Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinnbeteiligung und Pension für einen ausgeschiedenen Komplementär als Betriebsschuld; Wettbewerbsverbot als immaterielles Wirtschaftsgut

 

Leitsatz (NV)

Scheidet aus einer KG ein persönlich haftender Gesellschafter anläßlich des Scheiterns seiner Ehe mit der Hauptgesellschafterin aus und verpflichtet sich die KG, ihm eine gewisse Zeit seine Bezüge einschließlich der Gewinnbeteiligung sowie eine lebenslängliche Pension zu zahlen, während er sich einem Wettbewerbsverbot unterwirft, so können bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der KG die von der KG aus Anlaß des Ausscheidens eingegangenen Verbindlichkeiten zu berücksichtigen und ein immaterielles Wirtschaftsgut anzusetzen sein.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1; BewG 1965 § 95 Abs. 1, § 103 Abs. 1; HGB § 74 Abs. 2, § 140

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klin. war früher eine OHG, deren Gesellschafter A und ihre Mutter waren. 1968 entstand dadurch eine KG, daß B, der Ehemann von A, als persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft eintrat und die bisherigen Gesellschafter Kommanditisten wurden. B war bereits seit 1959 in dem Unternehmen der Klin. tätig gewesen, zuletzt als Prokurist.

Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 11. Oktober 1968 brachte B lediglich seine Arbeitskraft ein; ein Kapitalkonto sollte er nicht erhalten. Aufgrund eines Dienstvertrages vom 21. Oktober 1968 erhielt er ein monatliches Gehalt von . . . DM sowie eine zehnprozentige Gewinnbeteiligung. Für den Fall der Invalidität oder des Erreichens des 65. Lebensjahres war ihm eine Pension in Höhe von 80 v. H. seiner Bezüge zugesagt worden.

Aufgrund eines neuen Gesellschaftsvertrages vom 8. Dezember 1972 trat eine GmbH als weitere persönlich haftende Gesellschafterin in die Klin. ein. Ein Jahr später, am 18. Dezember 1972, wurde zwischen der Klin., die durch A in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der GmbH vertreten wurde, und B, der damals 39 Jahre alt war, ein Vertrag über sein Ausscheiden aus der Klin. zum 31. Dezember 1973 geschlossen. Danach erhielt B mit Rücksicht auf seine Leistungen für das Unternehmen für das Jahr 1974 noch seine vollen Bezüge einschließlich der Gewinnbeteiligung. Ab dem 1. Januar 1975 erhielt er eine lebenslängliche Pension von . . . DM monatlich, daneben für 1975 die Hälfte, für 1976 und 1977 je 1/4 der bisherigen Gewinnbeteiligung. B verpflichtete sich seinerseits, der Klin. weder mittelbar noch unmittelbar, direkt oder indirekt, gelegentlich oder gewerbsmäßig Konkurrenz zu machen oder sich als Gesellschafter an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen. Er verpflichtete sich darüber hinaus, ohne Genehmigung der Klin. keine Tätigkeit in einer . . . auszuüben.

Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1974 berücksichtigte das beklagte FA als Verbindlichkeiten u. a. die Gewinnansprüche von B für die Jahre 1974 bis 1977 mit einem abgezinsten Wert von . . . DM, ferner die kapitalisierte Pensionsverpflichtung ab 1975 in Höhe von . . . DM. Als Teil des Aktivvermögens der Klin. setzte es demgegenüber einen Geschäftswert in Höhe von . . . DM an, der durch den Austritt von B aus der Klin. realisiert worden sein sollte.

Es ergab sich danach ein EW auf den 1. Januar 1974 in Höhe von . . . DM, der nach einer Betriebsprüfung durch endgültigen Bescheid vom 25. November 1977 festgesetzt wurde.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klin. Klage erhoben und beantragt, den EW auf den 1. Januar 1974 um . . . DM zu mindern. Es sei kein Geschäftswert anzusetzen.

