Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Einfamilienhaus-VO vom 26. Januar 1937 (RGBl 1937 I S. 99, RStBl 1937 S. 161), betreffend die Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus, ist noch rechtsgültig; insbesondere verletzt sie nicht wegen der Entwicklung der Verhältnisse den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Die unentgeltliche überlassung von Wohnräumen an Familienangehörige steht der Anwendung der Einfamilienhaus-VO auf das gesamte Gebäude nicht entgegen.
EStG 1960 §§ 21 Abs. 2, 29 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 3; EStDV 1960 § 82 a; Einfamilienhaus-VO §§ 1, 2
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2, § 29/1/2, § 29 Abs. 3; EStDV § 82a; EinfHausVO 1; EinfHausVO 2/1; EinfHausVO 2/2; EinfHausVO 3/1; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
I. Sachverhalt, Entscheidung des Finanzgerichts und Begründung der Rb.
Die Bfin. ist Eigentümerin eines Wohnhauses, das das Finanzamt seit vielen Jahren als Mietwohngrundstück bewertet hatte. Bei der Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1960 wurde für das Grundstück im Jahre 1961 als Einfamilienhaus ein Einheitswert von 33.800 DM festgesetzt. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1960 berechnete das Finanzamt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (Einfamilienhaus-VO) - RGBl 1937 I S. 99, RStBl 1937 S. 161 -. Es setzte den Grundbetrag mit (3,5 v. H. von 33.800 DM =) 1.183 DM an. Die Schuldzinsen von 1.728 DM berücksichtigte es gemäß § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO nur bis zum Betrag von 0 DM.
Die Bfin. ist der Auffassung, das Grundstück sei zu Unrecht als Einfamilienhaus bewertet worden. Das Haus habe im Erd- und Obergeschoß abgeschlossene Wohnungen. Die Wohnung im Erdgeschoß benutze ihr Sohn. Im Obergeschoß habe sie ihr Wohn- und Schlafzimmer nebst Küche und Bad; ferner habe ihr Sohn im Obergeschoß noch ein Schlafzimmer nebst Ankleide- und Waschraum. Das Dachgeschoß enthalte Schlaf- und Aufenthaltsräume nebst Badezimmer für ihre Enkel. Die falsche Bewertung im Einheitswertverfahren dürfe sich bei der Einkommensteuer nicht auswirken; das Grundstück sei vielmehr bei der Einkommensteuer wie in den Vorjahren als Mietwohngrundstück zu behandeln. Die Bfin. verlangt, bei der Ermittlung des überschusses der Mieteinnahmen über die Werbungskosten Reparaturkosten von 38.643 DM mit 10 v. H. als Werbungskosten im Streitjahr 1960 zu berücksichtigen. Dabei ergibt sich nach der Berechnung der Bfin. für 1960 ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung von 3.959 DM.
Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte aus: Die Einkünfte müßten nach der Einfamilienhaus-VO ermittelt werden, nachdem das Haus im Einheitswertverfahren auf den 1. Januar 1960 als Einfamilienhaus bewertet worden sei. Diese Feststellung sei gemäß § 218 AO im Einkommensteuerverfahren bindend. Die Bfin. könne mit ihren Einwendungen gegen die im Einheitswertbescheid getroffenen Feststellungen im Einkommensteuerverfahren nicht gehört werden. Es sei lediglich zu prüfen, ob die Bfin. das Einfamilienhaus selbst genutzt habe. Das sei der Fall. Die Bfin. bewohne selbst einige Räume im Obergeschoß; die anderen Räume habe sie ihrem Sohn und dessen Familie unentgeltlich und freiwillig überlassen, so daß der Mietwert ihr zuzurechnen sei (Urteile des Reichsfinanzhofs IV 352/38 vom 9. März 1939, RStBl 1939 S. 758; IV 191/41 vom 29. Januar 1942, RStBl 1942 S. 471; Urteil des Bundesfinanzhofs VI 5/54 U vom 11. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 68, Slg. Bd. 64 S. 177). Die Reparaturkosten könnten nicht vom Grundbetrag abgezogen werden. Auch § 82 a EStDV sei nicht anwendbar; denn diese Vorschrift gelte nur für die Herstellungskosten gewisser Anlagen und Einrichtungen, die in Anlage 7 zur EStDV aufgeführt seien. Die Ausgaben für die Einrichtung eines Badezimmers seien im Streitfall nicht als begünstigte Herstellungskosten zu berücksichtigen, da für jede Wohnung bereits ein Bad vorhanden gewesen sei. Alle anderen Kosten seien einwandfrei Renovierungskosten gewesen.
Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Rechtsanwendung. Sie bestreitet weiterhin, daß die Einfamilienhaus-VO anwendbar sei. Das Finanzgericht habe auch nicht beachtet, daß neben Renovierungsarbeiten auch Arbeiten zur Beseitigung von Kriegsschäden angefallen seien. Es möge schwierig sein, die Renovierungskosten von den Herstellungskosten im Sinne von § 82 a EStDV zu trennen. Die Feststellung des Finanzamts, daß keine begünstigten Anlagen neu eingebaut worden seien, sei aber jedenfalls unrichtig. Ebenso treffe es nicht zu, daß sie mit ihrem Sohn einen gemeinsamen Haushalt führe, und daß der Sohn ihr keine Miete zahle. Auf ihrem Privatkonto bei der OHG, an der sie mit ihrem Sohn beteiligt sei, würde ihr seit Jahren eine Miete gutgeschrieben. Im übrigen verstoße die angefochtene Entscheidung gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit; denn nachdem das Haus lange Zeit steuerlich als Mietwohngrundstück behandelt worden sei und in den vergangenen Jahren viele Reparaturen unterblieben seien, die jetzt nachgeholt würden, habe sie infolge des Wechsels in der Besteuerungsart in den vergangenen Jahren zu hohe Einkünfte versteuert.
II. Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, hat auf Anregung des Senats zu der Frage Stellung genommen, ob die Einfamilienhaus-VO noch anwendbar ist, oder ob nicht aus ähnlichen Erwägungen wie im Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofs IV 11/64 S vom 5. November 1964 (BStBl 1964 III S. 602, Slg. Bd. 80 S. 356) betreffend die Besteuerung der Landwirtschaft nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) vom 2. Juni 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 S. 95) die Rechtsgültigkeit der Einfamilienhaus-VO zu verneinen ist.
Der Bundesminister der Finanzen weist darauf hin, daß die Einfamilienhaus-VO erlassen worden sei, um den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich bei der Ermittlung des Nutzungswertes der Wohnung (§ 21 Abs. 2 EStG ergeben, wenn ein Einfamilienhaus vom Eigentümer selbst bewohnt wird. Es fehlt in diesen Fällen an tatsächlichen Einnahmen, so daß ein Bruttomietwert geschätzt werden müßte. Diese Schätzung und die Ermittlung der Werbungskosten seien aber schwierig. Der Gesetzgeber habe darum erstmals in § 29 Abs. 3 EStG 1934 den Reichsminister der Finanzen ermächtigt, den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus in einem Hundertsatz des zuletzt festgestellten Einheitswerts zu bemessen. Dabei habe er - wie bei jeder Durchschnittsbesteuerung - zur Vereinfachung bewußt in Kauf genommen, daß sich der so ermittelte Nutzungswert nicht in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum mit dem tatsächlichen Ertrag decke. Auf längere Sicht würden aber bei den vereinfachten Verfahren im allgemeinen in etwa die Erträge versteuert, die sich bei der genauen Ermittlung des Nutzungswertes für jeden Veranlagungszeitraum ergeben würden.
Die Einfamilienhaus-VO knüpfe zwar für die Ermittlung des Nutzungswertes ebenso an den zuletzt festgestellten Einheitswert an, wie die VOL für die Besteuerung der Landwirte. Die Rechtsungültigkeit der VOL habe der IV. Senat vor allem damit begründet, daß diese Rechtsverordnung infolge der Entwicklung der Verhältnisse, vor allem wegen der überholten Einheitswerte, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße und außerdem in § 29 EStG keine ausreichende Rechtsgrundlage mehr habe.
