Entscheidungsstichwort (Thema)
Atypisch stille Beteiligung an einer GmbH durch deren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer - Zuständigkeit des Betriebs-FA für Gewerbesteuer-Meßbescheide gegenüber der GmbH & atypisch Still - Klagebefugnis und Beteiligtenfähigkeit der Stillen Gesellschaft und des stillen Gesellschafters - Bindung des BFH an nicht revisibles Landesrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Beteiligt sich der beherrschende Gesellschafter und alleinige Geschäftsführer einer GmbH an dieser auch noch als stiller Gesellschafter mit einer erheblichen Vermögenseinlage unter Vereinbarung einer hohen Gewinnbeteiligung sowie der Verpflichtung, die Belange bestimmter Geschäftspartner persönlich wahrzunehmen, so handelt es sich um eine atypisch stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft).
2. Für den Erlaß der Gewerbesteuermeßbescheide gegenüber der GmbH als Geschäftsinhaberin ist gemäß § 22 Abs.1 i.V.m. § 18 Abs.1 Nr.2 AO 1977 das Betriebs-FA, nicht das Körperschaftsteuer-FA (§ 20 AO 1977) sachlich zuständig.
Orientierungssatz
1. Ausführungen und BFH-Rechtsprechung zur Mitunternehmerstellung des stillen Gesellschafters auch bei Nichtbeteiligung des Stillen an den stillen Reserven und am Geschäftswert.
2. Hat das FA gegen eine GmbH & Still einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide erlassen, so ist eine dagegen erhobene Klage von der GmbH und dem atypischen stillen Gesellschafter erhoben, wenn dieser die Prozeßvollmacht ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH wie als stiller Gesellschafter unterzeichnet hat. Die Klagebefugnis des stillen Gesellschafters rechtfertigt sich durch seine Einbeziehung in das gesonderte und einheitliche Feststellungsverfahren. Die GmbH & Still ist nicht beteiligtenfähig. Hinsichtlich mit der Klage angegriffener Gewerbesteuermeßbescheide kann nur von einer Klageerhebung durch die GmbH ausgegangen werden; diesbezüglich ist auch der stille Gesellschafter nicht beteiligtenfähig (vgl. BFH-Rechtsprechung, auch zur Bekanntgabe und Adressierung der Gewinnfeststellungsbescheide und Gewerbesteuermeßbescheide).
3. Zwar bindet den BFH im allgemeinen die Entscheidung der Vorinstanz über Bestehen und Inhalt nicht revisiblen Landesrechts. Das Revisionsgericht darf auch nicht revisibles Landesrecht grundsätzlich nicht anders auslegen als die Tatsacheninstanz. Das gilt jedoch nicht, wenn der Vorderrichter nicht revisibles Recht angewendet hat, obwohl revisibles Recht anzuwenden war. Dann beruht die Nichtanwendung revisiblen Rechts auf der Verletzung revisibler Rechtssätze. Im Rahmen der Ermittlung der Grenzen revisiblen Rechts ist auch die Auslegung des nicht revisiblen Rechts durch die Vorinstanz zu überprüfen (vgl. BGH-Urteil vom 21.11.1958 IV ZR 107/58; Literatur).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; BewG 1974 § 97 Abs. 1 Nr. 5; GewStG § 2 Abs. 1; AO 1977 §§ 16, 20, 22 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 2, § 125; AO § 73 Abs. 2, § 73a; GewStG § 5; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a; FGO § 48 Abs. 1, §§ 57, 118 Abs. 1 S. 1, § 155; ZPO §§ 549, 562
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) zu 1., eine GmbH, wurde durch notariellen Vertrag vom 4.April 1979 mit einem Stammkapital von 20 000 DM gegründet. Der während des Revisionsverfahrens verstorbene Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu 2, dessen Rechtsnachfolgerin seine Ehefrau, die Revisionsklägerin, ist, hatte eine Stammeinlage von 19 000 DM, die Revisionsklägerin eine von 1 000 DM zu leisten.
Gegenstand des Unternehmens ist die Übernahme von Vertretungen aller Art, insbesondere auf dem ...sektor, vor allem die Fortführung der bisher vom Kläger im Rahmen eines Einzelunternehmens betriebenen Vertretung von ...firmen.