Während des Klageverfahrens hat das FA den EW aufgrund des § 175 Abs. 1 AO 1977 auf . . . DM erhöht. Der entsprechende Bescheid ist auf Antrag der Klin. Verfahrensgegenstand geworden.

Das FG hat den EW des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1974 antragsgemäß auf . . . DM herabgesetzt. Seiner Auffassung nach sei ein Geschäftswert oder ein anderer immaterieller Wert im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von B aus der Klin. nicht realisiert worden.

Das FA hat Revision eingelegt und sinngemäß beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen. Es rügt vor allem, daß die getroffenen Feststellungen unzureichend sind und die Schlußfolgerungen des FG nicht tragen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende Überprüfung des angefochtenen Urteils nicht aus.

1. Das FG ist ohne weitere Erläuterungen davon ausgegangen, daß die von der Klin. gegenüber B bei seinem Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter eingegangen Verpflichtungen zu Recht mit insgesamt . . . DM als Betriebsschulden vom Rohvermögen abgezogen worden sind. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen für diese Schlußfolgerung nicht aus.

Geht man davon aus, daß i. S. des § 140 HGB ein wichtiger Grund vorlag, B wegen des Scheiterns seiner Ehe mit der Hauptgesellschafterin aus der Gesellschaft auszuschließen, so ist gleichwohl nicht von vornherein zu verneinen, daß für die Zahlung einer lebenslänglichen Rente an den damals 39jährigen Ehemann der Hauptgesellschafterin auch private außerbetriebliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein können, die möglicherweise dem Abzug dieser Verbindlichkeiten als Betriebsschulden (vgl. hierzu § 103 Abs. 1 BewG) entgegenstehen. Ob private Gründe anläßlich der Scheidung der Ehe auszuschließen sind, vermag der Senat den Feststellungen des FG nicht zu entnehmen. Die in dieser Richtung geäußerte Überzeugung des FG ersetzt die fehlenden Feststellungen nicht, auf denen diese Überzeugung beruht. Nach Sachlage ist allerdings nicht auszuschließen, daß die Rente zumindest überwiegend betrieblich veranlaßt ist. Hierfür könnte das von B eingegangene Wettbewerbsverbot sprechen. Insoweit handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht um eine zu vernachlässigende Nebenbestimmung der getroffenen Abmachungen. Wer im Alter von 39 Jahren eine derartige Beschränkung auf sich nimmt, die ihn weitgehend an der Ausübung seines Berufes hindert, wird dies regelmäßig nicht ohne angemessene Gegenleistung tun (vgl. in diesem Zusammenhang z. B. § 74 Abs. 2 HGB hinsichtlich der Handlungsgehilfen). Inwieweit die Rente Gegenleistung für das Eingehen des Wettbewerbsverbotes war, unterliegt tatrichterlicher Würdigung.

2. Eine betriebliche Veranlassung für die eingegangenen Verbindlichkeiten der Klin. dürfte insoweit zu bejahen sein, als B nach seinem Ausscheiden noch an dem Gewinn der Klin. für einige Jahre beteiligt wurde und für 1974 noch sein volles Gehalt erhielt. Für die betriebliche Veranlassung spricht, daß eine Kündigung des Vertrages, soweit kein wichtiger Grund vorlag, nicht vor 1990 möglich gewesen wäre. Ein vorzeitiges Ausscheiden aus wichtigem Grund, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 HGB, wird zur Vermeidung eines langwierigen Prozesses regelmäßig einen Kompromiß erfordern, der die Gesellschaft zu Leistungen an den vorzeitig ausscheidenden Gesellschafter zwingen wird.

Wenngleich zu verneinen sein dürfte, daß der ausscheidende Gesellschafter während der Dauer der Gewinnbeteiligung nach seinem Ausscheiden gleichwohl noch als Mitunternehmer oder etwa als stiller Gesellschafter zu behandeln ist (vgl. Urteil des BFH vom 22. Januar 1985 VIII R 303/81, BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 365), kommt nach Auffassung des erkennenden Senats kein einseitiger Abzug der Gewinnbeteiligungslast in Betracht. Es ist in diesem Fall vielmehr in gleicher Höhe ein aktiver Gegenposten anzusetzen.

