Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für sog. Testessen

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen eines Spitzengastronomen für sog. Testessen stellen grundsätzlich keine Betriebsausgaben dar.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren (1984 bis 1986) Inhaber eines sog. "Gourmet"-Restaurants. Er ist gelernter Koch und Hotelkaufmann. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), seine Ehefrau, war bei ihm als Vollzeitkraft angestellt. Sie beaufsichtigte die Servicetätigkeit, beriet die Kunden bei Weinbestellungen und half beim Servieren. Sie war ferner verantwortlich für die Gestaltung des Restaurants und nahm die Grundaufzeichnungen für die Buchführung vor.

Im Rahmen einer die Streitjahre umfassenden Außenprüfung wurde festgestellt, daß der Kläger Aufwendungen für Restaurantbesuche als Betriebsausgaben gebucht hatte. Der Betriebsausgabenabzug war damit begründet worden, daß es sich bei den Restaurantbesuchen um sog. "Testessen" gehandelt habe, um das Angebot von Konkurrenzbetrieben zu prüfen und Anregungen für die Zusammenstellung und Zubereitung von Gerichten, den Service sowie das "Ambiente" zu sammeln. An den "Testessen" nahmen -- allein oder in Gruppen unterschiedlicher Zusammensetzung -- der Kläger, die Klägerin, der Restaurantchef und der Chefkoch teil. Die häufigsten "Testessen" führte der Kläger durch. Mit einer Ausnahme nahm die Klägerin nur an solchen Essen teil, an denen sonst nur noch der Kläger beteiligt war. Die allein auf die Kläger entfallenden Aufwendungen betrugen im Jahr 1984 ... DM, im Jahr 1985 ... DM und im Jahr 1986 ... DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte -- der Außenprüfung folgend -- die für die "Testessen" aufgewandten Kosten nicht als Betriebsausgaben an. Die gegen die auch insoweit geänderten Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986 sowie die geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheide 1984 bis 1986 eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, daß es die auf den Restaurantchef und den Chefkoch entfallenden Bewirtungskosten für das Streitjahr 1986 als Betriebsausgaben anerkannte. Hinsichtlich der auf die Kläger entfallenden Aufwendungen war es der Auffassung, daß diese nicht ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich veranlaßt gewesen seien. Es handele sich bei diesen Aufwendungen um solche für die Ernährung, die grundsätzlich als Kosten der privaten Lebensführung anzusehen seien und deshalb auch dann nicht steuerlich berücksichtigt werden könnten, wenn sie durch die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen veranlaßt oder für seinen Beruf förderlich gewesen seien. Die Nahrungsaufnahme diene immer der Lebensführung, die Aufwendungen hierfür seien deshalb vom Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen (§ 12 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --), und zwar wegen des sog. Aufteilungsverbots auch dann, wenn im Einzelfall ein betrieblicher Anlaß mit "hineinspielen" sollte. Eine Ausnahme gelte lediglich für Verpflegungsmehraufwendungen. Ein solcher Ausnahmefall sei hier jedoch nicht gegeben, denn die Kläger begehrten den Abzug der gesamten Aufwendungen.

Ein Abzug der geltend gemachten Kosten komme nicht in Betracht, da die "Testessen" privat (mit)veranlaßt gewesen seien. Für den Besuch von Gaststätten der Spitzengastronomie sei dies um so eher zu vermuten, als die private Lebensführung nicht nur wegen des Essens an sich, sondern auch deshalb berührt werde, weil dem Gast in diesen Restaurants auch ein besonderes, nicht alltägliches Erlebnis geboten werde. Soweit Aufwendungen für gemeinsame Restaurantbesuche der Kläger zu beurteilen seien, ergebe sich ein privater Bezug zusätzlich aus der Mitnahme des Ehegatten. Daß die Klägerin in dem Betrieb des Klägers als Mitarbeiterin angestellt sei, schließe einen privaten Bezug nicht aus. Die Anhaltspunkte, die für eine private Mitveranlassung der Besuche sprächen, seien so gewichtig, daß ihnen eine nur untergeordnete Bedeutung nicht beigemessen werden könne.

Es sei zwar nicht auszuschließen, daß die strittigen Aufwendungen auch durch Gründe des Betriebsvergleichs, also betrieblich veranlaßt seien. Der betriebliche Anlaß sei jedoch nicht so gewichtig, daß eine Berücksichtigung der Kosten in Betracht kommen könnte. Grundsätzlich verbiete § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG die Aufteilung von Aufwendungen für die private Lebensführung und damit den Abzug eines beruflich bedingten Teils als Betriebsausgabe, es sei denn, daß objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichten und der berufliche Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung sei (Hinweis auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, und vom 6. Juli 1989 IV R 91--92/87, BFHE 158, 221, BStBl II 1990, 49). Da solche objektiven Merkmale und Unterlagen im Streitfall eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung der der privaten Lebensführung zuzurechnenden Aufwendungen in einen privat und einen beruflich bedingten Teil nicht ermöglichten, seien die Aufwendungen in voller Höhe vom Betriebsausgabenabzug auszuschließen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen unter Darlegung ihres beruflichen Werdegangs im wesentlichen vor, daß ihre Kenntnisse nicht ausgereicht hätten, ein "Gourmet"-Restaurant zu führen. Sie seien darauf angewiesen gewesen, sich die entsprechenden Kenntnisse im Laufe der Zeit anzueignen, und hätten daher andere Restaurants entsprechenden Formats, aber auch solche ihrer Mitbewerber im heimischen Raum aufgesucht, um sich fortzubilden und die Qualität ihres Restaurants zu verbessern, was ihnen auch gelungen sei. Die Aufwendungen für die "Testessen" seien daher ausschließlich betrieblich veranlaßt gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat zu Recht die Aufwendungen der Kläger für die Restaurantbesuche nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen.

