Leitsatz (amtlich)
Ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich ist nur dann rechtzeitig gestellt, wenn der Arbeitnehmer dem FA innerhalb der Ausschlußfrist des § 4 Abs. 5 JAV nicht nur die erforderlichen Personalangaben gemacht, sondern auch seinen Bruttojahresarbeitslohn und die einbehaltene Lohnsteuer mitgeteilt hat.
Normenkette
AO § 83 Abs. 2, § 150 Abs. 1 S. 2, § 238 Abs. 1; EStG 1965 § 42 Abs. 2; JAV 1966 § 4 Abs. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) teilte dem Beklagten und Revisionskläger (FA) mit Schreiben vom 28. April 1970 lediglich mit, daß er die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für 1969 beantrage, wegen der Vorbereitungen für eine Studienreise nach den USA die erforderlichen Unterlagen aber nicht rechtzeitig vorlegen könne. Auch die Lohnsteuerkarte war dem formlosen Antrag nicht beigefügt. Das FA sah in dem Brief des Klägers einen unzulässigen Antrag auf Verlängerung der Ausschlußfrist des § 4 Abs. 5 der JAV, den es mit Schreiben vom 6. Juli 1970 ablehnte. Ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich müsse nämlich die für seine Durchführung erforderlichen Angaben enthalten, wozu auch die fristgerechte Vorlegung der Lohnsteuerkarte gehöre. Hinreichende Gründe für eine Nachsichtgewährung habe der Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger beantragte am 5. August 1970 Gewährung von Nachsicht und legte gleichzeitig einen formgerechten Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1969 vor, mit dem er die zusätzliche Berücksichtigung von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen begehrte. Das FA wertete das Schreiben als Einspruch gegen seinen Bescheid vom 6. Juli 1970 und wies ihn als unbegründet zurück. Die Klage dagegen hatte Erfolg.
Das FG bejahte die Rechtswirksamkeit des Antrags des Klägers auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1969. Unstreitig sei sein Brief innerhalb der Ausschlußfrist des § 4 Abs. 5 JAV in der für den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1969 gültigen Fassung vom 31. Januar 1966 - JAV 1966 - (BGBl I 1966, 98) beim FA eingegangen. Ihm sei zu entnehmen gewesen, daß der Kläger einen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich habe stellen wollen. Damit seien die formalen Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 JAV 1966 erfüllt gewesen, da die Rechtswirksamkeit des Antrags nicht davon abhänge, daß er bereits alle für die Durchführung des Jahresausgleichs erforderlichen Angaben enthalte. Der Antrag sei auch nicht deshalb als unwirksam anzusehen, weil ihm nicht die Lohnsteuerkarte beigelegen habe. Aus dem Sinnzusammenhang des § 4 Abs. 5 JAV 1966 ergebe sich, daß der Verordnungsgeber die Lohnsteuerkarte nicht als notwendigen Bestandteil des Lohnsteuer-Jahresausgleichsantrags angesehen habe. § 42 Abs. 2 EStG 1965 verdeutliche das noch. Die in § 42 Abs. 2 EStG 1965 enthaltene Aufzählung werde zwar durch die Worte eingeleitet "dabei kann insbesondere bestimmt werden...". Durch das Wort "insbesondere" werde der Verordnungsgeber aber nicht ermächtigt, die Einhaltung der Frist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich von einem förmlichen Antrag und von der gleichzeitigen Beifügung der Lohnsteuerkarte abhängig zu machen. Die Ergänzung des § 42 Abs. 2 Nr. 3 EStG durch Art. 1 Nr. 6 StÄndG 1971 bestätige das; denn nunmehr habe der Gesetzgeber den Verordnungsgeber ausdrücklich zu der Anordnung ermächtigt, daß der Lohnsteuer-Jahresausgleich beim FA nur innerhalb einer bestimmten Frist und unter Verwendung bestimmter Vordrucke beantragt werden könne. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß beim Lohnsteuer-Jahresausgleich in der Regel der Staat der Schuldner des Steuerpflichtigen sei. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, Bestimmungen, die aus formellen Gründen zum Erlöschen dieser Schuld führen, möglichst zu beschränken und sie klar zu fassen. Wenn der Finanzminister des Landes Nordhrein-Westfalen in seinem Erlaß S. 2390 - 16 - V B 2 vom 23. April 1970 die Ansicht vertrete, daß das FA durch den Antrag in die Lage versetzt werden müsse, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen, so dürfe auf diesem Wege die Ausschlußfrist des § 4 Abs. 5 JAV nicht verschärft werden. Die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs scheitere auch nicht daran, daß die erforderlichen Unterlagen nachträglich eingereicht werden. Bei der Vielzahl der Fälle könne das FA ohnehin nicht alle Anträge gleichzeitig bearbeiten. Schließlich benachteilige sich der Arbeitnehmer selbst, wenn er durch unvollständige Anträge die Erstattung verzögere.