei Vereinbarungen zwischen dem Kläger und X vom 11. Januar 1989 und vom 31. Januar 1989 über Festgeldanlagen vor.
Die X zahlte am 6. Dezember 1989 einen Betrag von … DM und am 19. Dezember 1989 einen Betrag von … DM an den Kläger aus. Insgesamt wurden im Streitjahr 1989 von der X auf den Bankkonten des Klägers in Deutschland … US $ und … DM gutgebracht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ermittelte für das Streitjahr aus den acht Sondervereinbarungen nebst den dazugehörigen Abrechnungen, aus der Abrechnung vom 6. Dezember 1989 und aus den Festgeldanlagen Erträge von insgesamt … DM. Er erfasste diesen Betrag in dem Einkommensteuerbescheid der Kläger für 1989 als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Nach erfolglosem Einspruch machten die Kläger zur Begründung ihrer Klage geltend, der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sei nicht erfüllt, weil kein Kapital zur Nutzung überlassen worden sei, sondern weil mit den an die X überwiesenen Geldern hochspekulative Differenzgeschäfte hätten durchgeführt werden sollen, bei denen ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals in das Kalkül gezogen worden sei. Die Sondervereinbarungen hätten lediglich die Funktion einer Auftragsbestätigung über ein bereits mit Gewinn abgeschlossenes Geschäft gehabt.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es führte aus, nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Sondervereinbarungen sei der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt, weil der Kläger der X bestimmte Geldbeträge zur Verfügung gestellt und die X die Rückzahlung zuzüglich eines Gewinns garantiert habe. Selbst wenn die X die Anlage des zur Verfügung gestellten Geldes in nicht steuerbare Differenzgeschäfte vorgetäuscht hätte, seien die Erträge steuerpflichtig, weil durch die von der X abgegebene Garantie, dass das angebliche Differenzgeschäft auf jeden Fall zu einem Gewinn führen würde, der Charakter als Differenzgeschäft in den Hintergrund trete und von dem Garantieversprechen überlagert werde. Der Vortrag des Klägers, die X habe die Auszahlung einer Rendite nicht von vornherein, sondern erst zu einem Zeitpunkt versprochen, in dem das angebliche Differenzgeschäft erheblich in die Gewinnzone gekommen sei, widerspreche dem Inhalt der Sondervereinbarungen.
Aber selbst wenn die X die Garantieerklärung erst später abgegeben hätte, wären die angeblich angelaufenen Gewinne allenfalls dann nicht steuerbar, wenn dem Kläger tatsächlich nicht steuerbare Differenzgeschäfte vorgespiegelt worden wären. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Es könne sich auch in der Vorstellung des Klägers nicht um ein nicht steuerbares Differenzgeschäft gehandelt haben, weil dieser angenommen habe, die Gewinne seien deshalb nicht sofort ausbezahlt worden, weil die dazugehörigen Papiere erst hätten verkauft werden müssen. Differenzgeschäfte würden aber nicht durch den An- und Verkauf von Papieren getätigt. Deshalb habe es sich auch nach der Vorstellung des Klägers bei der Geldanlage nicht um nicht steuerbare Differenzgeschäfte, sondern nur um Spekulationsgeschäfte gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG handeln können.
An diesem Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wenn es sich bei den fraglichen Geldanlagen um den An- und Verkauf von verbrieften Optionsrechten gehandelt hätte. Denn dann lägen Einkünfte aus Spekulationsgeschäften i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG vor.
Die Kläger rügen mit ihrer Revision einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG. Sie machen außerdem als Verfahrensmangel (§ 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend, es liege eine sog. Überraschungsentscheidung vor, soweit das FG Einkünfte aus Spekulationsgeschäften angenommen habe. Diese Möglichkeit sei zu keinem Zeitpunkt des gesamten Verfahrens erwogen worden.
Die Kläger beantragen,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. April 1998 und des Änderungsbescheides vom 28. November 2000 dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um … DM gekürzt werden, hilfsweise, die Sache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Vorentscheidung erweist sich im Ergebnis insoweit als richtig, als sie die Überschüsse aus den Festgeldanlagen, der "Kapitalanlage" und den Treasury-Bond-Optionen als steuerpflichtig behandelt hat. Die Revision ist begründet, soweit das FG auch den Gewinn aus der Sondervereinbarung über die Treasury-Bills für steuerpflichtig gehalten hat. Insoweit handelt es sich um ein im Streitjahr 1989 im Privatvermögen nicht steuerbares Termingeschäft.