Mit Vertrag vom 28.Februar 1979 wurde der Kläger zum Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Wirkung zum 1.April 1979 bestellt. Er erhielt laut Gesellschaftsvertrag eine monatliche Festvergütung von 10 000 DM, außerdem eine umsatzabhängige Vergütung in Höhe von 15 v.H. der Provisionserlöse abzüglich etwaiger Erlösschmälerungen. Bei der Klägerin waren nur der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer und die Revisionsklägerin beschäftigt.
Ebenfalls mit Vertrag vom 28.Februar 1979 wurde zwischen der Klägerin und dem Kläger eine stille Gesellschaft mit Wirkung zum 1.April 1979 errichtet, an der sich der Kläger als "typisch" stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 45 000 DM und einer Gewinnbeteiligung von 75 v.H. beteiligte. Nach dem Vertrag war der Kläger weder am Vermögen noch am Firmenwert der Gesellschaft beteiligt. Das Unternehmen wurde von der Klägerin "zum gemeinsamen Nutzen und auf gemeinsame Rechnung der Gesellschafter geführt". Ferner wurde vereinbart, daß der stille Gesellschafter an der Geschäftsführung nicht beteiligt sei; die Änderung der Firma und die Sitzverlegung bedurften hiernach nicht seiner Einwilligung, wohl aber die Einstellung, Aufgabe, Verpachtung, Veräußerung und Übertragung des Unternehmens. Als Dauer der Gesellschaft wurden zunächst 14 Jahre vereinbart, die sich im Nichtkündigungsfall um jeweils zwei weitere Jahre verlängern sollte. Der Auseinandersetzungsanspruch des stillen Gesellschafters beschränkte sich auf die Rückzahlung der Einlage und die entstandenen noch nicht ausgezahlten Gewinnanteile. Stille Reserven und ein Geschäftswert seien nicht zu berücksichtigen. Nach Nr.7 des Vertrags bleiben Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Anlagegütern, sofern der Veräußerungspreis 10 000 DM übersteigt, außer Ansatz. Entsprechendes gilt für Gewinne und Verluste aufgrund von Entnahmen oder Zerstörungen von Anlagegütern. Nr.13 des Vertrages lautet: "Der stille Gesellschafter wird sich bemühen, die zwischen dem von ihm geführten Einzelunternehmen und verschiedenen Unternehmen bestehenden Vertretungsverträge auf die GmbH zu übertragen. Für diese Leistung kann der stille Gesellschafter keine gesonderte Vergütung verlangen. Die Vergütung ist durch seine Ertragsbeteiligung abgegolten".
Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum 1979 bis 1981 wurde festgestellt, daß der Kläger zum 1.April bzw. 4.April 1979 sämtliche Aktiva und Passiva seines Einzelunternehmens mit Ausnahme des eigengewerblich genutzten Grundstücksanteils auf die GmbH übertragen hat. Ferner stellte der Prüfer fest, daß zwar sämtliche fünf ...vertretungen auf die Klägerin übertragen worden waren, seitens der Firma A jedoch nur mit der Maßgabe, daß sie an die Person des Klägers gebunden sei und erlösche, wenn die Interessen des Geschäftsherrn nicht mehr vom Kläger persönlich wahrgenommen würden (Vereinbarung vom 25.Oktober 1978). Die Firma B GmbH willigte in die Übertragung nur ein, wenn vom Kläger vertraglich erklärt würde, daß die Vertretung dem Kunden gegenüber von ihm persönlich wahrgenommen werde; andernfalls sollte der Geschäftsherr zur fristlosen Kündigung berechtigt sein (Vertragsergänzung vom 29.Januar 1979). Auch im Zustimmungsvertrag mit der Firma C wurde davon ausgegangen, daß die Klägerin nur in der Person des Klägers bestehe (Vereinbarung vom 1.September 1978). Der Prüfer sah den Kläger nach dem Gesamtbild als Mitunternehmer an.
