Leitsatz (amtlich)
1. Der Wegfall der Grundsteuervergünstigung führt zu einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die dem Grunde nach eine Wertfortschreibung rechtfertigt.
2. Für die Fortschreibung (und für die Frage, ob die Fortschreibungsgrenzen erreicht sind) ist vorrangig von der üblichen Marktmiete für nicht grundsteuerbegünstigte Wohnräume am 1.Januar 1964 auszugehen. Kann diese nicht anhand eines Mietspiegels geschätzt werden, so kommt der Ansatz eines (pauschalen) Zuschlags zur üblichen Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum in Betracht.
Orientierungssatz
Das Ertragswertverfahren führt zu einer Bewertung des Grundstücks auf der Grundlage des pauschalierten Reinertrags. Dabei ist im Vervielfältiger die Grundsteuerbelastung mit einem durchschnittlichen Hundertsatz als Teil der Bewirtschaftungskosten berücksichtigt, die sich auf die Höhe des Reinertrags auswirken. Mit der Erhöhung der Jahresrohmiete um 12 v.H. wegen fehlender Grundsteuerbelastung bei grundsteuerbegünstigten Grundstücken berücksichtigt das BewG tatsächlich bestehende rechtliche Eigenschaften des Grundstücks, dagegen nicht Wertverhältnisse (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
BewG 1974 § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, §§ 27, 79 Abs. 2-3, 5, §§ 78, 80
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines 1965 errichteten Einfamilienhauses, dessen Wohnung ab 1.Januar 1966 als grundsteuerbegünstigt anerkannt war. Das Finanzamt (FA) stellte den Einheitswert des Grundstücks nach den Wertverhältnissen von 1964 im Wege der Nachfeststellung zum 1.Januar 1974 auf 21 800 DM fest. Es erhöhte dabei wegen der Grundsteuerbegünstigung die Jahresrohmiete gemäß § 79 Abs.3 des Bewertungsgesetzes (BewG) um 12 v.H.
Im Dezember 1978 beantragte der Kläger, den Einheitswert wegen Wegfalls der Grundsteuervergünstigung zum 1.Januar 1976 auf 19 400 DM fortzuschreiben. Das FA lehnte die Fortschreibung ab. Zwar entfalle der Zuschlag von 12 v.H. nach dem Auslaufen der Grundsteuervergünstigung, doch sei dafür nach dem Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 16.Dezember 1974 S 3106 - 126 - 34 (Oberfinanzdirektion --OFD-- Hannover, Bewertungskartei 1965, Karte 14 a zu § 79 BewG) die übliche Miete um 2 v.H. zu erhöhen. Damit wäre der Einheitswert auf 19 800 DM festzustellen, so daß die Fortschreibungsgrenzen des § 22 Abs.1 Nr.1 BewG nicht erreicht würden.
Nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens begehrte der Kläger mit der Klage, das FA zu verpflichten, den Einheitswert zum 1.Januar 1976 durch Fortschreibung auf 19 400 DM festzustellen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Nach § 22 Abs.1 Nr.1, Abs.4 BewG findet beim Grundbesitz wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung statt, wenn der nach § 30 BewG abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts nach unten um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 500 DM, oder um mehr als 5 000 DM abweicht. Nach § 27 BewG sind bei einer Fortschreibung des Einheitswerts für Grundbesitz die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen (vgl. auch § 79 Abs.5 BewG).
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Wegfall der Grundsteuervergünstigung eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bewirkt, die zur Wertfortschreibung führt, wenn die Wertgrenzen des § 22 Abs.1 Nr.1 BewG erreicht sind.
Bei der Bewertung eines Grundstücks im Ertragswertverfahren wird der Grundstückswert durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete (unter Berücksichtigung der §§ 81 und 82 BewG) ermittelt (§ 78 Satz 2 BewG). Das Ertragswertverfahren führt zu einer Bewertung des Grundstücks auf der Grundlage des pauschalierten Reinertrags (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2.Juni 1971 III R 105/70, BFHE 102, 563, 565, BStBl II 1971, 675). Im Vervielfältiger ist die Grundsteuerbelastung mit einem durchschnittlichen Hundertsatz als Teil der Bewirtschaftungskosten berücksichtigt, die sich auf die Höhe des Reinertrags auswirken (vgl. auch § 81 BewG und BFH-Entscheidung vom 24.November 1972 III R 20/72, BFHE 107, 472, 477, BStBl II 1973, 109, 111). Um das Fehlen der Grundsteuerbelastung bei grundsteuerbegünstigten Grundstücken auszugleichen, sieht § 79 Abs.3 BewG eine Erhöhung der Jahresrohmiete um 12 v.H. vor. Mit dieser Erhöhung berücksichtigt das BewG tatsächlich bestehende rechtliche Eigenschaften des Grundstücks, dagegen nicht Wertverhältnisse (vgl. auch BFH-Entscheidung vom 18.Dezember 1985 II R 229/83, BFHE 146, 95, BStBl II 1986, 445). Entfällt für das Grundstück die Grundsteuervergünstigung, so tritt folglich eine Änderung der bei der letzten Wertfeststellung berücksichtigten tatsächlichen Verhältnisse ein, die dem Grunde nach zur Wertfortschreibung führen kann.