1. Die Revision hat keinen Erfolg wegen der Rüge, das angefochtene Urteil sei eine unzulässige Überraschungsentscheidung (Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör, §§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3 FGO).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539; vom 31. Juli 1991 VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rdnr. 10 a, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt aber nicht, dass das Gericht die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte mit dem Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (BFH-Urteil in BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539, m.w.N.). Wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13. Oktober 1994 2 BvR 126/94, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl-- 1995, 34).
b) Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Frage, ob es sich bei den vom FA errechneten Erträgen des Klägers aus den umstrittenen Kapitalanlagen um Einkünfte aus Spekulationsgeschäften i.S. des § 23 EStG handeln könne, während der gesamten Verfahrensdauer nicht angesprochen worden ist. Es liegt jedoch die Annahme nahe, dass die fachkundig vertretenen Kläger eine Steuerpflicht nach dieser Vorschrift von sich aus in Betracht ziehen mussten. Letztlich kann der Senat jedoch offen lassen, ob im Streitfall eine Hinweispflicht bestanden hat. Denn Voraussetzung für eine verfassungsrechtlich unzulässige Überraschungsentscheidung wäre auf jeden Fall, dass das angefochtene Urteil auf der Rechtsauffassung, es lägen Spekulationsgeschäfte vor, in der Weise beruhen müsste, dass es ohne diese Rechtsauffassung anders ausgefallen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Rechtsansicht, es handele sich um steuerpflichtige Spekulationsgeschäfte, war für das Urteil nicht tragend, sondern kann hinweggedacht werden, ohne dass sich an der Klageabweisung durch das FG etwas geändert hätte. Das FG hat sein Urteil --ungeachtet der missverständlichen Ausführungen zu Beginn der Entscheidungsgründe-- tatsächlich nicht alternativ begründet, sondern seine Entscheidung lediglich hilfsweise kumulativ begründet. Es hat unter Abschn. I. der Entscheidungsgründe dargelegt, dass nach seiner Überzeugung Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) vorliegen. Es hat sodann lediglich hilfsweise für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht als erfüllt anzusehen wären und die "Garantieerklärung" erst abgegeben worden wäre, als das angebliche Risikogeschäft schon in der sicheren Gewinnzone gewesen wäre, ausgeführt, dass dann Spekulationsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 EStG und keine steuerfreien Differenzgeschäfte vorlägen.
2. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Überschüsse (22 143 DM und 51 348 DM) aus den Festgeldanlagen vom 11. und 31. Januar 1989 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sind. Nach dieser Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Zinsen aus Kapitalforderungen jeder Art, z.B. aus Einlagen und Guthaben bei Kreditinstituten, aus Darlehen und Anleihen. Die Zinsen aus Festgeldanlagen fallen unter diese Vorschrift und sind somit steuerpflichtig. Die Revision hat keine Gründe gegen eine Steuerpflicht dieser Kapitalerträge aufgezeigt.
3. Die Vorentscheidung hält im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung auch insoweit stand, als sie die Überschüsse aufgrund der Sondervereinbarungen über den Erwerb von Treasury-Bond-Optionen als steuerpflichtig behandelt hat. Gleiches gilt für den Überschuss aus der Abrechnung vom 6. Dezember 1989 bezüglich eines Differenzgeschäfts vom 15. November 1989, bei dem mangels anderweitiger Anhaltspunkte ebenfalls anzunehmen ist, dass sich die Sondervereinbarung auf Treasury-Bond-Optionen bezogen hat.
a) Der Senat geht davon aus, dass der Kläger nicht durchschaut hat, dass es sich bei A um einen nach dem sog. Schneeballsystem arbeitenden Anlagebetrüger handelt, sondern dass er tatsächlich angenommen hat, es würden in seinem Auftrag und für seine Rechnung Geschäfte auf dem amerikanischen Kapitalmarkt getätigt werden. Das Landgericht (LG) D hat A wegen Betruges und nicht etwa nur wegen eines versuchten Betrugs verurteilt. Diese Verurteilung hat die Überzeugung des LG vorausgesetzt, dass die Kapitalanleger der X-Gesellschaften die Täuschung nicht erkannt hatten. Der Beklagte und das FG haben keine konkreten Anhaltspunkte aufgezeigt, die dafür sprechen könnten, dass der Kläger weitsichtiger gewesen wäre als die übrigen Kapitalanleger und anders als diese erkannt hätte, dass die in den Sondervereinbarungen bestätigten Geschäfte nur vorgetäuscht worden waren. Die außerordentliche Höhe der erzielten Gewinne ist kein ausreichendes Beweisanzeichen dafür, dass der Kläger den wahren Sachverhalt erkannt hat. Vielmehr spricht der Erfolg zahlreicher Anlagebetrüger dafür, dass das Streben nach außerordentlich hohen Erträgen den klaren Blick vieler Kapitalanleger häufig eher trübt.
b) Hat der Kläger den tatsächlichen Sachverhalt nicht durchschaut, sondern angenommen, die X-Gesellschaften hätten gemäß der Bestätigung in der jeweiligen "Sondervereinbarung" in seinem Auftrag und für seine Rechnung "Treasury-Bond-Optionen" erworben, ist dieser Sachverhalt der Besteuerung zugrunde zu legen. Denn bei der Entscheidung, ob einer der in § 20 oder § 23 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, ist nicht der innere Wille der X-Gesellschaften maßgebend, sondern entscheidend, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Klägers als des Leistungsempfängers bei objektiver Betrachtungsweise darstellen musste. Das bedeutet, dass es auf den nach außen erkennbar gewordenen Willen der X-Gesellschaften beim Vertragsabschluss ankommt; dabei sind die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entsprechend anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1975 VIII R 71/71, BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 31. Oktober 1963 VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272, 278).
