Entscheidungsstichwort (Thema)
Handwerker im Beitrittsgebiet sind vom 1. Juli 1990 an gewerbesteuerpflichtig; Ehegatten-Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet sind im 2. Halbjahr 1990 steuerrechtlich anzuerkennen
Leitsatz (NV)
1. Von Handwerksbetrieben im Beitrittsgebiet ist ab 1. Juli 1990 Gewerbesteuer nach Maßgabe des GewStG DDR zu erheben.
2. Arbeitsverhältnisse, die Eheleute im Beitrittsgebiet begründet haben, sind im 2. Halbjahr 1990 steuerrechtlich nach denselben Grundsätzen anzuerkennen wie im übrigen Bundesgebiet.
Normenkette
EStG § 58 Abs. 2 S. 2, § 15 Nr. 2; GewStG 1936 § 8 Nr. 5; GewStG DDR § 2 Abs. 1; GewStG DDR § 7 Abs. 1; GewStG DDR § 8 Nr. 5; GewStG DDR § 22 Abs. 1; StÄndG DDR § 1 Nr. 1, § 3 Abs. 2; StAnpG DDR § 20 Abs. 3; HdwStG vom 16. März 1966 § 1 Abs. 1; DB-HdwStG DDR § 25 Abs. 1, § 27; Besteuerungsrichtlinie DDR § 7; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1; Einigungsvertrag Art. 8 i. V m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt im Beitrittsgebiet eine Tischlerei. In der Jahreserklärung für Steuern der Handwerker im Beitrittsgebiet für den Besteuerungszeitraum 1990 erklärte er für das 2. Halbjahr 1990 einen Gewinn in Höhe von 36 840 DM. Diesen minderte er in der Berechnung der Einkommensteuer des Inhabers um eine nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer vom 6. März 1990 (Gesetzblatt -- GBl -- I 1990, 136) -- StÄndG DDR -- gebildete Akkumulationsrücklage von anteilig 7 368 DM sowie eine auf seine im Betrieb mitarbeitende Ehefrau entfallende Tätigkeitsvergütung als sog. Gewinnanteil des mitarbeitenden Ehegatten von 3 600 DM. Bei der Berechnung der Gewerbesteuer setzte er keinen Gewinn an, da er der Auffassung war, nicht gewerbesteuerpflichtig zu sein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) folgte dem nicht, errechnete den Gewerbeertrag nach dem Gewinn von 36 840 DM und setzte mit Bescheid vom 14. Oktober 1992 die zusammengefaßte Steuerrate für das Jahr 1990 abweichend von der Steuererklärung auf 28 248,04 M/DM fest.
Die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 683 wiedergegebenen Gründen ab. Es ging davon aus, daß Handwerker in der ehemaligen DDR bis zum 30. Juni 1990 nicht der Gewerbesteuer unterlegen hätten. Das Gesetz der DDR über die Besteuerung der Handwerker vom 16. März 1966 -- HdwStG DDR -- (GBl-Sonderdruck Nr. 537) habe als spezielle Regelung die Anwendung des Gewerbesteuergesetzes der DDR (GewStG DDR) i. d. F. vom 18. September 1970 (GBl-Sonderdruck Nr. 672) ausgeschlossen. Mit Aufhebung des Gesetzes über die Besteuerung der Handwerker zum 1. Juli 1990 durch das Gesetz der DDR zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundes republik Deutschland -- Steueranpassungsgesetz -- (StAnpG DDR) vom 22. Juni 1990 (GBl-Sonderdruck Nr. 1427) sei das Gewerbesteuergesetz und mit ihm die Gewerbesteuerpflicht der Handwerker jedoch wieder uneingeschränkt an dessen Stelle getreten.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Auffassung, Handwerksbetriebe seien in der DDR nicht als Gewerbebetriebe i. S. des Gewerbesteuergesetzes anzusehen gewesen. Folglich habe auch die ersatzlose Aufhebung des Gesetzes über die Besteuerung der Handwerker deren Gewerbebesteuerung im 2. Halbjahr 1990 nicht nach sich ziehen können.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Zu Recht hat das FG zwar die Gewerbesteuerpflicht des Klägers bejaht. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft den Gewerbeertrag nicht um die Akkumulationsrücklage gemindert.
