Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ist die Umsatzgrenze von 40.000 DM (ß 1 Ziff. 3 VOL) in dem Wirtschaftsjahr, für das der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft zu ermitteln ist, nicht überschritten, so ist der Gewinn auch dann nach den Vorschriften der VOL zu ermitteln, wenn die Umsatzgrenze in dem vorangegangenen Kalenderjahr überschritten war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 11/64 S vom 5. November 1964, BStBl 1964 III S. 602).
EStG 1957 § 13, § 29; VOL § 1 Ziff. 3; Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen
Normenkette
EStG §§ 13, 29; VOL § 1 Ziff. 3
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1957, von welchem Zeitpunkt an der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, der bisher nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) vom 2. Juni 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - 1949 S. 95) ermittelt wurde, wegen überschreitung der Umsatzgrenze von 40.000 DM (ß 1 Ziff. 3 VOL) geschätzt werden muß.
Der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) war nichtbuchführender Landwirt. Das Finanzamt behandelte den Bf. für die Zeit bis 30. Juni 1957 als VOL-Landwirt. Für die Ermittlung des Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1957/58 lehnte das Finanzamt die Anwendung der VOL ab, da der Umsatz im Kalenderjahr 1955 42.000 DM betragen habe.
Das Finanzamt ermittelte den Gewinn für das Kalenderjahr 1957 in der Weise, daß es den Hälftebetrag des sich nach der VOL ergebenden Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1956/57 von 6.684 DM und den Hälftebetrag des in Anlehnung an die Schätzung des Betriebsprüfers für 1952/53 geschätzten Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1957/58 von 10.500 DM zusammenrechnete.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, daß der Umsatz des Kalenderjahrs 1955 richtig ermittelt worden sei. Die Voraussetzungen für die Anwendung der VOL wegen überschreitens der Umsatzgrenze von 40.000 DM im Kalenderjahr 1955 hätten zwar schon vom 1. Juli 1956 an nicht mehr vorgelegen. Es beanstandete jedoch nicht, daß das Finanzamt die VOL erst vom 1. Juli 1957 an nicht mehr angewendet habe, da der Betriebsprüfungsbericht, in dem die Umsätze für 1955 und 1956 errechnet worden seien, an den Bf. am 27. September 1956 und der Umsatzsteuerbescheid 1955 am 3. Mai 1957 an den Bf. abgegangen seien. Beide Mitteilungen lägen somit nach dem Beginn des Wirtschaftsjahrs 1956/57, so daß der Bf. sich nicht mehr rechtzeitig auf die veränderte Rechtslage habe einstellen können. Der Gewinn 1957/58 sei mit 10.500 DM auch der Höhe nach richtig ermittelt worden.
Mit der Rb. macht der Bf. unrichtige Rechtsanwendung geltend.
Auf Ersuchen des Senats ist der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren nach § 287 Ziff. 2 AO beigetreten. Der Senat gab außerdem dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Zentralausschuß der deutschen Landwirtschaft Gelegenheit zur äußerung. Die Stellungnahmen, die vor allem die eingangs bezeichnete Grundsatzfrage betrafen, sind in der Entscheidung des erkennenden Senats IV 11/64 S vom 5. November 1964 (BStBl 1964 III S. 602, Slg. Bd. 80 S. 356) im wesentlichen wiedergegeben. Darauf wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
Der erkennende Senat entschied in dem Grundsatzurteil IV 11/64 S, daß der tatsächlich erzielte Gewinn des Wirtschaftsjahrs der Besteuerung zugrunde zu legen ist, wenn der Umsatz eines Landwirts, dessen Gewinn bisher nach der VOL ermittelt wurde, in diesem Wirtschaftsjahr die in § 1 Ziff. 3 VOL bezeichnete Umsatzgrenze überstieg. Abweichend hiervon ordnete der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen in Ziff. 1 des Erlasses vom 4. Februar 1965 (BStBl 1965 II S. 36) an, daß für die Ermittlung des Gewinns der Wirtschaftsjahre bis zum 30. Juni 1965 entsprechend der bisherigen Verwaltungsübung (vgl. EStR Abschn. 127 Abs. 1) der Umsatz des Kalenderjahres maßgebend bleibt, das dem Beginn des Wirtschaftsjahres vorausging, vorausgesetzt, daß dies für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Diese Verwaltungsanordnung stellt eine die Steuergerichte bindende übergangsregelung dar (vgl. das Urteil IV 301/62 U vom 1. April 1965, BStBl 1965 III S. 432). Sie ist dahin auszulegen, daß stets dann, wenn die Grundsätze der Entscheidung IV 11/64 S im Einzelfall zu einer für den Steuerpflichtigen günstigeren Besteuerung führen, diese Grundsätze maßgebend bleiben. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Umsatzgrenze in dem Wirtschaftsjahr, für das der Gewinn zu ermitteln ist, nicht überschritten wurde, obgleich eine solche überschreitung in dem vorausgegangenen Kalenderjahr vorlag.
Darauf, wann der Steuerpflichtige von der Höhe des der Besteuerung zugrunde gelegten Umsatzes Kenntnis erhielt, kommt es nicht an. Entscheidend ist die objektive überschreitung der Umsatzgrenze von 40.000 DM, auch wenn sie erst nachträglich festgestellt wurde (vgl. Entscheidung IV 11/64 S).
Der Gewinn für das Kalenderjahr 1957 setzt sich aus je der Hälfte der Gewinne der Wirtschaftsjahre 1956/57 und 1957/58 zusammen. Ob die Gewinne dieser beiden Wirtschaftsjahre nach der VOL oder durch Schätzung zu ermitteln sind, hängt davon ab, ob in den jeweils vorausgegangenen Kalenderjahren und in den Wirtschaftsjahren, für die der Gewinn zu ermitteln ist, die Umsatzgrenze von 40.000 DM überschritten wurde. Für den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1956/57 sind deshalb der Umsatz des Kalenderjahres 1955, für den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1957/58 der Umsatz des Kalenderjahres 1956 maßgebend.
Die Vorentscheidungen sind aufzuheben, da die Vorinstanzen von anderen Rechtsgrundsätzen ausgingen. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.
Das Finanzamt hat nunmehr festzustellen, ob die Umsatzgrenze in den Kalenderjahren 1955 und 1956 und in den Wirtschaftsjahren 1956/57 und 1957/58 überschritten war.
Falls der Umsatz in einem Kalenderjahr und in dem folgenden Wirtschaftsjahr 40.000 DM übersteigt, ist für dieses Wirtschaftsjahr der tatsächlich erzielte Gewinn und nicht der sich nach der VOL ergebende Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. Auf die Möglichkeit, daß der Bf. hierbei schlechtergestellt wird als in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid, hat der Senat den Bf. hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411689 |
BStBl III 1965, 481 |
BFHE 1965, 649 |
BFHE 82, 649 |