Nach § 4 Abs. 4 EStG ist für die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben entscheidend, daß sie objektiv durch die besonderen betrieblichen Gegebenheiten des Steuerpflichtigen veranlaßt sind (Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Liegen diese Voraussetzungen vor, so können die Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns grundsätzlich abgezogen werden.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die aus betrieblichem Anlaß erwachsenen Kosten zugleich Aufwendungen für die Lebensführung darstellen. Dienen Aufwendungen des Steuerpflichtigen sowohl der Lebensführung als auch dem Betrieb (Beruf), so besteht nach der Rechtsprechung des BFH (siehe insbesondere die Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) für sie ein Aufteilungs- und Abzugsverbot. Solche gemischten Aufwendungen gehören grundsätzlich zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Dabei macht es entgegen der Ausnahme der Kläger keinen Unterschied, ob es sich dabei um Aufwendungen für ein Wirtschaftsgut oder um solche für Dienstleistungen handelt, wie die vorgenannten Beschlüsse zeigen.

Eine Ausnahme läßt die Rechtsprechung allerdings in den Fällen zu, in denen die betriebliche Veranlassung für die Aufwendungen bei weitem überwiegt und das Hineinspielen der Lebensführung nicht ins Gewicht fällt und von ganz untergeordneter Bedeutung ist.

Hiervon ausgehend sind die Verzehrkosten, die die Kläger für die Restaurantbesuche aufgewendet haben, nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Denn Kosten für die Ernährung des Steuerpflichtigen und seiner Familienangehörigen sind immer privat mitveranlaßt, weil Essen notwendige Voraussetzung für die menschliche Existenz ist. Selbst wenn man dem Vortrag der Kläger folgt, daß die Restaurantbesuche allein den Zweck hatten, sich die speziellen Kenntnisse für die Führung eines Restaurants der gehobenen Klasse anzueignen, drängt dieses Informationsbedürfnis den privaten Anlaß der Aufwendungen, nämlich die Nahrungsaufnahme, nicht derart in den Hintergrund, daß er nicht ins Gewicht fiele. Die Einnahme einer Mahlzeit in dem aufgesuchten Restaurant ersetzt -- ungeachtet der möglichen Motive -- eine häusliche Mahlzeit. Auch der Einwand, man habe ebensogut im eigenen Betrieb essen können, spricht nicht gegen die Tatsache, daß die Einnahme einer Mahlzeit zu dem entsprechenden Zeitpunkt erforderlich war, um einem natürlichen Grundbedürfnis nachzukommen. Eine zu vernachlässigende untergeordnete Bedeutung kann daher den Aufwendungen nicht beigemessen werden. Daß die Restaurantbesuche in nicht unerheblichem Maße auch von privaten Motiven beeinflußt waren, ergibt sich auch aus der Art der aufgesuchten Restaurants und der -- zumindest teilweisen -- Begleitung des anderen Ehegatten.

Auch unter dem Gesichtspunkt der reinen Fortbildungskosten führen die Aufwendungen nicht zu einem Betriebsausgabenabzug. Besuche in sog. "Gourmet"-Restaurants werden als gesellschaftliches Ereignis von zahlreichen Personen gemacht, die die entstehenden Kosten in der Regel aus dem zu versteuernden Einkommen decken müssen. Unter den Besuchern gibt es möglicherweise auch Personen, die mit der Gastronomie beruflich befaßt sind. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist es indessen geboten, die Aufwendungen bei allen Besuchern gleich zu behandeln, nämlich als nicht abzugsfähige Aufwendungen der privaten Lebensführung; denn es kann nicht sein, daß solche Aufwendungen nur deshalb als Betriebsausgaben (oder Werbungskosten) geltend gemacht werden können, weil auch betriebliche oder berufliche Interessen berührt sind (Beschluß des Großen Senats in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17).

Es mag zwar sein, daß die Kläger die strittigen "Testessen" allein aus dem Grund durchgeführt haben, um ihre Kenntnisse betreffend die Führung eines "Gourmet"- Restaurants zu verbessern. Es können jedoch grundsätzlich nur solche Kosten als Fortbildungskosten und damit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anerkannt werden, die für Maßnahmen aufgewendet werden, die ihrer Art und Gestaltung nach ausgesprochen auf den Fortbildungszweck ausgerichtet sind, wie z. B. Lehrgänge, Seminare, Fachkongresse. Bei Restaurantbesuchen steht aber regelmäßig das gesellschaftliche Ereignis oder auch nur die Nahrungsaufnahme derart im Vordergrund, daß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG eingreift (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 8. Februar 1971 VI R 76/68, BFHE 101, 393, BStBl II 1971, 368).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65950

BFH/NV 1996, 539

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