Bei der Einfamilienhaus-VO lägen aber die Verhältnisse in verschiedenen Punkten anders. Auch hier bilde zwar der Einheitswert die Grundlage für die Berechnung des Grundbetrages. Von diesem Grundbetrag dürften aber - abgesehen von den Sonderabschreibungen nach § 7 b EStG, § 82 a Abs. 1 EStDV - nur die mit der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken zusammenhängenden Schuldzinsen abgesetzt werden, und das auch nur mit der weiteren Einschränkung, daß durch den Schuldzinsenabzug kein negativer Nutzungswert entstehen dürfe (§ 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO). Alle Ausgaben für die Erhaltung des Hauses, für die Grundsteuer, die Absetzung für Abnutzung (AfA) usw. seien also im Grundbetrag abgegolten. Diese Berechnung des Nutzungswerts des eigengenutzten Einfamilienhauses beruhe auf dem Gedanken, daß unter Berücksichtigung des regelmäßigen Aufwandes auf längere Sicht betrachtet für den Eigentümer immer noch eine angemessene Verzinsung des in dem Haus angelegten Kapitals bleibe. Bei der Einführung der Einfamilienhaus-VO im Jahre 1937 hätten im allgemeinen die auf den 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswerte in etwa dem eingesetzten Gesamtkapital des Einfamilienhauses entsprochen. Da aber bis heute alle Einheitswerte für Grundbesitz nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 festgestellt würden (§ 3 a Abs. 1 BewDV), spiegelten die Einheitswerte weder bei den alten noch bei den neueren Einfamilienhäusern den Wert des in ihnen gebundenen Kapitals wider, so daß auch die Grundbeträge weit von einer angemessenen Verzinsung des gebundenen Kapitals entfernt seien. Auf der anderen Seite schaffe aber vor allem die Beschränkung des Schuldzinsenabzuges nach § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO einen Ausgleich. Weil besonders bei neueren Einfamilienhäusern durch die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs oft ein Teil der Schuldzinsen steuerlich unwirksam bleibe, entfalle der aus den nicht zeitgerechten Einheitswerten entstehende Vorteil der zu niedrigen Grundbeträge ganz oder zum Teil wieder. Eine Normalisierung der Unebenheiten, die sich bei den ohne oder nur mit geringen Fremdmitteln errichteten Einfamilienhäusern ergebe, werde eintreten, sobald die neuen Einheitswerte auf den 1. Januar 1964 auf Grund des Gesetzes zur änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl 1965 I S. 851, BStBl 1965 I S. 375) festgestellt seien.
Entscheidungsgründe
III. Entscheidung des Senats
Die Rb. konnte keinen Erfolg haben.
Wenn auch die Bfin. die Rechtsungültigkeit der Einfamilienhaus-VO nicht besonders gerügt hat, so muß der Senat doch von Amts wegen, ehe er die Einfamilienhaus-VO als Rechtsnorm auslegt und anwendet, deren Rechtsgültigkeit prüfen, zumal sich die inzwischen vom Bundesfinanzhof für rechtsungültig erklärte VOL und die Einfamilienhaus-VO in manchen Punkten berühren, vor allem darin, daß beide an die wirtschaftlich überholten Einheitswerte für den Grundbesitz anknüpfen.
Der Senat tritt dem Bundesminister der Finanzen darin bei, daß die Rechtslage bei der Einfamilienhaus-VO in wesentlichen Punkten anders ist als bei der VOL.
Zutreffend weist der Bundesminister der Finanzen zunächst darauf hin, daß - im Gegensatz zur VOL - im EStG selbst (§ 29 Abs. 3 EStG) der zuletzt festgestellte Einheitswert als Grundlage für die Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vorgeschrieben ist. Die Einfamilienhaus-VO beruht also auf einer einwandfreien gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 488/57 vom 3. Dezember 1958, BStBl 1959 I S. 68).