Bei Anwendung dieses Maßstabs liegen hinsichtlich der Überschüsse aus den Sondervereinbarungen über Treasury-Bond-Optionen steuerpflichtige Spekulationsgeschäfte gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für das Streitjahr 1989 gültigen Fassung vor. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger bei dem Erwerb der Optionen nicht den späteren Erwerb von Treasury-Bonds beabsichtigt hätte, sondern sein Wille nur auf die Erlangung eines Differenzgewinns gerichtet gewesen wäre.
c) Inhalt eines Optionsgeschäfts ist der Erwerb eines Rechts (Option) durch den Käufer der Option (Optionsnehmer) vom Verkäufer der Option (Optionsgeber, Stillhalter) gegen Zahlung eines Entgelts (Optionsprämie), innerhalb eines bestimmten Zeitraums (sog. amerikanische Option) oder zu einem vorausbestimmten Zeitpunkt (sog. europäische Option) einen bestimmten Basiswert (Waren, Aktien, Anleihen, Devisen u.a.) zu einem vereinbarten Basispreis kaufen (sog. Call) oder verkaufen (sog. Put) zu können (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1984 I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264; vom 28. November 1990 I R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126; vom 24. Juni 2003 IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752; Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl., 2003, S. 347, Rn. 1091).
Danach muss der Erwerber einer Option grundsätzlich bei Beginn des Geschäfts eine Optionsprämie zahlen. Im Streitfall war der Kläger aufgrund der jeweiligen Sondervereinbarung nicht zur Zahlung einer Optionsprämie, sondern zur Zahlung eines als "Einschuss" bezeichneten Betrages verpflichtet, der ihm nach der jeweiligen Abrechnung zurückzuzahlen war. Als Einschuss bezeichnet man die Sicherheitsleistung, die bei Terminkontrakten (Futures) sowie beim Verkauf von Optionskontrakten zu erbringen ist (vgl. Zahn, Handlexikon zu Futures, Optionen und innovativen Finanzinstrumenten, 1991, Stichwort: "Einschuß"). Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass der Kläger wegen der Verwendung des Begriffes "Einschuss" und der fehlenden Erwähnung einer Optionsprämie in der Sondervereinbarung vernünftigerweise gar nicht von dem Erwerb von Optionen hätte ausgehen dürfen. Denn bei verschiedenen börsengehandelten Optionen hat sich abweichend von der Regel, dass die Optionsprämie bei Beginn des Geschäfts fällig ist, das sog. Futures-Style-Verfahren etabliert, bei dem die Prämie erst bei Glattstellung, Ausübung oder Verfall der Option fällig wird (vgl. Scharpf/Luz, Risikomanagement, Bilanzierung und Aufsicht von Finanzderivaten, 1996, S. 281; Förschle in Beck'scher Bilanz-Kommentar --Beck Bil-Komm--, 5. Aufl., § 246 Anm. 101 und 111; Beckmann, Termingeschäfte und Jahresabschluss, 1993, S. 43). Deshalb musste die Verwendung des Begriffes "Einschuss" in den Sondervereinbarungen nicht bedeuten, dass der Kläger den wahren Sachverhalt durchschaut und erkannt hat, dass in Wirklichkeit überhaupt keine Geschäfte in seinem Auftrag und für seine Rechnung getätigt worden sind. Hat der Kläger aber angenommen und bei objektiver Betrachtung auch annehmen können, dass die an ihn ausgezahlten Gewinne aus den Treasury-Bond-Optionen stammen, deren Erwerb ihm in der jeweiligen Sondervereinbarung bestätigt worden war, haben unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH in dem Urteil in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752 selbst dann steuerpflichtige Spekulationsgeschäfte vorgelegen, wenn der Kläger von vornherein nur einen Differenzausgleich beabsichtigt hat.
d) Ein Spekulationsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für das Streitjahr 1989 gültigen Fassung die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate beträgt. Die Regelung erfasst nur Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter. Das veräußerte Wirtschaftsgut muss mit dem erworbenen zumindest wirtschaftlich identisch sein. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248, m.w.N., und vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469).
Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen auch Optionen (BFH-Urteile vom 24. Juli 1996 X R 139/93, BFH/NV 1997, 105; vom 19. Mai 1982 I R 257/78, BFHE 136, 363, BStBl II 1982, 768; in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752). Bei einer Option handelt es sich um einen vermögenswerten Vorteil, der selbständig bewertbar und längerfristig nutzbar ist (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 105). Das Optionsrecht ist nach allgemeiner Meinung bei einem betrieblich veranlassten Erwerb in der Bilanz des Unternehmens als immaterieller Vermögensgegenstand zu aktivieren (vgl. z.B. Förschle in Beck Bil-Komm, § 246 Anm. 101; Eisele/Knobloch, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1993, 577, 582, m.w.N.) und damit auch ein Wirtschaftgut i.S. des § 4 Abs. 1 EStG.
Bei den Optionsgeschäften an der amerikanischen Terminbörse, die dem Kläger vorgetäuscht worden sind, handelt es sich unabhängig davon um Spekulationsgeschäfte, auf welche Weise der --dem Kläger in den beiden Streitjahren jeweils vor Ablauf von sechs Monaten mitgeteilte-- Gewinn zustande gekommen sein soll. Bei Treasury-Bond-Optionen sind Treasury-Bonds die Basiswerte. Treasury-Bonds sind langfristige Wertpapiere des US-Schatzamtes mit einer Laufzeit von 10 Jahren und länger (vgl. Siebers/ Weigert, Börsen-Lexikon, 1995, Stichwort: "T-Bonds"). Dem Kläger ist in keinem Fall mitgeteilt worden, dass für ihn Treasury-Bonds erworben und tatsächlich in ein Depot überführt worden seien. Deshalb kann der jeweilige Gewinn nur auf
- einer Ausübung der Option mit einem sofortigen Anschlussgeschäft oder auf
- einem sog. Glattstellungsgeschäft
beruhen. In beiden Fällen läge ein Spekulationsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG vor.
aa) Wären die an den Kläger ausgezahlten Überschüsse durch eine Ausübung der Option und den anschließenden Weiterverkauf der erworbenen Treasury-Bonds erzielt worden, hätte es sich bei dem jeweils innerhalb von sechs Monaten vollzogenen Verkauf der erworbenen Wertpapiere ebenfalls um ein Spekulationsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG gehandelt (vgl. Harenberg/ Irmer, a.a.O., S. 354, Rn. 1106). Die Rechtslage wäre auch dann nicht anders, wenn dem Kläger durch die Sondervereinbarung vorgetäuscht worden wäre, die Option zu einem Verkauf von Treasury-Bonds erworben zu haben. Denn in diesem Fall hätten die entsprechenden Treasury-Bonds zuvor erworben und sodann veräußert werden müssen, was ebenfalls zu einem Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG geführt hätte (vgl. Harenberg/Irmer, a.a.O., S. 355, Rn. 1111).
bb) Ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft läge aber auch dann vor, wenn der an den Kläger ausgezahlte Überschuss auf einem sog. Glattstellungsgeschäft beruht hätte.
aaa) Treasury-Bond-Optionen werden an amerikanischen Börsen, und zwar u.a. auch an der "Chicago Board of Options Exchange" (CBOE) gehandelt (vgl. Zahn, a.a.O., Stichwort: "T-Bond-Option"). An der CBOE werden ausschließlich Optionen gehandelt, deren einer Vertragspartner die "Options Clearing Corporation" (OCC) ist (vgl. Hartung, Das Wertpapieroptionsgeschäft in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 25). Beim Optionshandel an der CBOE ist die OCC Vertragspartner sowohl des Stillhalters als auch des Käufers der Wertpapieroptionen. Dadurch wird erreicht, dass sich Stillhalter und Käufer völlig unabhängig voneinander jeweils durch Gegengeschäfte mit der OCC von dem Optionsgeschäft lösen können, ohne vertragliche Rechte des anderen Teils zu beeinträchtigen (vgl. zum Vorstehenden Hartung, a.a.O., S. 26 ff.).
An diesem sog. CBOE-Modell hat sich auch der Optionshandel an der Deutschen Terminbörse --DTB-- (jetzt: EUREX) orientiert (vgl. Hartung, a.a.O., S. 25; Walter, Die Rechtsnatur des Börsentermingeschäfts, 1990, S. 90 und 93; vgl. auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., S. 1862-1864, Rn. 14.129 bis 14.136). Die dort gehandelten Optionen können ebenfalls nicht an Dritte veräußert, sondern nur durch Gegengeschäfte "glattgestellt" werden (vgl. dazu Fleischmann, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1996, 289 ff.; ders., Inf 2003, 225, 226). Der Optionsberechtigte verkauft der DTB eine Option der gleichen Serie, aus der er zuvor gekauft hat, und kennzeichnet das Geschäft als Glattstellungs- oder Closinggeschäft (vgl. zur Funktionsweise Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 10. November 1994 IV B 3 -S 2256- 34/94, BStBl I 1994, 816, Tz. 2; Fleischmann, Inf 1996, 289 ff.; ders., Inf 2003, 225, 226).