Dem folgte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA-- München V) und erließ dementsprechend für die Jahre 1979 bzw. 1980 bis 1986 Gewinnfeststellungsbescheide, Feststellungsbescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens und Gewerbesteuermeßbescheide. Die Gewinnfeststellungsbescheide wurden an die "Firma D ...vertretungen GmbH & atypisch stille Gesellschaft" gerichtet - in der Anlage wurden die Klägerin und der Kläger mit ihren Anteilen aufgeführt - und an den Kläger bekanntgegeben. Die Bescheide über die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens wurden an die Firma ...vertretungen GmbH atypisch stille Gesellschaft adressiert und dem Kläger bekanntgegeben. Während die Gewerbesteuermeßbescheide 1979 bis 1981 an die D ...vertretungen GmbH atypische stille Gesellschaft gerichtet und dem Kläger bekanntgegeben wurden, hat das FA die Gewerbesteuermeßbescheide 1982 und 1984 bis 1986 allein an die Klägerin adressiert und dem Kläger bekanntgegeben.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren von der "D ...beteiligungen GmbH & Still" erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit gegen die Klägerin und den Kläger erlassenem Urteil, hinsichtlich der Gewinnfeststellungen und Einheitswertfeststellungen für das Betriebsvermögen als unbegründet ab, gab ihr jedoch hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbeträge wegen Nichtigkeit der Bescheide statt. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Gewinnfeststellungsbescheide und Einheitswertbescheide über die Anteile am Betriebsvermögen seien vom FA zutreffend bekanntgegeben worden und träfen auch materiell- rechtlich zu. Der Kläger sei Mitunternehmer, nämlich atypisch stiller Gesellschafter der Klägerin, da er Mitunternehmerinitiative habe entfalten können und auch ein Mitunternehmerrisiko getragen habe, wie im einzelnen ausgeführt wird.
Dagegen seien sämtliche Gewerbesteuermeßbescheide nichtig. Für 1979 bis 1981 habe das FA die Bescheide zu Unrecht an die atypische stille Gesellschaft bekanntgegeben, obwohl nur die Klägerin als Inhaberin des Handelsgeschäfts ein gewerbliches Unternehmen betreibe. Diese Bescheide seien daher nach § 119 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 125 Abs.1 AO 1977 nichtig. Dasselbe gelte für die Gewerbesteuermeßbescheide 1982, 1984 bis 1986. Zwar seien diese Bescheide an die Klägerin bekanntgegeben worden. Inhaltlich richteten sie sich jedoch auch an die Mitunternehmerschaft, da die in Bezug genommene Außenprüfung die atypisch stille Gesellschaft betroffen habe. Selbst wenn aber das FA die Klägerin habe erfassen wollen, sei es für den Erlaß dieser Bescheide sachlich (funktionell) nicht zuständig gewesen. Nach der Anlage zur Finanzamts-Zustellungsverordnung (FAZustV) des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 11.April 1973 (BStBl I 1973, 470) sei für die Besteuerung von Körperschaften das FA München für Körperschaften zuständig. Ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit mache den Bescheid unwirksam.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger hinsichtlich der Gewinnfeststellungs- und Einheitswertbescheide, das FA hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbescheide die vom FG zugelassene Revision eingelegt.
Die Kläger rügen Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die Voraussetzungen einer atypischen stillen Gesellschaft verkannt.
Die Kläger beantragen, die gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide 1980 bis 1986 sowie die Einheitswertbescheide des Betriebsvermögens auf den 1.Januar 1980, 1.Januar 1983, 1.Januar 1985 bis 1.Januar 1987, die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen und das FG-Urteil insoweit aufzuheben, als es diese Bescheide betrifft.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA hat die hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbescheide 1979 bis 1981, 1982, 1984 bis 1986 eingelegte Revision für die Streitjahre 1979 bis 1981 wieder zurückgenommen. Es rügt mit seiner Revision Verletzung des § 2 Abs.1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. §§ 22 Abs.1, 18 Abs.1 Nr.2 AO 1977.
Das FA beantragt, zum Teil sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben, soweit es die Gewerbesteuermeßbescheide 1982 und 1984 bis 1986 betrifft, und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Revision des FA führt hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbescheide 1982 sowie 1984 bis 1986 zur Aufhebung des FG-Urteils und Klageabweisung (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
Das Rubrum des FG-Urteils war dahingehend zu berichtigen, daß sich die Klage des Klägers zu 2 nicht gegen die Gewerbesteuermeßbescheide gerichtet hat.