Zweifellos kann es in vielen Fällen zu Verzerrungen und Ungleichheiten führen, daß die auch für das Streitjahr 1960 maßgebenden Einheitswerte noch auf die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 bezogen sind und die schwerwiegenden änderungen der Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt in den Einheitswerten nicht zum Ausdruck kommen. Die Einheitswerte, besonders für die neueren Einfamilienhäuser, liegen wegen der Entwicklung der Grundstückspreise und der Erhöhung der Baukosten durchweg weit unter den Verkehrswerten und führen darum bei der Anwendung der Einfamilienhaus-VO zwangsläufig zu Grundbeträgen, die viel zu niedrig sind. Dieser Vorteil wird aber, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht ausführt, bei den meisten eigengenutzten Einfamilienhäusern dadurch wieder ausgeglichen, daß durch § 2 Abs. 2 der Einfamilienhaus-VO der Schuldzinsenabzug begrenzt ist. Der Eigentümer eines eigengenutzten Einfamilienhauses hat meist auch neben den Schuldzinsen noch Lasten, die er bei der Anwendung der Einfamilienhaus-VO steuerlich nicht absetzen kann, z. B. Reparaturkosten, Kanalanschlußkosten, AfA usw. Bei den älteren Einfamilienhäusern fallen diese Kosten, vor allem der Erhaltungsaufwand, oft erheblich ins Gewicht. Bei den neueren Einfamilienhäusern, die meist mit erheblichen Fremdmitteln gebaut werden, treten derartige Aufwendungen zwar zurück; dafür ist aber bei ihnen wegen der Höhe des Zinsspiegels die Belastung durch die Schuldzinsen oft so erheblich, daß sie den Vorteil des niedrigen Grundbetrags übersteigt.
Nach den Erfahrungen des Senats ist die wirtschaftliche Lage der einzelnen Einfamilienhausbesitzer so verschieden, daß es unmöglich ist, allgemein zu bestimmen, ob sich die Einfamilienhaus-VO günstig oder ungünstig für die Beteiligten auswirkt, zumal wenn man nicht auf ein Jahr oder wenige Jahre, sondern auf einen langen Nutzungszeitraum abstellt. Denn zutreffend weist der Bundesminister der Finanzen darauf hin, daß bei einer Durchschnittsbesteuerung nicht auf ein einzelnes Jahr und einen einzelnen Steuerpflichtigen abgestellt werden kann, sondern daß ein längerer Zeitraum zu betrachten ist, innerhalb dessen sich Vorteile und Nachteile gewöhnlich ausgleichen. Auf diese Zusammenhänge hat auch der Senat in seiner Grundsatzentscheidung VI 23/55 S vom 25. Januar 1957 (BStBl 1957 III S. 131, Slg. Bd. 64 S. 345) bereits hingewiesen. Die damaligen Ausführungen haben auch heute noch ihr volles Gewicht.
Bei ihrem Erlaß entsprach die Einfamilienhaus-VO der in § 29 Abs. 3 EStG erteilten gesetzlichen Ermächtigung. Nach der Auffassung des Senats konnte die Bundesregierung auch später die gesetzliche Ermächtigung in § 29 Abs. 3 EStG als ausreichende Rechtsgrundlage für die Einfamilienhaus-VO betrachten. Sie war auch nicht gezwungen, die Einfamilienhaus-VO wegen der Entwicklung der Verhältnisse grundlegend neuzugestalten. Wenn auch, wie dargelegt, Verzerrungen und Ungleichheiten in Einzelfällen eingetreten sein mögen, so sind sie nach der überzeugung des Senats doch nicht so schwerwiegend, daß man feststellen könnte, daß der Gesetzgeber das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG dadurch verletzt habe, daß er die Ermächtigung in § 29 Abs. 3 EStG nicht änderte, oder daß der Verordnungsgeber die Ermächtigung in § 29 Abs. 3 EStG falsch ausgefüllt habe, weil er die alten Einheitswerte zugrunde legte, obwohl dabei eine die Norm des Art. 3 Abs. 1 GG verletzende willkürliche Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen entstehen müßte. Der Senat ist der Auffassung, daß, wenn man die Entwicklung der Mietpreise in Betracht zieht, in der überwiegenden Zahl der Fälle die Anwendung der Einfamilienhaus-VO den Steuerpflichtigen günstig war und ist. Daraus erklärt es sich auch wohl, daß Wünsche auf änderung der Form der Ermittlung des Nutzungswerts kaum laut geworden sind.