I. Art. 8 des Einigungsvertrages i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 14 Abs. 1 bestimmt, daß das Recht der Besitz- und Verkehrsteuern der ehemaligen DDR und damit auch das Gewerbesteuergesetz der DDR auf den Veranlagungszeitraum 1990 weiter anzuwenden ist. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift im Einigungsvertrag trat das Recht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) u. a. auf dem Gebiet des Rechts der Besitz-und Verkehrsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer (erst) am 1. Januar 1991 in Kraft. Für die Steuern, die vor dem 1. Januar 1991 entstanden, war nach Satz 2 der Regelung das bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet geltende Recht weiter anzuwenden. Diese bundesgesetzliche Anordnung der (befristeten) Weiteranwendung des Steuerrechts der DDR, die sich auch auf die Gewerbesteuer erstreckt, ist als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. B I. 1. des Senatsurteils vom 15. März 1994 XI R 10/93, BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813 m. w. N.).
Das danach im Streitfall maßgebliche Steuerrecht der DDR ist revisibles Recht i. S. des § 118 Abs. 1 FGO, das vom erkennenden Senat überprüft werden kann. Es handelt sich um partielles (partikulares) Bundesrecht. Die (befristete) Weiteranwendung des Steuerrechts der DDR beruht auf einer Anordnung des Gesetzgebers des Bundes. Die entsprechenden Regelungen der DDR sind ihm daher zuzurechnen. Sie sind revisionsrechtlich nicht -- wie vor dem Beitritt -- analog ausländischem Recht zu behandeln, sondern wie partielles Bundesrecht. Als solche sind die Regelungen auf Inhalt und Anwendbarkeit und auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG) inhaltlich zu überprüfen, unabhängig davon, ob der Besteuerungstatbestand vor oder nach dem Beitritt erfüllt worden ist. Der erkennende Senat verweist auch insoweit auf sein Urteil in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813 m. w. N.
II. Nach § 2 Abs. 1 GewStG DDR unterliegt der vom Kläger unterhaltene Handwerksbetrieb im 2. Halbjahr des Jahres 1990 der Gewerbesteuer.
1. Das Gewerbesteuergesetz der DDR war auf private Handwerksbetriebe im Beitrittsgebiet im 2. Halbjahr 1990 anwendbar. Zwar unterfielen "individuell arbeitende Handwerker" nach § 1 Abs. 1 HdwStG DDR mit ihren Erträgen aus handwerklicher Tätigkeit allein der Handwerksteuer. Diese setzte sich zusammen aus der Gewinnsteuer, der Umsatzsteuer und der Lohnsummensteuer (§ 3 Abs. 1 Satz 1 HdwStG DDR). Gewerbesteuer nach dem -- ansonsten unverändert fortgeltenden -- Gewerbesteuergesetz der DDR wurde daneben nicht erhoben. Die Handwerksteuer stellte vielmehr eine Steuer eigener Art dar, die der Gewerbesteuer sondergesetzlich vorging. Das Gesetz der DDR über die Besteuerung der Handwerker ist jedoch (ebenso wie die hierzu ergangene Durchführungsbestimmung) mit Wirkung vom 1. Juli 1990 durch das Gesetz der DDR zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft gesetzt worden (vgl. § 20 Abs. 3, 14. und 15. Spiegelstrich StAnpG DDR). Damit traten das Gewerbesteuergesetz und mit ihm die Gewerbesteuerpflicht der Handwerker wieder unein geschränkt an dessen Stelle (zur bloßen Suspension des ansonsten fortgeltenden und nicht endgültig aufgehobenen Gesetzes siehe allgemein Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., § 27 I; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I Allgemeiner Teil, S. 150 f.). Die bislang gebotene (und auch im Steueränderungsgesetz der DDR vom 6. März 1990 noch enthaltene) Differenzierung zwischen Handwerks- und Gewerbebetrieben wurde