Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhte Absetzungen für Baudenkmäler: Bindungswirkung der Bescheinigung nach § 82i Abs.2 EStDV bzw. § 7i Abs.2 EStG - nicht für Außenanlagen, Innenhofgestaltung oder den Wiederaufbau von Gebäuden
Leitsatz (amtlich)
Die Bindungswirkung der Bescheinigung nach § 82i Abs.2 EStDV beschränkt sich auf die Denkmaleigenschaft des Gebäudes sowie darauf, ob die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Über das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 82i Abs.1 EStDV haben die Finanzbehörden in eigener Kompetenz zu entscheiden.
Orientierungssatz
1. Bei der Bescheinigung einer Denkmalschutzbehörde nach § 82i Abs.2 EStDV handelt es sich um einen Grundlagenbescheid i.S. der §§ 171 Abs.10, 175 Abs.1 Satz Nr.1 AO 1977. Soweit die Denkmalschutzbehörde über die von ihr zu prüfenden rein denkmalschutzrechtlichen Vorfragen hinaus die übrigen steuerrechtlichen Voraussetzungen unzutreffend bescheinigt hat, ist das FA hieran auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gebunden.
2. Nach § 82i EStDV begünstigt sind nur Herstellungskosten an als Baudenkmal geschützten, bestehenden Gebäuden, nicht aber Gartenanlagen, Außenanlagen, die Gestaltung eines Innenhofs oder der Wiederaufbau bzw. die Neuerrichtung von Gebäuden.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStDV § 82i Abs. 1 S. 1, Abs. 2; EStG § 7i Abs. 2
Tatbestand
Die zur Einkommensteuer zusammen veranlagten Ehegatten (Kläger und Revisionsbeklagte --Kläger--) erwarben 1981 eine unter Denkmalschutz stehende instandsetzungsbedürftige Wasserburg.
Im Zuge der Instandsetzungsarbeiten errichteten sie in der Hauptburg 15, in der Vorburg 27 Wohnungen sowie baulich getrennt davon eine Tiefgarage und einen oberirdischen Parkplatz.
Für die Streitjahre (1981 bis 1985) begehrten die Kläger, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zu berücksichtigen. Sie legten eine Bescheinigung der zuständigen Denkmalschutzbehörde mit folgendem Wortlaut vor:
"Es wird hiermit bescheinigt, daß Ihr Gebäude Wasserburg ... ein Baudenkmal im Sinne von § 40 des Landes N.W. Denkmalschutzgesetzes ist.
Die hieran durchgeführten Arbeiten: Komplette Sanierung der Vorburg, Ausbau zu Wohnungen, Errichtung Tiefgarage, die zu Aufwendungen von ... DM geführt haben waren im Sinne von §§ 82i und k EStDV nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes (Gebäudeteils) als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich.
Die anerkannten Aufwendungen sind in den beiliegenden Abdrucken der Rechnungen von mir gekennzeichnet.
Diese Bescheinigung dient zur Vorlage beim Finanzamt."
Mit Bescheid vom 29. Juli 1988 widerrief die Stadt diese Bescheinigung hinsichtlich der Kosten für die Tiefgarage und die Innenhofgestaltung der Vorburg.
Die Klage vor dem Verwaltungsgericht führte aus formellen Gründen zur rechtskräftigen Aufhebung des Widerrufsbescheides.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ von den Aufwendungen zur Herstellung der Tiefgarage sowie von den Kosten für die Innenhofgestaltung lediglich Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Das FG sah die Bescheinigung für die Einkommensteuerveranlagung als bindend an.
Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die Verletzung des § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.y EStG und des § 82i EStDV.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.
Sie sind insbesondere der Auffassung, ihr Vertrauen auf die Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde müsse geschützt werden. Sie hätten seinerzeit alles getan, um die Anforderungen der Verwaltung (Denkmalschutzbehörde und Finanzverwaltung) zu erfüllen.
Die am 23. März 1995 geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre wurden auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens (§§ 121, 123 Satz 2, 68 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO). Die Voraussetzungen für die erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV liegen hinsichtlich der Innenhofgestaltung und der Tiefgarage nicht vor.
1. Nach § 82i Abs.1 Satz 1 EStDV in der bis 31. Dezember 1990 geltenden Fassung kann der Steuerpflichtige bei einem Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind und die nach Abstimmung mit der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle (§ 82i Abs.2 EStDV) durchgeführt worden sind, an Stelle der nach § 7 Abs.4 EStG zu bemessenden AfA im Jahr der Herstellung und in den neun folgenden Jahren jeweils 10 v.H. absetzen. Die erhöhten Absetzungen können jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Herstellungskosten durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachgewiesen hat (§ 82i Abs.2 EStDV).
a) Nach Wortlaut und Zielsetzung dieser Vorschrift und der ihr zugrundeliegenden Ermächtigungsnorm des § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.y EStG sind begünstigt nur Herstellungskosten an als Baudenkmal geschützten, bestehenden Gebäuden, nicht auch Gartenanlagen oder der Wiederaufbau von Gebäuden (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrats, BTDrucks 8/896 S.6, sowie Verordnungsentwurf der Bundesregierung, BRDrucks 222/78 S.17, und Beschlußempfehlung und Bericht des 7.Finanzausschusses, BTDrucks 8/1118 S.6). Der Zweck der Vorschrift, kulturhistorisch wertvolle Gebäude zu erhalten und zu modernisieren, rechtfertigt nicht eine Auslegung, die über die in § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.y EStG vorgegebene Ermächtigung und den Tatbestand des § 82i EStDV hinausgeht, um damit --im Unterschied zu § 10g EStG-- etwa auch Außenanlagen oder den Wiederaufbau und die Neuerrichtung von Gebäuden zu begünstigen.