Es wäre sicher zweckmäßig gewesen, schon früher neue Einheitswerte und damit bessere Ausgangswerte für den Grundbetrag der Einfamilienhaus-VO zu schaffen. Der Senat hat auf diesen Gesichtspunkt bereits in seiner Grundsatzentscheidung VI 23/55 S (a. a. O.) klar hingewiesen. Wenn der Gesetzgeber trotzdem an der bisherigen Regelung festgehalten hat, so war das eine politische Entscheidung, die der Nachprüfung durch die Gerichte nicht unterliegt, solange das Verhalten des Gesetzgebers nicht willkürlich die Grundrechte der Bürger verletzt. Eine solche Feststellung vermag aber der Senat, wie dargelegt, nicht zu treffen. Die einschlägigen Ausführungen in der Grundsatzentscheidung VI 23/55 S a. a. O., die einen Steuerfall aus der Zeit vor dem Jahre 1955 betrafen, gelten auch für die späteren Jahre, wenngleich sich in diesen Jahren in mancher Hinsicht die Verhältnisse weiter geändert haben.
Die von der Bfin. vorgetragenen besonderen Gründe gegen die Anwendung der Einfamilienhaus-VO in ihrem Fall greifen nicht durch.
Zutreffend hat das Finanzgericht den Mietwert des Hauses nach der Einfamilienhaus-VO ermittelt, weil das Haus für das Streitjahr 1960 im Einheitswertbescheid als Einfamilienhaus bewertet und von der Eigentümerin selbst genutzt wurde. Die im Einheitswertverfahren getroffene Feststellung ist bindend. Im Einkommensteuerverfahren kann die Bfin. nicht geltend machen, daß das Gebäude kein Einfamilienhaus sei (§§ 214, 216, 218 Abs. 1 AO; Urteil des Senats VI 302/57 U vom 10. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 330, Slg. Bd. 69 S. 179).
Die Bfin. bestreitet allerdings, daß sie das Haus allein genutzt habe, und greift damit eine tatsächliche Feststellung des Finanzgerichts an, die aber für den Senat bindend ist (§§ 288 Ziff. 1, 296 Abs. 1 AO), da das Finanzgericht ohne Verfahrensverstoß zu seiner Feststellung gekommen ist. Die Bfin. hatte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ebenso wie in den Vorjahren für die von ihr und ihrem Sohn bewohnten Räume lediglich einen Nutzungswert, nicht aber eine von ihrem Sohn gezahlte Miete angegeben. Der Vordruck zur Erklärung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unterscheidet ausdrücklich zwischen vereinnahmten Mieten, dem Mietwert für die eigengenutzten Wohnräume und solchen für vom Steuerpflichtigen an unterhaltsberechtigte Personen oder freiwillig an andere Personen unentgeltlich überlassenen Räume. Auch in ihrer Steuererklärung für das folgende Jahr 1961 hat die Bfin. den Mietwert der ihrem Sohn überlassenen Räume mit 1.800 DM angegeben. Das Finanzgericht konnte deshalb davon ausgehen, daß die Bfin. die nicht selbst bewohnten Räume des Hauses freiwillig und unentgeltlich ihrem Sohn überlassen habe. In diesem Fall aber war der Nutzungswert dieser Räume ihr zuzurechnen (Urteil des Senats VI 5/54 U, a. a. O.). Die Behauptung der Bfin. im Rechtsbeschwerdeverfahren, sie habe für die Räume des Sohnes eine Miete im Wege der Gutschrift auf ihrem Privatkonto bei der OHG erhalten, ist ein neues tatsächliches Vorbringen.
Die Bfin. trägt ferner vor, sie habe mit ihrem Sohn keinen gemeinsamen Haushalt. Das Finanzgericht hat das aber auch so nicht festgestellt. Jedenfalls beruht die Vorentscheidung nicht auf einer solchen Feststellung. Das Finanzgericht hat lediglich eine entsprechende Behauptung des Finanzamts wiedergegeben.
