Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Missbrauch, wenn Mieter zuvor sein Nutzungsrecht aufgibt; persönliche Beziehung der Partner einer Haushaltsgemeinschaft als Grundlage für Nutzungsüberlassung
Leitsatz (NV)
1. Der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen stellt nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch dar, weil der Mieter zuvor sein Nutzungsrecht an dem Mietobjekt unentgeltlich aufgegeben hat (Anschluss an BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 IX R 91/00, BFH/NV 2004, 1272).
2. Vollzieht sich die Nutzungsüberlassung im Rahmen der familiären Haushaltsgemeinschaft, so ist nicht der zivilrechtliche Vertrag, sondern die persönliche Beziehung der Partner Grundlage des gemeinsamen Wohnens.
Normenkette
AO 1977 § 42 Abs. 1; EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 12
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Zweifamilienhauses. Sie selbst bewohnte zusammen mit ihrem Sohn die obere Etage. In der unteren Etage wohnte ihre Mutter zunächst aufgrund eines unentgeltlichen Wohnungsrechts. Nach Verzicht der Mutter auf ihr Wohnungsrecht schlossen die Klägerin und ihre Mutter im Streitjahr (1998) einen Mietvertrag über die von der Mutter bewohnte Wohnung ab. Ebenso schlossen die Klägerin und ihr Sohn einen Mietvertrag über die Wohnung in der oberen Etage ab.
Weil die Klägerin hinsichtlich der selbstgenutzten Wohnung auf die Nutzungswertbesteuerung verzichtete, waren in den Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 1997 keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen. Im Streitjahr wandte sie für Erhaltungsarbeiten rund 60 000 DM auf. Sie gab eine Einnahme-Überschussrechnung für das Zweifamilienhaus ab und machte Werbungskostenüberschüsse bei beiden Wohnungen geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an, weil die Klägerin auf die Besteuerung des Nutzungswerts unwiderruflich verzichtet habe.
Die Klage blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, in Bezug auf die an den Sohn vermietete Wohnung fehle es an einer hinreichenden Abgrenzung des vermieteten Bereichs von der Sphäre der Klägerin. Auch der Mietvertrag mit der Mutter könne nicht anerkannt werden. Das "Überwiegen von dem Privatbereich zuzuordnenden Motiven" lasse sich "bereits an dem Bemühen um eine bestimmte steuerlich wirksame Gestaltung erkennen". Denn nur unter dem Aspekt der Steuerersparnis leuchte ein, warum die Mutter der Klägerin ihr unentgeltliches Wohnungsrecht aufgegeben habe. Weitere Gesichtspunkte kämen hinzu: So stehe nicht fest, ob und in welchem Umfang die Mutter die vereinbarte Miete auch tatsächlich bezahlt habe. Überdies sei die fehlende Vereinbarung über Nebenkosten unüblich.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sie auf Verletzung materiellen Rechts (§ 12 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
1. Zu Unrecht hat das FG den Mietvertrag der Klägerin mit ihrer Mutter (wegen Gestaltungsmissbrauch) steuerrechtlich nicht anerkannt, weil es lediglich unter dem Aspekt der Steuerersparnis einleuchte, warum die Mutter ihr unentgeltliches Wohnungsrecht aufgegeben habe.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) dar, weil der Mieter --wie hier die Mutter der Klägerin-- zuvor sein Nutzungsrecht an dem Mietobjekt unentgeltlich aufgegeben hat; denn auch Angehörigen steht es frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten (vgl. dazu BFH-Urteile vom 17. Dezember 2003 IX R 91/00, BFH/NV 2004, 1272; IX R 105/00, BFH/NV 2004, 1273, jeweils m.w.N.).
Im Übrigen ist der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus (im Rahmen des sog. Fremdvergleichs) sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).
Eine Beurteilung hierzu ist dem Senat mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des FG verwehrt. Insbesondere hat es das FG offen gelassen, ob und inwieweit tatsächlich Miete gezahlt worden ist.
2. Zutreffend hat das FG aber den Mietvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Sohn steuerrechtlich nicht berücksichtigt.
Vollzieht sich die Nutzungsüberlassung im Rahmen der familiären Haushaltsgemeinschaft, so ist sie grundsätzlich der nicht steuerbaren Privatsphäre zuzuordnen (§ 12 EStG) und kann auch nicht durch einen Mietvertrag in den Bereich der Einkünfteerzielung (§ 2 EStG) verlagert werden: Nicht der zivilrechtliche Vertrag, sondern die persönliche Beziehung der Partner ist Grundlage des gemeinsamen Wohnens (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 2003 IX B 172/02, BFHE 201, 254, BStBl II 2003, 301; vom 16. November 2001 IX B 55/01, BFH/NV 2002, 345, und BFH-Urteile vom 30. Januar 1996 IX R 100/93, BFHE 180, 74, BStBl II 1996, 359, und vom 4. August 2003 IX R 25/02, BFH/NV 2004, 38).
So verhält es sich hier: Nach den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) des FG bestand zwischen der Klägerin und ihrem Sohn eine Haushaltgemeinschaft. Dies wird von der Revision auch nicht in Abrede gestellt. Danach "umsorgt" die Klägerin ihren Sohn auch nach dem Abschluss des Mietvertrags weiterhin.
3. Da das angefochtene Urteil den unter 1. dargestellten Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird den Mietvertrag der Klägerin mit ihrer Mutter insgesamt neu beurteilen und insbesondere prüfen müssen, ob er einem Fremdvergleich entspricht. Es hat dabei die gewählte Gestaltung eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses als steuerrechtlich möglich zu akzeptieren und muss feststellen, ob die Vertragsparteien den Mietvertrag auch tatsächlich so wie vereinbart durchgeführt haben. Insbesondere darf es nicht offen lassen, ob und inwieweit die Mutter tatsächlich Miete gezahlt hat. Der Fremdvergleich muss insbesondere in Bezug auf Nebenkosten den unter 1. dargestellten Maßstäben und der dort zitierten Rechtsprechung entsprechen (vgl. zur Bestimmung der Höhe der Miete bei Warm- oder Kaltmiete auch BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 50/04, BFH/NV 2004, 1531). Wegen der Vereinbarungen über Schönheitsreparaturen verweist der Senat auf sein Urteil vom 28. August 2004 IX R 28/03 (BFH/NV 2005, 50, unter II.3.b am Ende).
Fundstellen
Haufe-Index 1343230 |
BFH/NV 2005, 1008 |