hinfällig. Daß das Gewerbesteuergesetz der DDR nach Fußnote 1 zu § 2 GewStG DDR u. a. auf "private Handwerker" keine Anwendung findet, steht dem nicht entgegen. Soweit dies geltend gemacht wird, wird verkannt, daß die Anmerkung in der Fußnote lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage nach dem -- aufgehobenen -- Gesetz über die Besteuerung der Handwerker beinhalten kann. Weitergehende konstitutive Wirkung kommt dem nicht zu. Die seit dem 1. Juli 1990 bestehende Gewerbesteuerpflicht der Handwerksbetriebe scheitert schließlich nicht an einem überkommenen Begriffsverständnis im Steuerrecht der DDR, wonach Handwerksbetriebe nicht als Gewerbebetriebe i. S. des Gewerbesteuergesetzes der DDR zu verstehen wären. Sollte solch ein Begriffsverständnis tatsächlich bestanden haben, so hätte dies seine Begründung in der besonderen, für Handwerker geltenden Gesetzeslage gehabt. Mit Aufhebung des Gesetzes über die Besteuerung der Handwerker käme dem keine Bedeutung mehr zu (ebenso FG Leipzig, Urteil vom 15. Juni 1993 1 K 46/92, EFG 1993, 576 unter 2. der Entscheidungsgründe; s. auch Tz. I.4. der Arbeitshinweise des Ministeriums der Finanzen der DDR für die Finanzämter zur Änderung steuerlicher Rechtsvorschriften ab 1. Juli 1990, BStBl I 1990, 333).
2. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FA die Gewerbesteuer vom 1. Juli 1990 an erhoben hat. Allerdings ist in § 22 Abs. 1 GewStG DDR bestimmt, daß die Steuer, wenn ein Gewerbebetrieb im Laufe des Erhebungszeitraums neu gegründet wird oder wenn ein bereits bestehender Gewerbebetrieb infolge Wegfalls des Befreiungsgrundes in die Steuerpflicht eintritt, erst vom Beginn des Monats ab zu erheben ist, der auf den Eintritt in die Steuerpflicht folgt. Da bereits bestehende Handwerksbetriebe in der ehemaligen DDR nach der durch § 20 Abs. 3 14. Spiegelstrich StAnpG DDR erfolgten Aufhebung des Gesetzes über die Besteuerung der Handwerker mit Wirkung vom 1. Juli 1990 in die Gewerbesteuerpflicht eintraten, könnte sich hieraus ergeben, daß die Gewerbesteuer vom Beginn des folgenden Monats, also vom 1. August 1990 an, zu erheben wäre (so FG Leipzig, Urteil vom 15. Juli 1993 2 K 12/93, EFG 1993, 808; M. Schulz, DDR spezial 7/92 vom 14. Februar 1992, 2, 5; anders demgegenüber die Finanzverwaltung mit der Erwägung, daß der Beginn der Steuerpflicht hier mit dem Beginn des Monats Juli 1990 zusammenfalle und Gewerbesteuer für volle Monate zu entrichten sei, vgl. Ober finanzdirektion -- OFD -- Magdeburg, Verfügung vom 13. April 1993 G 1351-10-St 233, Steuererlasse in Karteiform -- StEK --, Gewerbesteuergesetz, Vor § 1 Nr. 14, dort unter 2. b). Der Senat versteht § 20 Abs. 3 StAnpG DDR jedoch als konstitutive Vorschrift, durch die die DDR ihren in dem Vertrag über die Eingehung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der Bundesrepublik eingegangenen Verpflichtungen (vgl. Art. 31 Abs. 1 des Vertrages über die Währungsunion i. V. m. III. Nr. 4 der Anlage IV) entsprach und bislang in der DDR geltende steuerliche Vorschriften änderte oder ergänzte. Dies sollte mit Wirkung vom 1. Juli 1990 an geschehen, ohne daß -- nach Aufhebung des Gesetzes der DDR über die Besteuerung der Handwerker -- Besteuerungslücken entstanden. § 20 Abs. 3 StAnpG DDR stellt sich somit im Verhältnis zu § 22 Abs. 1 GewStG DDR als Sondervorschrift dar, die den sich nach allgemeinem Gewerbesteuerrecht ergebenden Erhebungsbeginn vorverlegt (vgl. ebenso Senatsurteil in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, zum Eintritt von Einzelhändlern in der Gewerbesteuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz der DDR).
III. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages hat das FG den von dem Kläger erwirtschafteten Gewinn für das 2. Halbjahr 1990 nicht um die nach § 3 Abs. 2 StÄndG DDR gebildete Akkumulationsrücklage, soweit sie auf diesen Zeitraum anteilig entfällt, gekürzt. Wie sich aus dem Urteil des Senats in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813 (unter B III. der Entscheidungsgründe) ergibt, ist der Gewinn aus Gewerbebetrieb und damit auch der Gewerbeertrag (§ 7 GewStG DDR) um die Akkumulationsrücklage zu mindern. Auf das vorgenannte Urteil wird Bezug genommen.
IV. Die Streitsache ist zurückzuverweisen, weil der Senat auf Grund der Feststellungen des FG den Gewerbeertrag nicht selbst berechnen kann.
1. Das FG hat keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob (und ggf. seit wann und zu welchen Bedingungen) zwischen den Eheleuten ein Arbeitsverhältnis bestand. Sollte ein Arbeitsverhältnis bestanden haben, ist -- bei Vorliegen der besonderen Anforderungen, die an die steuerrechtliche Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses zu stellen sind -- nicht auszuschließen, daß auch die an die Ehefrau geleistete Arbeitsvergütung den Gewinn aus Gewerbebetrieb als Betriebsausgabe mindert. Anders verhielte es sich lediglich dann, wenn die Eheleute eine Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes der DDR (EStG DDR) gebildet hätten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Oktober 1980 IV R 42/79, BFHE 131, 497, BStBl II 1981, 63 zur güterrechtlichen Errungenschaftsgemeinschaft nach §§ 1519 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB -- a. F.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 15 Anm. 63 c m. w. N. zu den entsprechenden steuerlichen Grundsätzen bei der Gütergemeinschaft in Anm. 63 b; ferner Stuhrmann, DDR spezial 50/91 vom 13. Dezember 1991, 1, 2; ders., Neue Wirtschafts-Briefe -- NWB -- Fach 3, Seite 8473; Broudré, Der Betrieb -- DB -- 1992, 447; Hahn, Deutsche Steuer-Zeitung -- DStZ -- 1992, 362, 370; Freyberg, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1992, 1054; ders., Die Steuerberatung -- Stbg -- 1992, 129; Oppermann, DDR spezial 27/92 vom 3. Juli 1992, 1 ff.; s. auch M. Schulz, DDR spezial 21/92 vom 22. Mai 1992, 1 ff.; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 17. Juni 1991 IV B 2-S 1901-96/91, BStBl I 1991, 598, dort unter 7.3; vom 15. September 1992 IV B 2-S 1901-170/92, BStBl I 1992, 542).§
7 der Anordnung der DDR über die Besteuerung der Gewerbetreibenden, selbständig tätigen und anderen steuerpflichtigen Bürgern (Besteuerungsrichtlinie DDR) vom 24. August 1979 (GBl-Sonderdruck Nr. 1016 i. V. m. §§ 5 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 3 EStG DDR i. d. F. des Steueranpassungsgesetzes der DDR sowie § 7 GewStG DDR) bestimmte zwar, daß Arbeitsverträge zwischen Ehegatten nicht anerkannt werden. Auch diese Regelung bestand im Jahre 1990 als partikulares Bundesrecht fort (siehe unter I.). Sie genügt aber nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290, BStBl I 1962, 492 zu § 8 Nr. 5 GewStG a. F.), an denen auch solches Recht der ehemaligen DDR im 2. Halbjahr 1990 zu messen ist (s. auch BFH-Urteil vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630 zum Grunderwerbsteuergesetz der DDR; Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 14. Oktober 1992 VIII ZR 91/91 (KG), Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1993, 259). Die Regelung ist insoweit unwirksam. Einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht. Die Vorlagepflicht zur Einholung einer Entscheidung des BVerfG besteht nur dann, wenn es sich bei der zur Nachprüfung gestellten entscheidungserheblichen Norm um ein formelles Gesetz handelt (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z. B. Beschlüsse vom 27. Juli 1971 2 BvL 9/70, BVerfGE 31, 357, 362 ff.; vom 1. März 1978 1 BvL 20/77, BVerfGE 48, 40, 44 ff.; vom 12. Juni 1979 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, 1). Die Besteuerungsrichtlinie ist aber kein Gesetz, sondern lediglich eine aufgrund des § 12 Abs. 1 der Abgabenordnung der DDR (AO DDR) i. d. F. vom 18. September 1970 (GBl-Sonderdruck Nr. 681) ergangene, vom Minister der Finanzen erlassene Durchführungsbestimmung. Daß diese Bestimmung ausnahmsweise gesetzesgleichen Charakter erlangt hätte, ist nicht ersichtlich.
Die an den Ehegatten geleistete Arbeitsvergütung wäre dem Gewinn aus Gewerbe betrieb bei der Ermittlung des Gewerbe ertrages auch nicht nach § 8 Nr. 5 GewStG DDR hinzuzurechnen. Diese Vorschrift, die für die Zeit der Fortgeltung des Gewerbesteuergesetzes der DDR im 2. Halbjahr 1990 den Voraussetzungen des Grundgesetzes entsprechen muß, ist wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG verfassungswidrig; insoweit gilt das Urteil in BVerfGE 13, 290, BStBl I 1962, 492, durch welches das BVerfG § 8 Nr. 5 GewStG vom 1. Dezember 1936 (RGBl I 1936, 979) i. d. F. vom 21. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 473) für nichtig erklärt hat. Der erneuten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht. Bei § 8 Nr. 5 GewStG DDR handelt es sich nicht um eine bloße Parallelvorschrift (vgl. dazu z. B. Rennert in Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 31 Rdnr. 66: Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl., § 20 V Rdnr. 85) zu § 8 Nr. 5 GewStG a. F., sondern um dieselbe Rechtsvorschrift des Gewerbesteuergesetzes vom 1. Dezember 1936, die von den jeweiligen Gesetzgebern lediglich neu bekanntgemacht worden ist (vgl. einerseits Gewerbesteuergesetz i. d. F. vom 21. Dezember 1954, andererseits Gewerbesteuergesetz der DDR nach Maßgabe des Beschlusses des Ministerrats der DDR über die Bekanntmachung der Neufassung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Steuern und Abgaben vom 18. September 1970, GBl-Sonderdruck Nr. 672 i. V. m. dem Beschluß der Volkskammer der DDR zur Neufassung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Steuern und Abgaben vom 16. September 1970, GBl I 1970, 361). § 8 Nr. 5 GewStG DDR wird deshalb zu Recht von der Finanzverwaltung nicht angewandt (Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom 9. September 1991, BStBl I 1991, 896).
2. Das FG wird im zweiten Rechtsgang insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft (§ 15 Nr. 2 EStG DDR) zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau vor dem 3. Oktober 1990 gegeben waren und -- ggf. -- ob diese Mitunternehmerschaft zum 2. Oktober 1990 be endet worden ist. Es wird darüber hinaus festzustellen haben, ob die besonderen Anforderungen, die an die steuerliche Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses zu stellen sind, erfüllt waren.
Fundstellen
Haufe-Index 420256 |
BFH/NV 1995, 393 |