Die Gestaltung des Innenhofs, einer Außenanlage, und die Neuerrichtung der Tiefgarage, die als selbständiges Gebäude nicht Teil des Denkmals ist, sind danach nicht gemäß § 82i EStDV begünstigt.
b) Entgegen der Ansicht der Vorinstanz folgt eine andere Beurteilung nicht aus der Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde.
Zwar handelt es sich bei der Bescheinigung nach § 82i Abs.2 EStDV um einen Verwaltungsakt, der ein Grundlagenbescheid i.S. der §§ 171 Abs.10, 175 Abs.1 Satz 1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist. Die verbindlichen Feststellungen der Bescheinigung nach § 82i Abs.2 EStDV beschränken sich jedoch auf die Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts, nämlich die Denkmaleigenschaft des Gebäudes, sowie darauf, ob die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Der Grundlagenbescheid i.S. der § 82i Abs.2 EStDV, § 51 Abs.1 Nr.2 Buchst.y Satz 2 EStG ist nur insoweit bindend, als er den Nachweis dieser denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen des § 82i Abs.1 EStDV erbringt (vgl. BTDrucks 8/1118 S.5 sowie BRDrucks 222/78 S.18). Über das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale der steuerlichen Vorschrift haben die Finanzbehörden hingegen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (vgl. Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 7i Rdnr.C 3). Die Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde bindet insoweit weder das FA noch das FG.
Nach diesen Maßstäben hat das FA im Streitfall zu Recht Aufwendungen für Außenanlagen und die neu errichtete Tiefgarage aus den begünstigten Aufwendungen ausgeschieden. Die anderslautende Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde hat insoweit keine Bindungswirkung.
Eine solche Bindungswirkung ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Soweit die Denkmalschutzbehörde über die von ihr zu prüfenden rein denkmalschutzrechtlichen Vorfragen hinaus die übrigen steuerrechtlichen Voraussetzungen des § 82i Abs.1 Satz 1 EStDV unzutreffend bescheinigt hat, läßt ein darauf gegründetes Vertrauen der Kläger das Steuerrechtsverhältnis gegenüber dem FA unberührt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990; vom 12. September 1990 I R 65/86, BFHE 162, 407, BStBl II 1991, 258).
c) Die Vorentscheidung hat schließlich zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des sog. Ensembleschutzes nach § 82i Abs.1 Satz 4 EStDV bejaht.
Zwar können nach § 82i Abs.1 Satz 4 EStDV bei einem Gebäude, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten der Gebäudeteile und Maßnahmen vorgenommen werden, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten Erscheinungsbildes der Gruppe oder Anlage erforderlich sind.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil die Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde ausschließlich die Voraussetzungen des § 82i Abs.1 Satz 1 und 2 EStDV zum Inhalt hat. Auch durch Auslegung der Bescheinigung läßt sich ein Nachweis der Voraussetzungen des Satzes 4 der Vorschrift nicht feststellen. Aus der Bescheinigung ergibt sich kein Anhalt dafür, daß die Aufwendungen für die Tiefgarage als Teil einer nach Landesrecht als Einheit geschützten Gebäudegruppe oder Gesamtanlage zu Herstellungskosten von Gebäudeteilen und Maßnahmen geführt haben, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten Erscheinungsbildes der Gruppe oder Anlage erforderlich waren.
2. Die Vorentscheidung geht von anderen Rechtsgrundsätzen aus. Sie ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG wird die Höhe der von der Bemessungsgrundlage des § 82i EStDV auszunehmenden Aufwendungen für die Tiefgarage und die Innenhofgestaltung festzustellen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 65927 |
BFH/NV 1997, 79 |
BStBl II 1997, 176 |
BFHE 181, 312 |
BFHE 1997, 312 |
BB 1997, 140 (L) |
DB 1997, 139-140 (LT) |
DStR 1997, 150-151 (LT) |
DStRE 1997, 91 (L) |
DStZ 1997, 228 (LT) |
HFR 1997, 312 (L) |
StE 1997, 31 (K) |
StRK, R.4 (LT) |
FR 1997, 106-108 (LT) |
KFR, 1/97, S 127-128 (H 5/1997) (LT) |
NWB 1997, 74 |
BFH/NV BFH/R 1997, 79-81 (LT) |
NJWE-MietR 1997, 118-119 (LT) |