bbb) Der IX. Senat des BFH hat in dem Urteil in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752 die bis dahin offene Frage entschieden, ob bei an der DTB gehandelten Optionen das Glattstellungsgeschäft ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG oder ein nicht steuerbares Differenzgeschäft ist (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248). Er hat unter Hinweis auf die gebotene wirtschaftliche Betrachtung ein Veräußerungsgeschäft angenommen und darauf hingewiesen, dass das Eröffnungsgeschäft und das Glattstellungsgeschäft keine Einheit bildeten, die sich lediglich auf den --nicht steuerbaren-- Differenzausgleich richten würde. Vielmehr spreche gegen eine einheitliche Betrachtung von Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft, dass das Eröffnungsgeschäft nicht zwingend zu einer Glattstellung durch ein Gegengeschäft führen müsse, weil der Optionsnehmer stattdessen auch von seinem Recht Gebrauch machen könne, Wertpapiere zu dem zuvor vereinbarten Basispreis zu erwerben. Das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstelle, führe auch zu einer "Veräußerung" der Option". Weil die Option nach den Handelsbedingungen an der DTB nicht an Dritte veräußert werden könne, bilde die Glattstellungstransaktion den einzigen Weg, sich von der eingegangenen Position zu trennen und dabei ihren wirtschaftlichen Wert zu verwirklichen. Das Gegengeschäft führe zur Aufhebung des Optionsrechts; Kauf- und Verkaufsposition einer Serie würden gegeneinander glattgestellt. Unabhängig davon, ob dies durch Aufrechnung mittels eines Aufrechnungsvertrages geschehe, sei das Rechtsgeschäft darauf gerichtet, das Recht aus der Option durch Verrechnung mit der Verpflichtung aus der Option zum Erlöschen zu bringen. Da bereits in der Aufhebung des Optionsrechts eine Verfügung über dieses Recht und damit eine Veräußerung liege, komme es nicht darauf an, dass diese Verfügung sich nicht als Rückveräußerung der erworbenen Option darstelle. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG fordere nicht, dass die erworbene Position zurückübertragen werden und damit als solche fortbestehen müsse. Diese Veräußerung habe auch nicht lediglich zu einem Rückgängigmachen des Eröffnungsgeschäfts, sondern zu seiner wirtschaftlichen Erfüllung geführt. Denn mit der sog. Glattstellung würden die Werterhöhungen des Wirtschaftsgutes "Option" realisiert. Der Optionsberechtigte erhalte für das Gegengeschäft eine Prämie, die von der Kursentwicklung der Wertpapiere oder Rechte abhänge, die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildeten, und die damit den Wert der Option selbst repräsentiere.
ccc) Diese Grundsätze, die für ein Glattstellungsgeschäft einer an der DTB gehandelten Option aufgestellt worden sind, sind auch auf Glattstellungsgeschäfte auf Optionen anwendbar, die an amerikanischen Terminbörsen gehandelt werden. Denn wie bereits oben dargelegt, läuft der Handel nach vergleichbaren Regeln ab. Da dem Kläger der Gewinn aus der jeweiligen Sondervereinbarung auch stets innerhalb von sechs Monaten mitgeteilt worden ist, wäre der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG auch dann erfüllt und eine Steuerpflicht selbst dann gegeben, wenn der Kläger bei den Sondervereinbarungen über den Erwerb von Treasury-Bond-Optionen von vornherein ein Glattstellungsgeschäft beabsichtigt hätte.
cc) Auch der Verkauf eines Optionsrechtes vor seinem Verfall innerhalb von sechs Monaten nach seinem Erwerb würde zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn führen (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 105). Bei den an der CBOE gehandelten Treasury-Bond-Optionen, deren Vertragspartner die OCC ist, ist ein Weiterverkauf an Dritte jedoch nicht möglich.
dd) Der Annahme eines Spekulationsgeschäftes steht auch nicht der Hinweis der Kläger auf das Schreiben des BMF in BStBl I 1994, 816, Rz. 1 und 17 und die Möglichkeit des Barausgleichs entgegen. Wie die Kläger selbst ausführen, wäre Voraussetzung dafür, dass die effektive Lieferung des Basiswertes aufgrund der Natur der Sache oder aufgrund von Handelsbedingungen ausgeschlossen wäre. Treasury-Bonds sind aber lieferbare Wertpapiere und die Lieferung war bei den an amerikanischen Terminbörsen gehandelten Treasury-Bond-Optionen auch nicht ausgeschlossen. Dementsprechend war ein Barausgleich der in dem BMF-Schreiben genannten Art nicht möglich; insoweit kam nur ein Glattstellungsgeschäft in Betracht (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752, betreffend die an der DTB gehandelten Optionen). Allein der Umstand, dass der Wille des Klägers von vornherein nicht auf den Erwerb von Treasury-Bonds, sondern nur auf die Auszahlung eines Gewinns gerichtet war, bedeutet nicht, dass es sich um ein nicht steuerbares Differenzgeschäft handelt.
