Leitsatz (amtlich)
Auf Zuckersirup ist § 7 Abs. 2 Ziff. 1 UStG 1951 nicht anzuwenden.
Normenkette
UStG 1951 § 7 Abs. 2 Ziff. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) stellt Zuckersirup nach ihrer Angabe in der Weise her, daß sie jeweils eine bestimmte Menge festen Zuckers in einer bestimmten Menge von Wasser auflöst. Streitig ist, ob dieser flüssig gemachte Zucker als Zucker im Sinne des § 7 Abs. 2 Ziff. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1951 anzusehen ist und seine Lieferung demgemäß dem ermäßigten Umsatzsteuersatze von 3 v. H. unterliegt.
Das Finanzgericht hat den Standpunkt vertreten, daß nach dem Sprachgebrauche nur der feste Zucker als "Zucker" bezeichnet werden könne. Auch die übrigen im § 7 Abs. 2 Ziff. 1 UStG 1951 genannten und für die Steuervergünstigung in Betracht kommenden Nahrungsmittel seien solche, die sich in einem für den Endverbraucher bestimmten Zustande befänden. Zucker in flüssiger Form werde aber üblicherweise nicht an Endverbraucher, sondern zur weiteren Verarbeitung abgegeben. Auch die Begriffsbestimmung des Zuckersteuergesetzes für Zucker spreche nicht zugunsten der Bfin. Endlich sei weder der Hinweis auf die Bewirtschaftungsbestimmungen noch auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Steuersatzes von 4 v. H. geeignet, den Fall im Sinne der Bfin. zu entscheiden.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird geltend gemacht, es könne nicht auf den Sprachgebrauch ankommen, sondern darauf, was nach gesundem Menschenverstand als "Zucker" anzusehen sei, und was der Gesetzgeber mit der Steuervergünstigung beabsichtigt habe. Nicht entscheidend sei der Zustand, in dem sich die begünstigten Nahrungsmittel befänden. Der Industriezucker übersteige mengenmäßig den unverarbeiteten an die Verbraucher gelangenden Zucker und genieße dennoch die Steuervergünstigung, ebenso wie Fette und Öle zur Margarineherstellung. Es sei nicht einzusehen, warum Zucker bei der Lieferung an eine Marzipanfabrik dem geringeren Umsatzsteuersatze unterliegen solle, flüssiger Zucker zur Herstellung von Limonaden hingegen nicht. Das Zukkersteuergesetz lasse als Zucker den aus Rüben gewonnenen festen und flüssigen Zucker gelten, der flüssige Zucker sei also dem festen gleichgestellt. Überdies dürfe sich ein Betrieb, der aus festem Zucker flüssigen herstelle, als "Zuckerherstellungsbetrieb" anmelden. Der allgemeine Umsatzsteuersatz von 4 v. H. führe zu der unerwünschten Auswirkung, daß kleine, Zwischenprodukte herstellende Betriebe eingingen oder zu Nebenbetrieben ihrer großen Lieferanten oder Kunden würden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
§ 7 Abs. 2 Ziff. 1 UStG 1951, der für Lieferungen bestimmter Nahrungsmittel einen gegenüber dem allgemeinen Steuersatze von 4 v. H. günstigeren Steuersatz von 3 v. H. vorsieht, stellt eine Ausnahmevorschrift dar. Wenn dabei außer Frischmilch, Nahrungsfetten, Grieß und Teigwaren auch der Zucker berücksichtigt ist, so kann darunter nur der Zucker gemeint sein, der nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als solcher bezeichnet wird; denn sonst hätte der Gesetzgeber die Vorschrift auch auf Zuckerlösungen ausgedehnt. Flüssig gemachter Zucker wird jedoch im Handel niemals dem festen Zucker gleichgeachtet, sondern als Zuckerlösung oder Zuckersirup oder ähnlich schon sprachlich von dem unterschieden, was als "Zucker" bezeichnet und worunter auch von jedem Laien immer nur fester Zucker, in Stücken oder gemahlen, verstanden wird.
Daß Lieferungen von festem Industriezucker, z. B. für die Marzipanherstellung, dem ermäßigten Steuersatze unterliegen, Lieferungen von flüssigem Zucker für die Limonadenherstellung hingegen nicht, bedeutet keinen Widerspruch in sich, sondern bewegt sich in den dem Umsatzsteuergesetz allgemein zugrunde liegenden Gedankengängen. Bearbeitungen und Verarbeitungen von Gegenständen sind Vorgänge, die sich umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich ungünstig auswirken; sie liegen vor, wenn die Wesensart eines Gegenstandes geändert wird, wenn also ein neues Verkehrsgut, ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit, entsteht (§ 12 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz -- UStDB --). Insoweit, als die Herstellung von flüssigem Zucker einen Gegenstand anderer Marktgängigkeit schafft, der sich von dem, was als "Zucker" bezeichnet wird, unterscheidet, berühren sich diese Gesetzesbestimmungen, wenn sie sonst auch von ganz verschiedenen Blickpunkten ausgehen.
Wieder von völlig anderen Voraussetzungen geht das Zuckersteuergesetz aus. Es muß, schon um Steuerumgehungen zu vermeiden, flüssigen Zucker dem festen gleichsetzen. Deshalb kann die durch das Zuckersteuergesetz getroffene Regelung für die Umsatzsteuer nicht maßgebend sein. Gleiches gilt für die Bezeichnung, die sich Herstellungsbetriebe von flüssigem Zucker beilegen dürfen.
Die Rb. ist nach alledem zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1953, 84 |
BFHE 1954, 216 |