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Auslegung des § 4 Abs. 5 JAV. Bei dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich handele es sich um eine Steuererklärung, die nach § 166 AO so ausführlich sein müsse, daß das FA eine Steuerberechnung durchführen und gegebenenfalls eine Erstattung vornehmen könne. Der Antrag des Klägers vom 28. April 1970 habe aber diese Voraussetzung nicht erfüllt und könne daher nur als Fristverlängerungsantrag gewertet werden. Eine derartige Fristverlängerung sei aber wegen § 83 Abs. 1 AO nicht möglich. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Der Kläger hat innerhalb der Ausschlußfrist des § 4 Abs. 5 JAV keinen ordnungsmäßigen Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für 1969 gestellt, da sein Schreiben vom 28. April 1970 nicht den Mindestanforderungen entspricht, die an einen Erstattungsantrag zu stellen sind. Weder aus § 150 Abs. 2 AO noch aus § 42 Abs. 2 EStG oder § 4 Abs. 5 JAV ergibt sich, welche Beschaffenheit ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich haben muß, um als ein solcher angesehen werden zu können. Auch § 168 AO, der die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vorsieht, wenn ein Steuerpflichtiger seine Steuererklärung nicht fristgerecht eingereicht hat, stellt nicht klar, wann eine mangelhafte Erklärung der Nichtabgabe einer Erklärung gleichzustellen ist. Zu dieser vom Gesetzgeber nicht geregelten Frage hat die Rechtsprechung ausgeführt, daß eine Steuererklärung auch dann vorliege, wenn sie Mängel aufweise, diese jedoch nicht so schwerwiegend sein dürften, daß es unmöglich sei, das ordnungsmäßige Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen (Urteil des BFH vom 6. November 1969 IV 249/64, BFHE 97, 405, BStBl II 1970, 168). Bei Übernahme dieses Grundsatzes auf das Lohnsteuererstattungsverfahren kann eine fristgerechte Antragstellung zwar nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Erstattungsanspruch beziffert wird; andererseits reicht aber auch nicht jede unsubstantiierte Äußerung für eine Wahrung der Frist des § 4 Abs. 5 JAV aus. Der Senat stimmt deshalb der in der Literatur vertretenen Ansicht zu, wonach aus dem Antrag zu erkennen sein muß, daß und von wem eine Erstattung verlangt wird (so schon Becker, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1930, § 127 A 2). Dies setzt die Konkretisierung des Begehrens auf Erstattung beim Lohnsteuer-Jahresausgleich insoweit voraus, als das FA bereits bei Antragstellung über die Eigenschaft des Antragstellers als Arbeitnehmer eindeutig unterrichtet wird. Dazu gehören neben den Angaben zur Person die Bezifferung des Bruttojahresarbeitslohns sowie die Angabe der einbehaltenen LSt, und zwar unabhängig davon, ob der amtliche Vordruck verwendet wird. Aus diesen Angaben ergibt sich dann, daß eine Lohnsteuererstattung möglich sein kann, wenn regelmäßig auch eine weitere Ergänzung des Antrags vor Durchführung des Jahresausgleichs noch erforderlich sein wird. Soweit in der Kommentierung des § 150 Abs. 1 AO davon ausgegangen wird, daß auf Form und Inhalt des Erstattungsantrags § 238 Abs. 1 AO sinngemäß anzuwenden sei (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 150 AO Anm. 2), vermag der Senat dieser Ansicht nur mit Einschränkungen zu folgen. Zwar ist auch die Rechtsbehelfsfrist ebenso wie die Antragsfrist für den Lohnsteuer-Jahresausgleich eine Ausschlußfrist (§ 83 Abs. 2 AO). Anders als im Rechtsbehelfsverfahren kann das FA aber beim Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht an einen ihm bereits bekannten Lebenssachverhalt anknüpfen, den es bei der Veranlagung schon unter einen Steuertatbestand subsumiert hat. Wegen dieses Unterschiedes kann ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht als rechtzeitig gestellt angesehen werden, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der Frist des § 4 Abs. 5 JAV ein Schriftstück beim FA einreicht, das nur seinen Absender und den Wunsch auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs enthält; denn das FA ist darauf angewiesen, die entscheidungserheblichen Angaben durch den Steuerpflichtigen schon bei der Antragstellung zu erfahren, soweit sie sich auf die Mindestvoraussetzungen beziehen.
Diese Beurteilung steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil vom 15. Juni 1973 VI R 400/69 (BFHE 110, 26, BStBl II 1973, 784). Die dortigen Ausführungen beziehen sich nur auf den Pfändungsgläubiger eines angeblichen Lohnsteuer-Erstattungsanspruchs, der den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs auch dann wegen der Fristwahrung wirksam stellt, wenn ihm sein böswilliger oder gleichgültiger Schuldner innerhalb der Ausschlußfrist des § 4 Abs. 5 JAV nicht die für die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs erforderlichen Angaben macht.
Fundstellen
Haufe-Index 70971 |
BStBl II 1974, 590 |
BFHE 1974, 345 |