e) Die Erfassung der dem Kläger gutgeschriebenen Beträge als Gewinne aus Spekulationsgeschäften scheidet auch nicht wegen des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit aus. Das FG hat festgestellt und der Kläger hat auch nicht bestritten, dass ihm im Streitjahr 1989 von der X auf seinen Bankkonten Beträge gutgebracht worden sind, die höher waren als die in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid erfassten Erträge. Durch die Beträge, die dem Kläger auf seinen Bankkonten und auf dem bei der X für ihn geführten Konto gutgeschrieben worden sind, wurde seine Leistungsfähigkeit verstärkt. Denn diese Mittel standen ihm zur Verfügung. Das FG hat nicht festgestellt, dass die X eine im Streitjahr vom Kläger verlangte Auszahlung eines Guthabens verweigert habe und deshalb insoweit ein Zufluss nicht habe angenommen werden können (vgl. zum Zufluss durch Gutschrift BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 12/96, BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761; vom 10. Juli 2001 VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl II 2001, 646). Vielmehr sind dem Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des FG noch im Dezember 1989 hohe Beträge ausgezahlt worden. Soweit die X dem Verlangen des Klägers auf Auszahlung seines Guthabens in späterer Zeit nicht mehr entsprochen hat, hindert dies die Erfassung der im Streitjahr erzielten Spekulationsgewinne nicht.
f) Die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist entgegen der Auffassung der Kläger für das Streitjahr 1989 auch nicht wegen eines verfassungswidrigen Vollzugsdefizits ausgeschlossen. Wie der IX. Senat des BFH bereits durch Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/01 (BFHE 206, 273, DStR 2004, 1166, mit Anm. BT, DStR 2004, 1171) entschieden hat, ist diese Vorschrift für Jahre bis einschließlich 1993 anwendbar, auch wenn das BVerfG sie, soweit sie Veräußerungsgeschäfte aus Wertpapieren betrifft, durch Urteil vom 9. März 2004 2 BvL 17/02 (BFHReport 2004, 295, 308, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2004, 396) in der für 1997 und 1998 geltenden Fassung für mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig erklärt hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995). Denn die Rechtslage, dass ein Verstoß gegen die Belastungsgleichheit auf die materiell-rechtliche Grundlage für die Steuererhebung zurückwirkt, war bis zu dem Urteil des BVerfG vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) nicht erkannt worden. Das BVerfG hat in Fällen gewandelter Verfassungsauslegung unter Hinweis auf das rechtsstaatliche Kontinuitätgebot die Notwendigkeit von Übergangsregelungen anerkannt. Es hat dem Gesetzgeber für die Vorschriften der §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG (a.F.) aufgegeben, spätestens mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eine Besteuerungsgleichheit herzustellen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, unter C.II.5.b der Entscheidungsgründe). Es gibt keinen einleuchtenden Grund, die Frist für die Beseitigung eines eventuellen Vollzugsdefizits bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften kürzer zu bemessen als für die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Auch das BVerfG geht für Spekulationsgeschäfte nicht von einer kürzeren Übergangsfrist aus, wenn es in seinem oben zitierten Urteil in BFHReport 2004, 295, DStRE 2004, 396 (unter D.I. der Gründe) ausführt, dass die in dem Urteil in BVerfGE 84, 239 angeführten Gründe für die Einräumung einer Übergangsfrist für gesetzgeberische Nachbesserungen zwischenzeitlich nicht mehr vorlägen.
g) Die Steuerpflicht der Gewinne aus den vom Kläger getätigten Spekulationsgeschäften scheidet auch nicht aufgrund des Vorbringens der Kläger aus, die Finanzverwaltungen außerhalb Baden-Württembergs hätten bei gleichem Sachverhalt zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden. Denn selbst wenn --was keineswegens feststeht-- die Sachverhalte tatsächlich vergleichbar wären, begründet die fehlerhafte begünstigende steuerliche Behandlung eines Sachverhalts durch eine Finanzbehörde keinen Rechtsanspruch auf eine Gleichbehandlung durch eine andere Behörde.