I. Revision der Kläger
1. Hinsichtlich der insoweit streitigen Gewinnfeststellungsbescheide hat das FG zutreffend ausgeführt, daß die Klage entgegen dem Wortlaut der Klageschrift nicht durch die nichtbeteiligtenfähige GmbH & Still, sondern durch die GmbH als Klägerin und den stillen Gesellschafter als Kläger erhoben wurde (vgl. Senatsentscheidungen vom 12.November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311; vom 24.November 1988 VIII B 90/87, BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145; vom 11.April 1989 VIII R 302/84, BFHE 157, 275, BStBl II 1989, 697, und vom 13.Juni 1989 VIII R 47/85, BFHE 157, 192, BStBl II 1989, 720). Die Klagebefugnis des Klägers zu 2 rechtfertigt sich durch seine Einbeziehung in das gesonderte und einheitliche Feststellungsverfahren als atypischer stiller Beteiligter (Senatsurteil vom 10.Juli 1991 VIII R 241/80, BFH/NV 1992, 171). Das FG hat die Klageerhebung auch durch den stillen Gesellschafter zutreffend insbesondere daraus gefolgert, daß der Kläger zu 2 die Prozeßvollmacht ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin wie als stiller Gesellschafter unterzeichnet hat.
2. Die Revision der Klägerin zu 1 und der Revisionsklägerin gegen die Vorentscheidung ist zulässig, jedoch unbegründet.
a) Die Bekanntgabe der Gewinnfeststellungsbescheide ist, wie vom FG dargelegt und mit der Revision nicht angefochten, rechtswirksam (vgl. Senatsurteil in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, Ziff.II. der Gründe).
b) Das FG hat mindestens im Ergebnis rechtsfehlerfrei die Mitunternehmereigenschaft des Klägers i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als atypischer stiller Gesellschafter bejaht.
Mit dem FG und den Beteiligten ist davon auszugehen, daß hier eine stille Gesellschaft bürgerlich-rechtlich und ertragsteuerlich wirksam begründet worden ist. Es ist auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seit langem anerkannt, daß sich der Gesellschafter einer GmbH an dieser still beteiligen kann (vgl. Urteile vom 8.August 1979 I R 82/76, BFHE 128, 457, BStBl II 1979, 768, Ziff.I.1. der Gründe; vom 6.Februar 1980 I R 50/76, BFHE 133, 268, BStBl II 1980, 477, und vom 21.Juni 1983 VIII R 237/80, BFHE 138, 458, BStBl II 1983, 563).
Wie der erkennende Senat im Grundsatzurteil in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, 314 (Ziff.III. der Gründe) im Anschluß an die ständige Rechtsprechung ausgeführt hat, ist der stille Gesellschafter (§ 230 des Handelsgesetzbuches --HGB-- n.F., § 335 HGB a.F.) Mitunternehmer, wenn er zusammen mit anderen Personen eine Unternehmerinitiative entfalten kann und ein Unternehmerrisiko trägt. Er muß den Rechten eines Kommanditisten vergleichbare Befugnisse und --regelmäßig-- bei Beendigung der Gesellschaft einen Anspruch auf Beteiligung am tatsächlichen Zuwachs des Gesellschaftsvermögens unter Einschluß der stillen Reserven und eines Geschäftswerts haben. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Beteiligung an den stillen Reserven aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn der stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, der zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist, als solcher auch die Geschäfte der KG führt. Denn in einem solchen Falle ist die Möglichkeit zur Entfaltung der Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt (Urteil vom 20.November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336). Ebenso entschied der Senat für den alleinigen Anteilseigner und Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, der außerdem an der GmbH & Co. KG still beteiligt war und als GmbH- Geschäftsführer auch die Geschäfte der GmbH & Co. KG führte, daß eine atypische stille Gesellschaft selbst dann vorliege, wenn der Stille weder am Verlust noch an den stillen Reserven noch am Geschäftswert der KG beteiligt sei (Urteil vom 11.Dezember 1990 VIII R 122/86, BFHE 163, 346).