Dem steht nicht entgegen, daß beim Ausscheiden eines Gesellschafters, der über kein Kapitalkonto verfügte und der nach der Auffassung der Klin. auch nicht an den stillen Reserven beteiligt war, die Verwirklichung eines allgemeinen Geschäftswertes nicht in Betracht kommen dürfte. Denn der Ansatz eines aktiven Gegenpostens ergibt sich aus den Grundsätzen, wie sie der IV. Senat des BFH in seinem Urteil vom 10. August 1978 IV R 54/74 (BFHE 126, 185, 190, BStBl II 1978, 74) entwickelt hat. Der IV. Senat hat dort ausgeführt, der damalige Kl. habe durch das vorzeitige Ausscheiden des stillen Gesellschafters einen aktivierungspflichtigen Vorteil (Befreiung von einer befristeten Verpflichtung zur Abführung von Teilen des laufenden Gewinnes an den bisherigen stillen Gesellschafter) erlangt, der mit den Anschaffungskosten zu aktivieren sei. Dem folgt der erkennende Senat auch für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens. Der durch das vorzeitige Ausscheiden erlangte Vorteil ist Teil des Betriebsvermögens i. S. des § 95 Abs. 1 BewG.

Dies alles muß auch dann gelten, wenn für das vorzeitige Ausscheiden keine einmalige Abfindung, sondern eine vorübergehende weitere Gewinnbeteiligung vereinbart worden ist.

Der entsprechende Aktivposten ist in Höhe der Anschaffungskosten, d. h. in Höhe des Wertes der abgezogenen Gewinnbeteiligungslast anzusetzen. Über die Verminderung dieses Postens zu späteren Bewertungsstichtagen kann der Senat in diesem Rechtsstreit nicht befinden.

3. Ein sogenanntes immaterielles Wirtschaftsgut dürfte nach Sachlage auch insoweit zum Ansatz kommen, als sich B gegenüber der Klin. einem Wettbewerbsverbot unterworfen hat und die hierfür gezahlte Gegenleistung in der vereinbarten Rente besteht. Ein der Klin. zugute kommendes Wettbewerbsverbot ist nach Bilanzsteuerrecht zu aktivieren (vgl. das Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 21/75, BFHE 127, 180, BStBl II 1979, 369). Für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gilt nichts anderes (vgl. Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 95 Tz. 26).

4. Das angefochtene Urteil, das die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber B in vollem Umfang für abzugsfähig hält und den Ansatz eines Geschäftswertes oder eines ähnlichen immateriellen Wirtschaftsguts verneint, unterliegt nach allem der Aufhebung. Obwohl der Senat der Auffassung ist, daß sich gegenüber dem zuletzt erlassenen Feststellungsbescheid des FA über einen EW von . . . DM in jedem Falle ein EW in Höhe von . . . DM ergeben wird, sieht er sich nicht in der Lage, durchzuerkennen. Denn es muß Klarheit über die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens geschaffen werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juni 1984 III R 131/80, BFHE 142, 70, 72, BStBl II 1985, 816). Die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens getroffene Entscheidung darüber, ob eine Verbindlichkeit Betriebsschuld oder Privatschuld ist, ist sowohl für die VSt-Veranlagung als auch für die Festsetzung der Gewerbekapitalsteuer bindend (vgl. zu letzterem das Urteil vom 5. November 1964 IV 104/64 U, BFHE 81, 267, BStBl III 1965, 97). Unter diesen Umständen darf im vorliegenden Fall nicht offenbleiben, ob bzw. inwieweit die von der Klin. gegenüber B eingegangenen Verbindlichkeiten etwa Privatschulden sind, die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht abgezogen werden dürfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413978

BFH/NV 1986, 13

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