Wenn die Bfin. sich darauf beruft, daß sie wirtschaftlich in den Vorjahren zu hohe Einkünfte aus dem Haus versteuert habe, weil sie notwendige Reparaturen in diesen Jahren unterlassen habe, so greift auch dieser Einwand nicht durch. Ausgaben können nur in dem Jahr steuerlich abgesetzt werden, in dem sie tatsächlich angefallen sind. Aufwendungen für Hausreparaturen, die in einer Zeit angefallen sind, für die die Einkünfte des Hauses nach der Einfamilienhaus-VO zu ermitteln sind, können den Grundbetrag nicht mindern. Der Senat hat im Urteil VI 108/62 U vom 17. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 238, Slg. Bd. 79 S. 13) ausgesprochen, daß es für die Frage, ob derartige Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden können, nicht darauf ankommt, in welcher Zeit die Schäden entstanden sind, sondern wann sie beseitigt wurden. Er hat deshalb in diesem Urteil Reparaturaufwendungen für Schäden eines Hauses, das vordem als eigengenutztes Einfamilienhaus behandelt worden war, als Werbungskosten anerkannt, obwohl die Reparaturen in der Zeit notwendig geworden waren, als das Haus noch ein Einfamilienhaus war, aber erst durchgeführt wurden, als das Haus ein Mietwohngrundstück geworden war und die Einkünfte des Hauses nicht mehr nach der Einfamilienhaus-VO ermittelt werden durften. Der Fall der Bfin. liegt zwar umgekehrt. Aber es müssen hier dieselben Rechtsgrundsätze gelten.
Soweit die Bfin. geltend macht, daß ein Teil der Reparaturen durch Kriegsschäden bedingt gewesen sei, wären die Kosten nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 438/54 S vom 21. April 1955 (BStBl 1955 III S. 173, Slg. Bd. 60 S. 453) und IV 168/60 U vom 9. Juni 1961 (BStBl 1961 III S. 400, Slg. Bd. 73 S. 367) zwar vom Grundbetrag besonders abzusetzen. Die Bfin. hat aber selbst in ihrer Rechtsbeschwerdebegründung erklärt, daß eine Trennung der Aufwendungen sehr schwierig sei. Im Berufungsverfahren hat sie die Aufwendungen nicht aufgegliedert und nur allgemein vorgetragen, daß auch "einige Kriegsschäden" beseitigt worden seien. Da die eigentlichen Kriegsschäden des Gebäudes schon in früheren Jahren beseitigt worden sind und die Aufwendungen hierfür als Werbungskosten berücksichtigt wurden, ergab sich für das Finanzgericht kein Anlaß, auf die Frage der Kriegsschäden näher einzugehen.
Es kann auch dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen das Finanzamt das Haus erst ab 1. Januar 1960 als Einfamilienhaus bewertet hat. In den Einkommensteuererklärungen der Vorjahre bis einschließlich 1959 hatte die Bfin. Mieteinkünfte für das zweite Obergeschoß angegeben. Für das Streitjahr 1960 hat sie solche Mieteinkünfte nicht mehr erklärt. Jedenfalls hat das Finanzgericht, wie bereits ausgeführt, zutreffend angenommen, daß bei der angefochtenen Einkommensteuerveranlagung nicht geprüft werden konnte, ob das Grundstück mit Recht als Einfamilienhaus bewertet war. Diese Einwendungen hätte die Bfin. nur im Rechtsmittelverfahren gegen den Einheitswertbescheid geltend machen können.
Den Antrag der Bfin., einen Teil ihrer Aufwendungen gemäß § 82 a Abs. 2 in Verbindung mit § 15 EStDV für das Streitjahr 1960 vom Grundbetrag abzusetzen, konnte das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum ablehnen. Die Bfin. hatte zwar Aufwendungen von 6.073 DM als Aufwendungen im Sinne von § 82 a EStDV angegeben, darunter Kosten für ein Kinderbadezimmer und für einen Bad- und Duschraum in der ersten Etage. Das Finanzgericht konnte diese Aufwendungen aber ohne Rechtsverstoß außer Betracht lassen, weil entsprechende Einrichtungen schon vorher vorhanden waren. Die Bfin. erklärt selbst, es sei schwierig, zwischen den Renovierungskosten und den Herstellungskosten im Sinne des § 82 a EStDV zu unterscheiden. Sie greift mit ihren allgemeinen Einwendungen nur eine für den Senat bindende tatsächliche Feststellung des Finanzgerichts an (§§ 288 Ziff. 1, 296 Abs. 1 AO).
Fundstellen
Haufe-Index 411806 |
BStBl III 1966, 106 |
BFHE 1966, 290 |
BFHE 84, 290 |