Diese Grundsätze können auch bei einer stillen Beteiligung an einer GmbH durch deren Gesellschafter-Geschäftsführer zum Tragen kommen. Denn es steht schon handelsrechtlich außer Frage, daß eine atypische stille Gesellschaft nicht nur bei Beteiligung des Stillen am Unternehmensvermögen, sondern auch bei Verleihung von Geschäftsführungsbefugnissen an den Stillen möglich ist (vgl. K.Schmidt in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 5.Aufl. § 335 --§ 230 n.F.--, Rdnr.67, 71, sowie Zutt in Staub, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 4.Aufl., § 230 Rdnr.31, m.w.N.). Der BFH hat bereits im Urteil vom 28.Januar 1982 IV R 197/79 (BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389) die Mitunternehmerschaft des stillen Gesellschafters darauf gestützt, daß er wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens und damit auch seine eigene Erfolgsbeteiligung Einfluß nehmen kann. Soweit die Kläger unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 25.Juni 1981 IV R 61/78 (BFHE 134, 261, BStBl II 1982, 59) die Annahme einer atypischen stillen Gesellschaft zwingend von der Beteiligung des Stillen an den stillen Reserven und am Geschäftswert abhängig machen wollen, kann dem nicht gefolgt werden; das Urteil ist insoweit im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung einschränkend zu interpretieren. Im übrigen hat der BFH das zu einem ähnlichen Fall ergangene und eine Mitunternehmerschaft des Stillen bejahende Urteil des FG Münster vom 25.Februar 1986 X 7530/82 F (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 23) bereits durch nicht veröffentlichten Beschluß vom 23.Oktober 1989 IV R 48/86 gemäß Art.1 Nr.7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) bestätigt.
Geht man hiervon aus, so ist im vorliegenden Fall eine atypische stille Gesellschaft schon deshalb anzunehmen, weil der Kläger als Geschäftsführer der Klägerin, deren Stammkapital mehrheitlich von ihm stammt, und durch die stille Beteiligung an ihr so viel Befugnisse und tatsächliche Möglichkeiten zur Entfaltung von Unternehmerinitiative in sich vereinigt hat, daß seine Stellung als die eines Mitunternehmers gewertet werden muß.
Außerdem hat die Vorinstanz rechtsfehlerfrei zusätzliche für die Mitunternehmerstellung sprechende Gesichtspunkte angeführt, insbesondere hervorgehoben, daß hier der Kläger persönlich über seine Geschäftsführerstellung hinaus weitere unternehmerische Aktivitäten entfalten mußte, weil drei der bisher von ihm als Einzelunternehmer vertretenen Firmen der Übertragung der Vertretungsverträge auf die Klägerin nicht zugestimmt hatten. Insoweit war zwischen dem Kläger und der Klägerin eine Arbeitsteilung unumgänglich; der Bundesgerichtshof (BGH) hat wiederholt (so im Urteil vom 18.Oktober 1965 II ZR 232/63, Der Betrieb --DB-- 1966, 187; Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1966, 29, 30) eine Tätigkeit des Stillen nur in einem bestimmten Geschäftsführungsbereich anerkannt (vgl. auch K.Schmidt, a.a.O*). In diesem Zusammenhang hat das FG auch Nr.13 des Vertrags über die stille Beteiligung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgelegt. Die Angriffe der Kläger hiergegen lassen weder Verstöße gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze erkennen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 118 Rdnr.17, m.w.N.).
Hinsichtlich des Unternehmerrisikos hat das FG zunächst rechtsfehlerfrei --von der Revision unangefochten-- das Haftungsrisiko des Klägers aufgrund seiner Hauptbeteiligung am Stammkapital der Klägerin und aufgrund seiner verhältnismäßig hohen stillen Vermögenseinlage betont (vgl. auch BFH-Urteil vom 10.August 1978 IV R 54/74, BFHE 126, 185, 188, BStBl II 1979, 74). Soweit das FG auch eine begrenzte Beteiligung des Klägers an den stillen Reserven aufgrund Nr.7 des Gesellschaftsvertrags angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung, ob diese Vertragsklausel in der Vorentscheidung unzutreffend interpretiert sein könnte, wie die Revision meint. Denn diese Beteiligung an den stillen Reserven ist nach der oben zitierten BFH-Rechtsprechung nicht zwingend erforderlich, zumal hier die Möglichkeit zur Entfaltung von Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt war.
Mithin mußte der Revision der Klägerin und der Revisionsklägerin gegen das FG-Urteil hinsichtlich der Gewinnfeststellungsbescheide der Erfolg versagt bleiben.
3. Entsprechendes gilt gemäß § 97 Abs.1 Nr.5 des Bewertungsgesetzes (BewG) für die Revision, soweit sie sich auf die Einheitswertbescheide für das gewerbliche Betriebsvermögen auf den 1.Januar 1980, 1.Januar 1983 sowie 1.Januar 1985 bis 1.Januar 1987 bezieht.