2. Der Senat vermag nicht der Auffassung des FG zu folgen, daß die nach Wegfall der Grundsteuervergünstigung anzusetzende Jahresrohmiete allgemein um die tatsächlich anfallende jährliche Grundsteuerbelastung zu erhöhen ist.
Ausgangspunkt für die Wertermittlung zu einem nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt liegenden Feststellungszeitpunkt kann nicht die tatsächlich gezahlte Miete, sondern nur die übliche Miete im Hauptfeststellungszeitpunkt sein (§ 79 Abs.5 BewG). Denn zum ersten möglichen Fortschreibungszeitpunkt oder Nachfeststellungszeitpunkt nach der Hauptfeststellung, dem 1.Januar 1974 (vgl. Art.1 Abs.2 des Bewertungsänderungsgesetzes 1971), entsprachen die Mieten wegen der Änderung des Mietpreisrechts im allgemeinen nicht mehr den Mieten nach den Wertverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt 1964. Die übliche Miete ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung am 1.Januar 1964 regelmäßig gezahlt wurde (§ 79 Abs.2 Satz 2 BewG).
Für die Entscheidung der Frage, ob für das Grundstück des Klägers zum 1.Januar 1976 eine Wertfortschreibung durchzuführen ist, konnte nicht ohne weiteres von der bei der Nachfeststellung 1974 angesetzten üblichen Miete ausgegangen werden, wenn es sich bei dieser Miete um eine solche für grundsteuerbegünstigte Wohnräume gehandelt hat. Denn diese Miete bezieht sich auf einen nun nicht mehr bestehenden tatsächlichen Zustand des Grundstücks. Für die Fortschreibung zum 1.Januar 1976 (und damit auch für die Frage, ob die Wertfortschreibungsgrenzen erreicht sind) muß deshalb vorrangig von der üblichen Marktmiete im Hauptfeststellungszeitpunkt für nicht grundsteuerbegünstigte Wohnungen ausgegangen werden.
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob die der Nachfeststellung 1974 zugrunde liegende Jahresrohmiete eine übliche Miete für grundsteuerbegünstigte Wohnungen war oder ob Ausgangspunkt eine allgemein übliche (auch) für nicht grundsteuerbegünstigte Wohnungen gezahlte Marktmiete war.
a) Im letzteren Fall wäre eine Erhöhung der Miete nach Wegfall der Grundsteuervergünstigung nicht zulässig, weil in der Marktmiete die Grundsteuerbelastung bereits als Teil der die angesetzte Miete beeinflussenden Bewirtschaftungskosten berücksichtigt ist.
b) Im ersteren Fall müßte für die hier streitige Wertfeststellung zum 1.Januar 1976 die übliche Miete in Anlehnung an die Marktmiete für vergleichbare Grundstücke i.S. des § 79 Abs.2 Satz 2 BewG anhand des Mietspiegels (vgl. BFH-Entscheidung vom 10.August 1984 III R 41/75, BFHE 142, 289, BStBl II 1985, 36) für die Wertermittlung angesetzt und danach entschieden werden, ob die Wertgrenzen für eine Wertfortschreibung erreicht sind. Sollte eine übliche Marktmiete nicht geschätzt werden können --zu erwägen wäre auch eine Ergänzung des Mietspiegels (vgl. hierzu BFH-Entscheidung vom 10.August 1984 III R 18/76, BFHE 142, 297, 300, BStBl II 1985, 200 unter 3a)--, so käme ein Zuschlag zur üblichen Miete für grundsteuerbegünstigten Wohnraum in Betracht, der die Tatsache berücksichtigt, daß nach Beendigung der Grundsteuervergünstigung die nunmehr einsetzende Grundsteuerbelastung des Grundstücks regelmäßig zu einer Erhöhung der Rohmiete führt. Dieser Zuschlag wäre entsprechend der Systematik des § 79 Abs.3 BewG, der für das gesamte Bewertungsgebiet eine einheitliche Erhöhung der Miete als Ausgleich für die fehlende Grundsteuerbelastung vorsieht, nicht nach der tatsächlichen Grundsteuerbelastung im Einzelfall zu bemessen (soweit nicht die besonderen Tatbestandsmerkmale des § 81 BewG vorliegen), sondern pauschal für das gesamte Bewertungsgebiet anzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 61477 |
BStBl II 1987, 201 |
BFHE 148, 174 |
BFHE 1987, 174 |
BB 1987, 323-324 (ST) |
DB 1987, 418-419 |