Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Anordnungen in Abschnitt 6 KStR 1955 entbehren insoweit der Rechtsgrundlage, als sie bei der Gewinnermittlung der Kurverwaltungen der Gemeinden die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben nur zum Teil ansetzen und die Kurförderungsabgabe als steuerfrei behandeln.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 6; KStR Abschn. 6; AO § 131
Tatbestand
Streitig ist die Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens der Kurverwaltung der Gemeinde X. für 1957.
Die Kurverwaltung hatte im Streitjahr 1957 unter anderem Einnahmen aus Kurtaxen, aus Fremdenverkehrsbeiträgen (Kurförderungsabgaben) und aus der Vermietung von Strandkörben. Die Fremdenverkehrsbeiträge wurden auf Grund einer Satzung der Gemeinde zur Deckung der besonderen Kosten der Werbung für den Kur- und Fremdenbetrieb von Einwohnern und juristischen Personen erhoben, die aus dem Kurbetrieb der Gemeinde Vorteile zogen. Diese Beiträge mußten nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Landesgesetzes zur änderung des preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 16. Februar 1953 (GVBl für Schleswig- Holstein, A Nr. 4/53 S. 9) nach den Vorteilen bemessen werden.
Die Kurverwaltung ermittelte ihren Gewinn nach Abschnitt 6 KStR 1955 unter anderem in der Weise, daß sie die Kurtaxe nur zu 50 v. H. als Einnahme behandelte und den Fremdenverkehrsbeitrag außer Ansatz ließ.
Das Finanzamt beanstandete bei der Gewinnermittlung die Verteilung der Ausgaben auf den See- und Badebetrieb und die Strandkorbvermietung insoweit, als die Kurverwaltung 1/3 ihrer Aufwendungen für Veranstaltungen, für Unterhaltung der Gäste und für Reklame- und Werbekosten der Strandkorbvermietung zurechnete und damit diesen Teil der Ausgaben nicht um 50 v. H. kürzte. Das Finanzamt war der Auffassung, daß diese Aufwendungen ausschließlich mit dem See- und Badebetrieb und deshalb mit den Einnahmen aus der Kurtaxe in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Sie dürften deshalb bei Anwendung des Abschnitts 6 KStR 1955 bei der Gewinnermittlung nur mit 50 v. H. berücksichtigt werden. Dadurch ergebe sich statt eines Verlustes ein steuerpflichtiger Gewinn.
Der Einspruch der Kurverwaltung blieb erfolglos. Ihre Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Es handle sich bei den Bestimmungen des Abschnitts 6 KStR 1955 um eine typische Billigkeitsmaßnahme, die von den Steuergerichten zu beachten und auszulegen sei, weil ähnliche Bestimmungen bereits in den ergänzenden Anweisungen zu den KStR 1946 enthalten seien. Ein Teil der Kosten der Werbung entfalle auf die Vermietung von Strandkörben, da die Prospekte der Kurverwaltung auch Aufnahmen des mit Strandkörben besetzten Strandes und Angaben über die Mieten für Strandkörbe enthielten. Gegen die Schätzung der Kurverwaltung, die ein Drittel dieser Ausgaben der Strandkorbvermietung zurechne, sei nichts einzuwenden.
Nach Einlegung der Rb. durch den Vorsteher des Finanzamts, der die Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung erstrebt, trat der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren bei und nahm zu der Frage der Wirksamkeit des Abschnitts 6 KStR 1955 im wesentlichen wie folgt Stellung. Nach Erlaß des Urteils des Reichsfinanzhofs I 298/39 vom 2. Juli 1940 (RStBl 1940 S. 797) habe der Erlaß des Reichsministers der Finanzen S 2560 - 61 III vom 16. März 1942 in Ziffer 6 angeordnet, daß nur 50 v. H. der Einnahmen aus der Kurtaxe nach Abzug der darauf entfallenden Ausgaben als steuerpflichtig behandelt werden sollten. Die durch diese Anordnung auftretenden Zweifelsfragen habe dann der Erlaß des Reichsministers der Finanzen S 2505 - 10 III vom 1. Dezember 1942 geklärt. Die bezeichneten Anweisungen seien auch nach dem Kriege angewendet und unter Ziffer 8 Abs. 3 in die ergänzende Anweisung der Finanzleitstelle für die britische Zone zu den KStR 1946 vom 6. Januar 1948 (Steuer- und Zollblatt 1948 S. 40) und unter Abschnitt 13 in die KStR II/1948 und 1949 (Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen 1949/1950 S. 549) aufgenommen worden. Betrachte man die historische Entwicklung, so handle es sich bei diesen Bestimmungen um Steuermilderungen für die Kurverwaltungen der Gemeinden, die die ungünstigen Folgen des Urteils des Reichsfinanzhofs I 298/39 teilweise hätten aufheben sollen. Der Charakter als Billigkeitsmaßnahme ergebe sich auch aus der Fassung des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 16. März 1942. Als Rechtsgrundlage für diese Steuermilderung sei § 13 AO alter Fassung anzusehen. Für die Annahme, daß der Reichsminister der Finanzen die ihm in § 13 AO alter Fassung eingeräumten Befugnisse überschritten habe, bestünde kein Anhalt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat kann sich der Auffassung des Bundesministers der Finanzen, daß der Reichsminister der Finanzen in damals wirksamer Weise eine zu einer Rechtsnorm gewordene Billigkeitsmaßnahme auf Grund des § 13 AO alter Fassung getroffen habe, schon deshalb nicht anschließen, weil auf die Veröffentlichung solcher Maßnahmen auch zur Zeit des totalitären Staates nicht verzichtet werden konnte, wenn sie als Rechtsnormen angesehen werden sollten. Die Erlasse wurden aber nicht einmal im Reichssteuerblatt abgedruckt (Urteil des Bundesfinanzhofs I 98/54 U vom 23. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 323, Slg. Bd. 65 S. 232). Es kann sich also nur fragen, ob die vor Erlaß des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ergangene ergänzende Anweisung der Finanzleitstelle vom 6. Januar 1948 eine auf Grund des § 13 AO alter Fassung erlassene Anordnung darstellt und ob bei Bejahung dieser Frage die Finanzleitstelle zu dieser Zeit zu einer solchen Anordnung befugt war.