II. Revision des FA
1. Hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbescheide 1979 bis 1981 ist das Verfahren beendet, seitdem das FA die Revision insoweit zurückgenommen hat (§ 125 FGO).
2. Die für die Streitjahre 1982 und 1984 bis 1986 aufrechterhaltene Revision greift insoweit schon aus formellen Gründen durch, als das FG zu Unrecht von der Klagebefugnis des Klägers auch gegen die Gewerbesteuermeßbescheide ausgegangen ist. Denn der atypisch stille Gesellschafter kann nicht Beteiligter eines finanzgerichtlichen Verfahrens sein, das die Gewerbesteuer betrifft (Senatsbeschluß in BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145, Ziff.1. der Gründe). Das FG hätte daher hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbescheide nur von einer Klageerhebung durch die Klägerin ausgehen dürfen. Das Rubrum der Vorentscheidung war entsprechend zu ändern (vgl. auch Senatsurteil vom 7.Juli 1992 VIII R 24/91, nicht veröffentlicht --NV--, Ziff.2 der Gründe).
3. In der Sache selbst hat das FG die Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre rechtsfehlerhaft als nichtig erachtet.
a) Gemäß § 125 Abs.1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Entgegen der Vorentscheidung läßt sich ein offenkundig besonders schwerwiegender Fehler weder aus der Adressierung der strittigen Bescheide noch aus der Zuständigkeitsfrage herleiten.
Die Adressierung der Gewerbesteuermeßbescheide 1982 sowie 1984 bis 1986 allein an die Klägerin trägt der Rechtsprechung des Senats seit den Urteilen in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 und vom 12.November 1985 VIII R 414/83 (BFH/NV 1987, 393) Rechnung. Durch die in der Begründung der Bescheide enthaltene Bezugnahme auf die gegenüber der GmbH & Still durchgeführte Außenprüfung hat sich an der zutreffenden Bekanntgabe nichts geändert.
Soweit das FG seine Annahme der Nichtigkeit auf die angeblich sachliche Unzuständigkeit des beklagten FA stützt, kann jedenfalls von einem offenkundigen Fehler keine Rede sein (vgl. BFH-Urteil vom 23.April 1986 I R 178/82, BFHE 147, 125, BStBl II 1986, 880 zur Verletzung von § 184 Abs.3 AO 1977 unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.September 1982 8 C 138.81, BVerwGE 166, 178, 182).
b) Die vom FG für die Nichtigkeit herangezogenen Gründe lassen die Bescheide auch nicht als rechtswidrig erscheinen. Vielmehr verletzt die Aufhebung dieser Bescheide durch das FG § 22 i.V.m. § 18 Abs.1 Nr.2 AO 1977, wonach das beklagte FA als Betriebs-FA für den Erlaß der Bescheide örtlich und damit grundsätzlich auch sachlich zuständig war (§ 16 AO 1977 i.V.m. § 17 Abs.2 Satz 1 des Finanzverwaltungsgesetzes --FVG--).
Nach § 22 Abs.1 AO 1977 ist für die Festsetzung der Steuermeßbeträge bei der Gewerbesteuer das Betriebs-FA (§ 18 Abs.1 Nr.2 AO 1977) örtlich zuständig, also das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Gewerbebetriebs befindet. Diese Zuständigkeitsregelung bestimmt die Zuständigkeit desselben FA sowohl für die gesonderte Feststellung als auch für die Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge. Bei einer GmbH & Still ist dies das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der GmbH befindet. Für eine Zuständigkeit des Körperschaftsteuer-FA i.S. des § 20 AO 1977 auch für die Gewerbesteuermeßbescheide ist daneben kein Raum. Denn § 22 AO 1977 stellt eine abschließende Spezialregelung für die Realsteuern dar. Die Zuständigkeitsvorschriften der AO 1977 für den Erlaß von Steuerbescheiden knüpfen wie die Vorläuferbestimmungen der Reichsabgabenordnung (AO) an die A r t der zu veranlagenden Steuern an. In § 73a Abs.1 AO, dem Vorgänger der §§ 19 und 20 AO 1977, war in einem Klammerzusatz