4. Auch bezüglich der "Kapitalanlage" vom 15. März 1989 liegt im Ergebnis eine Steuerpflicht vor.
a) Es bestünde eine Steuerpflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn es sich dabei um eine Festgeldanlage gehandelt hätte.
b) Wäre dem Kläger insoweit --wie bei den nachfolgenden Sondervereinbarungen-- der Erwerb von Treasury-Bond-Optionen vorgetäuscht worden, wäre aus den dargestellten Gründen eine Steuerpflicht gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG gegeben.
c) Eine Steuerpflicht bestünde aber auch dann, wenn man annähme, dass ausgehend vom Empfängerhorizont des Klägers kein bestimmtes Rechtsgeschäft vorgetäuscht worden wäre. Denn in diesem Fall müsste der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Dieser hätte eine Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zur Folge.
Nach der erstgenannten Vorschrift gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, z.B. aus Einlagen und Guthaben bei Kreditinstituten, aus Darlehen und Anleihen. Tatsächlich hatte der Kläger den X-Gesellschaften einen bestimmten Geldbetrag überlassen und die X-Gesellschaften hatten dem Kläger nach Ablauf einer gewissen Zeit diesen Betrag zuzüglich eines Entgelts zurückgezahlt. In Höhe des bereits in der Sondervereinbarung garantierten Gewinns von 325 000 US $ war der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt. Soweit dem Kläger später tatsächlich ein höherer als der garantierte Betrag als Gewinn mitgeteilt worden ist, nämlich 359 800 US $, liegen für den überschießenden Betrag die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vor. Danach gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in Abs. 1 bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. Diese Vorschrift bewirkt, dass alles, was für die Nutzung von Kapital gewährt wird, zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehört; deshalb gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1987 VIII R 156/84, BFHE 151, 512, BStBl II 1988, 252, m.w.N.).
5. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit das FG auch den Gewinn aus der Sondervereinbarung vom 24. Juli 1989 (263 676 DM) als steuerpflichtigen Ertrag behandelt hat.
In dieser Sondervereinbarung ist dem Kläger der Erhalt von "Treasury-Bills" bestätigt worden, wobei in der dazugehörigen Abrechnung vom 18. August 1989 von "Treasury-Bonds" die Rede ist. Der Senat geht mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für das Gegenteil davon aus, dass dem Kläger diese Unstimmigkeit bei der Abrechnung nicht aufgefallen ist und er daraus nicht abgeleitet hat, dass tatsächlich kein Geschäft in seinem Auftrag an amerikanischen Börsen getätigt worden ist. Deshalb ist für die Besteuerung der objektive Erklärungsinhalt der Sondervereinbarung vom 24. Juli 1989 maßgebend.
a) Danach konnte der Kläger annehmen, er habe einen Finanz-Terminkontrakt über Treasury-Bills abgeschlossen und nicht etwa Treasury-Bills erworben. Treasury-Bills sind vom Staat emittierte Geldpapiere mit einer Laufzeit von meist 90 Tagen (vgl. Grütering, Börsen-Banken-Steuer-Lexikon, 1997, S. 600, Stichwort :"Treasury-Bills"; Büschgen, Das kleine Börsenlexikon, 20. Aufl., S. 721, Stichwort: "Treasury bills"). Zwar taucht in dem Wortlaut der Vereinbarungen das Wort Terminkontrakt oder "Future" nicht auf. Für die Annahme, dass der Kläger aufgrund der Sondervereinbarungen von dem Abschluss eines Termingeschäfts über Treasury-Bills und nicht etwa von dem Erwerb von Treasury-Bills als Wertpapieren ausgegangen ist, spricht aber, dass er einen Einschuss und keinen Kaufpreis zu entrichten hatte. Denn der Erwerb von Treasury-Bills hätte zur Zahlung eines Kaufpreises verpflichtet, während der im Streitfall geleistete Einschuss tatsächlich wieder zurückgezahlt worden ist.
b) Der aus dem Terminkontrakt über Treasury-Bills vorgetäuschte Gewinn ist nicht steuerpflichtig.
aa) Mit dem Abschluss eines Termingeschäfts über Wertpapiere verpflichtet sich der Verkäufer bzw. Käufer, das entsprechende Finanzinstrument zu einem vorab festgelegten Preis zu einem späteren, ebenfalls festgelegten Zeitpunkt zu liefern bzw. abzunehmen; beiden Vertragsseiten steht jedoch die Möglichkeit offen, durch den Abschluss eines gegenläufigen Geschäfts die effektive Lieferung oder Abnahme zu vermeiden (vgl. Rabenhorst, Der Betrieb --DB-- 1994, 741; Siebers/Weigert, a.a.O., Stichwort: "Futures"; Zahn, a.a.O., Stichwort: "Future"). Terminkontrakte, deren Gegenstand an der Terminbörse gehandelte standardisierte Geld- oder Kapitalanlagen sind, werden auch als Zins-Futures bezeichnet (vgl. z.B. Förschle, Beck Bil-Komm, § 246 Anm. 131). Bei börsengehandelten Futures besteht die Besonderheit, dass die sog. Clearing-Stelle als Kontrahent zwischen Käufer und Verkäufer tritt; fällt einer der Vertragspartner aus, so steht die Clearing-Stelle für dessen vertragliche Verpflichtungen ein. Um diese Funktion erfüllen zu können, erhebt die Clearing-Stelle von allen Börsenteilnehmern Sicherheitsleistungen --Margins-- (vgl. Rabenhorst, DB 1994, 741, 742; Kümpel, a.a.O., S. 1863, Rn. 14.131 und 14.132). Zu den börsengehandelten Zinsterminkontrakten gehören auch die Treasury-Bill-Futures (vgl. Müller-Möhl, Optionen und Futures, 4. Aufl., S. 39; Kümpel, a.a.O., S. 1867, Rn. 14.153; ders., Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 1987, 1321, 1328; ders., WM 1986, 661, 664).