Zunächst geht der Senat davon aus, daß die Anweisung der Finanzleitstelle keine die Steuergerichte bindende Anordnung der britischen Militärregierung war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 44/50 U vom 23. Oktober 1951, BStBl 1951 III S. 226, Slg. Bd. 55 S. 557). Selbst wenn man annehmen wollte, daß die Finanzleitstelle von der zur Zeit der Erteilung ihrer Anweisung noch bestehenden Vorschrift des § 13 AO alter Fassung Gebrauch machen und nicht nur ohne nähere Prüfung der Rechtslage eine Billigkeitsanordnung des Reichsministers der Finanzen übernehmen wollte, so war sie zu einer solchen Anordnung nicht berechtigt. Der Senat ist zur Prüfung verpflichtet, ob ausreichende Billigkeitsgründe im Sinne des § 131 AO oder § 13 AO alter Fassung vorlagen. Das war nicht der Fall. Auf Grund des Urteils des Reichsfinanzhofs I 298/39 bestand kein Zweifel, daß die Kurverwaltungen der Gemeinden einen Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG darstellten. Es ist nicht erkennbar, welche berechtigten Billigkeitserwägungen im Sinne der bezeichneten Vorschriften dazu geführt haben konnten, die Einnahmen aus der Kurtaxe bei der Gewinnermittlung nur mit 50 v. H. anzusetzen. Vielleicht sollte es durch die übernahme dieser Vorschriften in die ergänzende Anweisung der Finanzleitstelle den Gemeinden erleichtert werden, die durch den Krieg vernachlässigten Kuranlagen auf- und auszubauen. Eine solche Maßnahme läge aber auf dem Gebiete des Finanzausgleichs zwischen Ländern und Gemeinden und hätte mit Billigkeitserwägungen im Sinne des § 13 AO alter Fassung und des § 131 AO nichts zu tun. Die Anordnung der Finanzleitstelle kann auch nicht als auf § 12 AO alter Fassung beruhend aufrechterhalten werden. Denn dem Bundesminister der Finanzen ist darin zuzustimmen, daß sowohl der Reichsminister der Finanzen als auch die Finanzleitstelle sich der aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs I 298/39 ergebenden Rechtslage bewußt waren und sie aus im einzelnen nicht mehr feststellbaren Gründen für die Gemeinden eine steuerliche Erleichterung gegenüber der bestehenden Rechtslage schaffen wollten.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das die Veranlagung ohne die Berücksichtigung der Anweisung in Abschnitt 6 KStR 1955 durchführen wird. Es bleibt der Verwaltung vorbehalten. Eine übergangsregelung im Billigkeitswege für die Vergangenheit zu treffen. Soweit es aus diesem Grunde auf die Auslegung des Abschnitts 6 KStR 1955 ankommen sollte, trägt der Senat keine Bedenken, sich der Auffassung des Finanzamts anzuschließen und davon auszugehen, daß die Werbekosten in der Regel auch nicht teilweise mit der Strandkorbvermietung im sachlichen Zusammenhang stehen. Zu den steuerpflichtigen Einnahmen der Kurverwaltung gehört auch der Fremdenverkehrsbeitrag (Kurförderungsabgabe), weil er in engem sachlichem Zusammenhang mit den Aufgaben der Kurverwaltung als eines den Fremdenverkehr fördernden Betriebes gewerblicher Art der Gemeinde steht.
Fundstellen
Haufe-Index 410619 |
BStBl III 1962, 542 |
BFHE 1963, 757 |
BFHE 75, 757 |
BB 1962, 1364 |
DB 1963, 190 |
DStR 1962/63, 153 |