ausdrücklich klargestellt, daß sich die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung nach dem Einkommen und dem Vermögen "(ausschließlich der Besteuerung nach den Vorschriften über die Realsteuern ...)" der Steuerpflichtigen bestimmt. Daran hat sich durch die Regelung der AO 1977 nichts geändert (vgl. die Begründung zu § 24 des Regierungsentwurfs der AO 1977, wiedergegeben in AO 1977, Materialien der AO, herausgegeben durch K.H. Mittelsteiner und Schaumburg, 2.Aufl., § 22 AO 1977). Ebensowenig wie das Körperschaftsteuer-FA für die Gewinnfeststellung und die Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge gegenüber einer GmbH & Co. KG zuständig ist (vgl. auch Senatsurteil vom 29.Oktober 1991 VIII R 2/86, BFHE 167, 316, BStBl II 1992, 832, Ziff.3 der Gründe), kann dies für die Mitunternehmerschaft gelten, die durch eine GmbH & atypisch Still begründet wird. Ferner erscheint es aus Praktikabilitätsgründen als nächstliegend, daß ein und dasselbe FA die gesonderte Feststellung für eine Personengesellschaft einschließlich einer atypischen stillen Gesellschaft und die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags vornimmt, während sich die Zuständigkeit des Körperschaftsteuer-FA insbesondere wegen der mit der Körperschaftsteuer verbundenen Spezialfragen auf die Festsetzung dieser Steuerart und der Vermögensteuer beschränkt.
Die Vorinstanz läßt die Regelung der §§ 22 und 18 Abs.1 Nr.2 AO 1977 zu Unrecht außer acht, wenn sie davon ausgeht, daß die in der Bayerischen FAZuStV vom 11.April 1973 (BStBl I 1973, 470) enthaltene Ausdehnung der sachlichen Zuständigkeit des FA München für Körperschaften auf den Bezirk aller Münchner FÄ auch die Gewerbesteuer für die GmbH & atypisch Still umfasse. Jedenfalls läßt sich aus der Vorentscheidung nicht entnehmen, daß und ggf. weshalb diese auf § 17 Abs.1 FVG gestützte Landes-Verordnung an der sachlichen Zuständigkeitsregelung der §§ 73 Abs.2, 73a AO, die mit §§ 18 bis 22 AO 1977 übereinstimmt, zur Realbesteuerung Änderungen vorgenommen hätte. Diese Verordnung setzt vielmehr auch insoweit die Besteuerung entsprechend den Zuständigkeitsvorschriften der Abgabenordnung voraus.
Dies auszusprechen ist der Senat nicht durch § 118 Abs.1 Satz 1 FGO gehindert, wonach Gegenstand des Revisionsverfahrens nur die Verletzung von Bundesrecht ist. Zwar bindet den BFH (§ 155 FGO i.V.m. §§ 549, 562 der Zivilprozeßordnung --ZPO--) im allgemeinen die Entscheidung der Vorinstanz über Bestehen und Inhalt nicht revisiblen Landesrechts. Das Revisionsgericht darf auch nicht revisibles Landesrecht grundsätzlich nicht anders auslegen als die Tatsacheninstanz. Das gilt jedoch nicht, wenn der Vorderrichter nicht revisibles Recht angewendet hat, obwohl revisibles Recht anzuwenden war. Dann beruht die Nichtanwendung revisiblen Rechts auf der Verletzung revisibler Rechtssätze (vgl. G.F. Rössler in Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2.Aufl., § 562 ZPO Anm.B I b). Im Rahmen der Ermittlung der Grenzen zum revisiblen Recht ist auch die Auslegung des nicht revisiblen Rechts durch die Vorinstanz zu überprüfen (BGH-Urteil vom 21.November 1958 IV ZR 107/58, BGHZ 28, 375, 381; Rössler, a.a.O.). So liegt es hier.
4. Auch diese Revision ist spruchreif, da die Klägerin die Gewerbesteuermeßbescheide, abgesehen von den Streitpunkten der Bekanntgabe und dem Vorliegen einer atypischen stillen Gesellschaft, nicht angegriffen hat. Ihre Klage war auch insoweit als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64425 |
BFH/NV 1993, 39 |
BStBl II 1994, 702 |
BFHE 170, 345 |
BFHE 1993, 345 |
BB 1993, 1194 |
BB 1993, 1194-1196 (LT) |
DB 1994, 2114 (L) |
HFR 1993, 520 (LT) |
StE 1993, 292 (K) |