bb) Da dem Kläger nicht der Erwerb von Tresury-Bills mitgeteilt worden ist und Börsentermingeschäfte ihrer wirtschaftlichen Funktion nach nicht auf effektive Erfüllung, sondern auf Glattstellung durch ein Gegengeschäft hin angelegt sind (vgl. z.B. Paus, Börsentermingeschäfte, 1995, S. 140 Fn. 157, m.w.N.; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 816, Tz. 20), musste der Kläger bei objektiver Betrachtung annehmen, dass der Zins-Future-Kontrakt durch ein glattstellendes Gegengeschäft (vgl. dazu z.B. Harenberg/Irmer, a.a.O., S. 358 f., Rn. 1123) aufgelöst worden ist und der ihm mitgeteilte Gewinn aus der Differenz zwischen Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft resultierte.
cc) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei Überschüssen aus privaten Devisen- oder Warentermingeschäften, bei denen der Wille der Vertragsparteien auf einen Gewinn in Form der Kursdifferenz gerichtet ist, weder um Einkünfte aus Spekulationsgeschäften i.S. von § 22 Nr. 2 und § 23 Abs. 1 Nr. 1 b EStG noch um Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79, BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618; vom 6. Dezember 1983 VIII R 172/83, BFHE 140, 82, BStBl II 1984, 132; in BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 816, Tz. 20; Harenberg/Irmer, a.a.O., S. 359 Rn. 1123; Müller-Möhl, a.a.O., S. 320; Hamacher, WM 1995, 777, 779 und 780; van Bebber, DStR 1999, 1756, unter 1.). Es sind keine Gründe ersichtlich, dies für Zinsterminkontrakte (Zins-Futures) anders zu sehen.
Die Steuerpflicht für Überschüsse aus solchen Differenzgeschäften wurde erst durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) durch die Einfügung einer Nr. 4 in § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG begründet. Danach sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) auch Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 39 Satz 2 EStG 1999 erst auf solche Geschäfte anwendbar, bei denen der Erwerb des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nach dem 31. Dezember 1998 erfolgt ist. In den Gesetzesmaterialien wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von dieser Vorschrift z.B. auch Futures erfasst werden (BTDrucks 14/443, S. 29; BMF-Schreiben vom 27. November 2001 IV C 3 -S 2256- 265/01, BStBl I 2001, 986, 990, Tz. 34 und 35). Danach ist der Gesetzgeber --insoweit im Einklang mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 816, Tz. 20 und 21-- für Erwerbe vor dem 31. Dezember 1998 nicht von einer Steuerpflicht von Zinsterminkontrakten ausgegangen, die auf einen Differenzausgleich gerichtet waren und die auch tatsächlich nicht effektiv erfüllt worden sind.
dd) Der Senat braucht nicht zu beurteilen, wie die Rechtslage wäre, wenn dem Kläger nur der bereits in der Sondervereinbarung garantierte Gewinn ausgezahlt worden wäre. Denn da ihm ein höherer Überschuss gutgeschrieben wurde, musste er bei objektiver Betrachtung annehmen, dass dieser auf einer Glattstellung des Terminkontrakts und nicht auf einem eventuellen Garantieversprechen beruht hat. Ob die Rechtslage anders wäre, wenn dem Kläger bereits bei der telefonischen Auftragserteilung und nicht erst in der anschließenden Sondervereinbarung ein bestimmter Gewinn und die Rückzahlung seines Einschusses garantiert worden wäre, ist nicht entscheidungserheblich, da dieser Sachverhalt nicht nachgewiesen wurde und das FA insoweit die objektive Feststellungslast trägt.
6. Da die Vorentscheidung von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, wird sie aufgehoben. Die Einkommensteuer für 1989 wird wie folgt festgesetzt …
Fundstellen
Haufe-Index 1396114 |
BFH/NV 2005, 1670 |
BStBl II 2005, 739 |
BFHE 209, 423 |